Internationale Landesflaggen
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05.02.2018 Kurzinformation

Update: Digitalisierung in der Medizin – der internationale Ansatz

Big Health Data basieren auf unterschiedlichen Quellen [1]. Diese sind:

  • die elektronische Patientenakte (EPA)
  • die administrativen Datensätzen wie Versichertendaten
  • die medizinische Wissensbasis wie medizinische Fachliteratur und Register
  • sowie immer mehr Daten aus der vernetzten Medizintechnik, zum Beispiel ein implantierbarer Glukosesensor [2] oder ein Linsen-integrierter Sensor zur Messung des Augeninnendrucks [3].

Hinzu kommen Daten aus dem Patientenumfeld wie Berichte zum Krankheitsverlauf über eine mobile medizinische App [4] oder biometrische Daten aus der Nutzung von Wearables [5].

Die Analyse von Big Health Data steht vor einer ganzen Reihe methodischer Probleme: angefangen von der Evidenz für verbesserte Ergebnisse in der Behandlung von Patienten, den gesetzlichen Vorgaben bis zur Datenqualität und Dateninkonsistenz [1]. Weiterhin müssen die neuen digitalen Tools in den klinischen Alltag implementiert werden. Demgegenüber steht das große Potenzial der transformierten Smart Health Data beispielsweise für die Diagnose seltener Erkrankungen, die individualisierte Medizin oder die klinische Entscheidungsunterstützung.
Im vergangenen Jahr habe ich über Aktivitäten zur Digitalisierung in der Medizin in internationalen Gesundheitsmärkten berichtet [6]. Es ist Zeit für ein Update!

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Elektronische Patientenakte

In den USA legt die Initiative „Open Notes“ den Schwerpunkt auf die transparente Bereitstellung der ärztlichen Dokumentation für inzwischen mehr als elf Millionen Patienten [7]. Das US-weit tätige Netzwerk „Electronic Medical Records and Genomics (eMERGE)“ befasst sich schon seit einigen Jahren damit, klinische Daten aus der EPA für die Genomforschung zu nutzen [8].

In Österreich [9], den Niederlanden, Neuseeland, Norwegen Schweden und Großbritannien ist die EPA inzwischen Standard. In Deutschland besteht trotz des Starts der „eHealth Initiative“ im Jahr 2010 und des Inkrafttretens des E-Health Gesetzes im Jahr 2016 noch erheblicher Nachholbedarf.

Big-Data-Kooperationen

Großbritannien

Bis 2020 verfolgt der National Health Service (NHS) eine digitale Strategie mit der Vision eines „Gesundheits- und Pflegesystems, das alle benötigten Daten und Informationen in einer zugänglichen und zeitgerechten Weise zur Verfügung stellt“ [10]. Nicht jede der Digitalisierungsaktivitäten lässt sich jedoch umsetzen. Grund dafür sind die existierenden Rahmenbedingungen. Die Zusammenarbeit zwischen dem Royal Free London NHS Foundation Trust und der Firma DeepMind zur Weiterentwicklung einer mobilen klinischen App für die Diagnose akuter Nierenschädigungen wurde aufgrund von Datenschutzproblemen beendet [11].

USA

Zwei Beispiele aus den USA für die Transformation von Big Health Data in Smart Health Data fallen besonders ins Auge. Die bekannte Mayo Klinik und die Universität von Illinois erhielten 2014 vom National Institute of Health (NIH) 9,34 Millionen US-Dollar für die Kooperation beim Aufbau eines „Centers of Excellence“ für genomische und transkriptomische Big-Data-Analysen [12]. Dr. James Madara von der American Medical Association (AMA) sagte kürzlich in einem Interview: „Wir haben viele klinische Daten, aber wir haben nicht die richtigen Daten, noch sind diese organisiert.“ Über die „Integrated Health Model Initiative“ werden nun IT-Firmen wie IBM und Cerner sowie weitere Partner von der AMA eingebunden, um Gesundheitsdaten besser zu organisieren und auch nutzen zu können [13]. Werden Vorschriften für die Medikamenteneinnahme missachtet, führt dies oft zu Misserfolgen bei der Therapie und hohen Folgekosten. Das Massachusetts General Hospital, das Duke Clinical Research Institute und die Pharmafirma Sanofi kooperieren in einem Projekt zu Big-Data-Analysetools, um die Adhärenz-Raten bei Diabetes-Patienten vom Typ-2 zu verbessern [14].

