Virtueller Körper
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12.04.2017

Kognitive Systeme und Deep Learning in der Medizin

In der modernen Medizin gewinnen Konzepte künstlicher Intelligenz stetig an Bedeutung. "Kognitive Systeme" sind dafür ein Beispiel. Sie sollen die Prozesse der Anamnese und Differentialdiagnose verbessern. Sie verstehen natürliche Sprache, können logische Schlüsse ziehen und lernen aus der Interaktion mit Daten und Benutzern. Sie ermöglichen es, die digitale Datenflut effizienter zu nutzen und neue Erkenntnisse aus großen, polystrukturierten und mehrdeutigen Informationsmengen zu ziehen.

Ein Beispiel ist die Diagnose von seltenen Erkrankungen. Eine Krankheit gilt als selten, wenn weniger als eine von 2000 Personen davon betroffen ist. In Europa sind etwa 30 Millionen Menschen von ca. 7000 bekannten seltenen Erkrankungen betroffen. Am Zentrum für unerkannte und seltene Erkrankungen der Uniklinik in Marburg befasst man sich damit seit vielen Jahren. Die betroffenen Patienten haben zumeist eine lange Leidensgeschichte und unzählige Arztbesuche hinter sich. Damit verbunden sind große Mengen an krankheitsbezogenen Informationen wie Labortests, klinischen Berichten, Arzneimittelverschreibungen, radiologischen Untersuchungen und Pathologie-Berichten. Um die Auswertung dieser Informationsflut zu beschleunigen und insgesamt zu verbessern, bedient man sich in einem Pilotprojekt der Hilfe von IBM's Watson-System. Das kognitive System soll hier auch helfen, das sich exponentiell vermehrende medizinische Wissen besser zu nutzen, und den Patienten eine evidenzbasierte und individuell optimierte Behandlung zukommen zu lassen.

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Der Krankenhausbetreiber Rhön Klinikum möchte die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt auch anderen Krankenhäusern der Gruppe zur Verfügung stellen. Mittels kognitiver Systeme soll dabei nicht nur die Diagnosefindung unterstützt werden. Ziel ist auch eine datengestützte, versorgungsgerechte Patientennavigation bereits in der vorklinischen Phase. Zeit- und kostspielige Fehlzuweisungen könnten durch ein intelligentes Patientenmanagement vermieden werden.

Ein anderes Beispiel künstlicher Intelligenz in der Medizin ist der Einsatz von "Deep-Learning Algorithmen". Jüngste Fortschritte in diesem Bereich haben zu wesentlichen Verbesserungen bei einer Reihe von Anwendungen wie z. B. Bilderkennung, Spracherkennung, Verarbeitung natürlicher Sprache und künstlicher Intelligenz erzielt. Insbesondere bei der Verarbeitung und Interpretation radiologischer Bilddaten bietet sich Deep Learning an. Radiologische Bilddaten eignen sich gut, um die Ausbreitung einer Krankheit im Körper zu untersuchen. Im noch jungen Forschungsgebiet "Radiomics" sollen so radiologische Bilddaten systematisch für die medizinische Versorgung zugänglich gemacht werden. Dabei werden die Bilddaten mit anderen Informationen verknüpft, vor allem mit klinischen, biologischen, genomischen oder proteomischen Parametern. Radiomics wird bereits bei der Behandlung des Prostatakarzinoms und zur Behandlung von neurologischen Erkrankungen zum Einsatz gebracht.

Das Potenzial der künstlichen Intelligenz zur Nutzung für medizinische Zwecke ist enorm. Die praktische Anwendung in der Patientenversorgung steht aber überwiegend noch bevor. In einem VDE Fokus-Workshop am 2. Mai 2017 in Frankfurt erläutern vier Experten aus unterschiedlichen Perspektiven, welche Rolle künstliche Intelligenz in der Medizin spielt und welche Potenziale sich daraus für die Patientenversorgung ergeben. Neben den unterschiedlichen technologischen Ansätzen werden konkrete klinische Anwendungsbeispiele aufgezeigt. Bei Interesse können Sie sich zum Workshop registrieren