Australien

Australien hat eine nationale digitale Gesundheitsstrategie für den Zeitraum 2018 bis 2022 veröffentlicht, um „unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu verhindern, medizinische Fehler zu reduzieren, Impfraten zu verbessern, die Pflege besser zu koordinieren und über Behandlungsentscheidung besser zu informieren“ [15]. Die Strategie enthält dezidierte Ziele zur Umsetzung.
 

Blockchain-Technologie im Gesundheitswesen

Die Blockchain-Technologie hat ihre Wurzeln im Zusammenhang mit der Kryptowährung Bitcoin und ermöglicht einen dezentralisierten, transparenten und unmittelbaren Zugriff auf Informationen. BCT ist immer dann erfolgreich, wenn:

  • mehrere Parteien Transaktionen vornehmen, die Informationen in einem gemeinsamen Repository ändern
  • die Parteien darauf vertrauen können müssen, dass die vorgenommen Transaktionen gültig sind
  • Vermittler ineffizient sind oder als nicht vertrauenswürdig eingestuft werden und
  • für die Systemintegrität eine erhöhte Sicherheit erforderlich ist.

Im Anwendungsfeld Gesundheit gewährleistet BCT die Privatsphäre der Patienten durch einen sicheren sowie kontrollierten Datenaustausch und hält die Datenintegrität aufrecht. Einen umfassenden Überblick zu dem Thema geben Krawiec et al. [16].

USA

2016 startete die Firma Gem aus den USA die Initiative „Gem Health“ zur Anwendung der BCT im Gesundheitswesen mit Philips als erstem Partner [17]. Das Projekt Hyperledger der Linux Foundation will unter anderem Medikamentenfälschungen durch vertrauenswürdige Aufzeichnung der Medikamentenherkunft mittels BCT verhindern [18]. Auch US-amerikanische Behörden gehen mit der Industrie Kooperationen zur Anwendung der BCT ein. Die Food and Drug Administration (FDA) arbeitet seit 2017 mit IBM Watson Health zusammen, um einen sicheren, effizienten und skalierbaren Austausch von Gesundheitsdaten zu ermöglichen [19]. Außerdem wurde im Jahr 2017 eine Zusammenarbeit zwischen den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und IBM Watson Health vereinbart, um mittels BCT neue Formen der Datennutzung zu finden, die schnellere Reaktion auf nationale Gesundheitskrisen und -bedrohungen ermöglichen [20].

Europa

Auch in Europa wird BCT für Gesundheitsdaten eingesetzt. In der Schweiz implementieren die bürgereigene Gesundheitsdatenplattform Healthbank und Partner die Speicherung persönlicher Patientendaten [21]. 2016 schloss die Software-Sicherheitsfirma Guardtime einen Vertrag mit der Regierung von Estland ab, mit dem Ziel medizinischen Behandlungsdaten für Patienten und Akteure im Gesundheitswesen sicher zur Verfügung zu stellen [22].

Fazit

Die Digitalisierung in der Medizin schreitet gerade außerhalb Deutschlands rasant voran. Vor allem in den USA ist der Reifegrad der Digitalisierung in der Medizin höher als in anderen Ländern. Hier ist die Zusammenarbeit zwischen Industrie, öffentlichen Gesundheitseinrichtungen und Forschungseinrichtungen der Schlüsselfaktor.

Die Umsetzung in die klinische Praxis erfordert eine solide Evidenzbasis, die die Vorteile der Big-Data-Analyse demonstriert, und die ernsthafte Adressierung methodischer Probleme, wie die Datenqualität und rechtliche Probleme.

Ob sich Digitalisierungs-Potenziale voll ausschöpfen lassen, hängt stark von der Verfügbarkeit von Big-Data-Analysetools und sicheren IT-Technologien wie der Blockchain ab.

Digitalisierung in der Medizin – der internationale Ansatz

Virtueller Körper
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26.04.2017 Kurzinformation

Die Transformation von Big Health Data zu Smart Heath Data ist in vollem Gange. Medizinische Daten werden zunehmend gesammelt, integriert, analysiert und zur Optimierung von Diagnostik und Therapie herangezogen. In den USA, in Großbritannien und in Deutschland gibt es einige Vorzeigeprojekte.

Mehr erfahren

[1] J. S. Rumsfeld, K. E. Joynt, und T. M. Maddox, „Big data analytics to improve cardiovascular care: promise and challenges“, Nat. Rev. Cardiol., Bd. 13, Nr. 6, S. 350–359, Juni 2016.

[2] J. Wang, „In vivo glucose monitoring: towards ‚Sense and Act‘ feedback-loop individualized medical systems“, Talanta, Bd. 75, Nr. 3, S. 636–641, Mai 2008.

[3] I. E. Araci, B. Su, S. R. Quake, und Y. Mandel, „An implantable microfluidic device for self-monitoring of intraocular pressure“, Nat. Med., Bd. 20, Nr. 9, S. 1074–1078, Sep. 2014.

[4] W. Mondorf und A. Rösch, „Smart Medication - Telemonitoring per App“, E HEALTH COM, Bd. 2-3 / 17, S. 40–43, 2017.

[5] L. Piwek, D. A. Ellis, S. Andrews, und A. Joinson, „The Rise of Consumer Health Wearables: Promises and Barriers“, PLoS Med., Bd. 13, Nr. 2, Feb. 2016.

[6] T. Prinz, „Digitalisierung in der Medizin – der internationale Ansatz“, 25-Apr-2017. https://www.linkedin.com/pulse/digitalisierung-der-medizin-internationale-ansatz-thorsten-prinz.

[7] S. K. Bell, T. Delbanco, und J. Walker, „OpenNotes: How the Power of Knowing Can Change Health Care“, NEJM Catalyst, 12-Okt-2017. https://catalyst.nejm.org/opennotes-knowing-change-health-care.

[8] O. Gottesman u. a., „The Electronic Medical Records and Genomics (eMERGE) Network: past, present, and future“, Genet. Med. Off. J. Am. Coll. Med. Genet., Bd. 15, Nr. 10, S. 761–771, Okt. 2013.

[9] „ELGA: ELGA im Überblick“. https://www.elga.gv.at/elga-die-elektronische-gesundheitsakte/elga-im-ueberblick/index.html.

[10] „Our strategy - NHS Digital“. https://digital.nhs.uk/article/249/Our-strategy.

[11] A. Hern, „Royal Free breached UK data law in 1.6m patient deal with Google’s DeepMind“, The Guardian, 03-Juli-2017.

[12] „University of Illinois collaborates with Mayo Clinic to Revolutionize Genomic Data Analysis | Coordinated Science Laboratory“. https://csl.illinois.edu/news/university-illinois-collaborates-mayo-clinic-revolutionize-genomic-data-analysis.

[13] B. Japsen, „AMA Partners With IBM Watson, Cerner On Health Data Model“, Forbes. https://www.forbes.com/sites/brucejapsen/2017/10/16/ama-partners-with-ibm-watson-cerner-on-health-data-model.

[14] HealthITAnalytics, „Partnership Ups Medication Adherence with Predictive Analytics“, HealthITAnalytics, 02-Mai-2016. https://healthitanalytics.com/news/partnership-ups-medication-adherence-with-predictive-analytics.

[15] „Australia’s National Digital Health strategy - Australian Digital Health Agency“. https://www.digitalhealth.gov.au/about-the-agency/publications/australias-national-digital-health-strategy.

[16] R. Krawiec u. a., „Blockchain: Opprotunities for Health Care“, Deloitte, New York, NY, White Paper, Aug. 2016.

[17] „Gem Unveils Launch of GemHealth Blockchain Ecosystem for Healthcare“, Financial IThttps://financialit.net/news/blockchain/gem-unveils-launch-gemhealth-blockchain-ecosystem-healthcare.

[18] D. Gilbert, „Blockchain Technology Could Help Solve $75 Billion Counterfeit Drug Problem“, International Business Times, 19-Apr-2016. http://www.ibtimes.com/blockchain-technology-could-help-solve-75-billion-counterfeit-drug-problem-2355984.

[19] K. E. Hoffman, „The new building block(chain) of health care records management“, GCN Technology, Tools and Tactics for Public Sector IT, 21-März-2017.

[20] J. Woodruff, „IBM Watson Health Teams Up With The CDC To Research Blockchain“, Fast Company, 24-Okt-2017. https://www.fastcompany.com/40481883/ibm-watson-health-is-teaming-up-with-the-cdc-to-research-blockchain.

[21] M. Allen, „How blockchain could soon affect everyday lives“, SWI swissinfo.ch. https://www.swissinfo.ch/eng/business/joining-the-blocks_how-blockchain-could-soon-affect-everyday-lives/43003266.

[22] O. Williams-Grut, „Estonia is using the technology behind bitcoin to secure 1 million health records“, Business Insider Deutschland. http://www.businessinsider.de/guardtime-estonian-health-records-industrial-blockchain-bitcoin-2016-3.