Bild 3: Chip eines 60 A, 600 V normally-off GaN-HEMT (Quelle Ferdinand-Braun-Institut).

01.06.2014 Seite

Schaltungstechnik für Galliumnitrid-Bauelemente in der Leistungselektronik

4. November 2013, Berlin

ETG-MI2014-GANWorkshop

Bild 1: Induktivitäten für einen einphasigen 5 kW Fotovoltaik-Wechselrichter bei unterschiedlichen Schaltfrequenzen. Volumen und Gewicht sind in etwa umgekehrt proportional zur Frequenz (Quelle Fraunhofer ISE).

Im Vorfeld des ETG-Kongress‘ in Berlin fand am 04.11.2013 der Workshop „Schaltungstechnik für Galliumnitrid-Bauelemente in der Leistungselektronik“ statt. Der ETG-Fachbereich Q1 „Leistungselektronik und Systemintegration“ hatte den Workshop in dieser Form erstmalig organisiert und konnte dazu knapp 30 Teilnehmende im VDE-Haus begrüßen.

Galliumnitrid (GaN) ist wie Siliziumkarbid (SiC) ein Halbleitermaterial mit großem Bandabstand. Es eignet sich deshalb vor allem für Anwendungen mit hohen Spannungen oder hohen Temperaturen. Zudem ist es ein direkter Halbleiter, so dass optoelektronische Bauelemente relativ einfach zu realisieren sind. Tatsächlich haben GaN-Bauelemente ihr Hauptanwendungsgebiet bisher in der Optoelektronik und der Hochfrequenztechnik. Das Marktpotential dieser Volumenmärkte hat in den vergangenen Jahren zu einer stürmischen Entwicklung der GaN-Technologie geführt, die auch den GaN-Leistungsbauelementen Fortschrittsgeschwindigkeiten ermöglicht hat, wie man sie vom hauptsächlich in der Leistungselektronik eingesetzten SiC bisher nicht kennt. Dadurch stoßen GaN-Bauelemente auch in der Leistungselektronik auf immer mehr Interesse und in immer höhere Leistungsklassen vor. Die inzwischen kommerziell verfügbaren GaN-Bauelemente haben es zudem einer wachsenden Zahl an Anwendern ermöglicht, erste Erfahrungen zu sammeln.

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Dabei wurde bereits deutlich, dass die Applikationen und vor allem auch die für GaN optimalen Schaltungstopologien anders aussehen werden als bei Silizium und auch SiC. Im Fokus der Anwender stehen neben den klassischen, hartschaltenden Anwendungen, bei denen die niedrigen Durchlasswiderstände der GaN-Bauelemente genutzt werden, besonders die hohen mit GaN erreichbaren Schaltgeschwindigkeiten bzw. Schaltfrequenzen sowie resonante Schaltungen. Ziel des Workshops war der Austausch der vielfältigen bisher mit GaN-Leistungsbauelementen gemachten Erfahrungen, wobei sowohl Vertreter der Anwenderseite als auch von der Bauelementseite für Vorträge gewonnen werden konnten.

Im einleitenden Übersichtvortrag eröffnete Dirk Kranzer vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg mit der mehrfach gehörten Feststellung, dass nicht die Bauelementkosten selbst, sondern die Systemkosten die Rentabilität von SiC und GaN Bauelementen bestimmen. Konkret erwartet man eine Steigerung des Wirkungsgrades, Gewichtsreduktion, Steigerung der Leistungsdichte und Kostenreduktion bei den passiven Bauelementen. Dazu sind im Allgemeinen höhere Schaltfrequenzen notwendig, die aber zu höheren Schaltverlusten und niedrigerem Wirkungsgrad führen. Herr Kranzer demonstrierte eine Vielzahl an Beispielen, die das Erreichte und die unterschiedlichen Optimierungen illustrierten. Er schloss unter anderem mit der Einschätzung, dass GaN-Bauelemente bestens für hochfrequente resonante Anwendungen geeignet sind und dort deutliche Vorteile gegenüber SiC besitzen. Insofern sind GaN- und SiC-Bauelemente nicht für alle Anwendungen gleich gut geeignet und stehen nicht zwangsläufig in Konkurrenz.

Bild 2: Thermographie eines resonanten Umrichters bei 1 kW und 1 MHz. Die Induktivität links ist mit ca. 90°C klar das begrenzende Element, während die GaN-Transistoren mit nur rund 30°C kaum warm werden (Quelle Fraunhofer ISE).

Thorsten Stubbe von SMA Solar Technology AG in Niestetal stellte die neuen Möglichkeiten der GaN-Bauelemente aus Sicht eines Industrieunternehmens dar und griff dafür auch auf Resultate des vom BMBF geförderten Projekts „NeuLand“ zurück, bei dem der Einsatz von GaN-Bauelementen in Photovoltaikwechselrichtern untersucht wurde. Als kritische Punkte nannte er neben dem Umgang mit normally-on Bauelementen vor allem die steilen Schaltfranken und bei den sehr kleinen GaN-Chips die Entwärmung. Natürlich kam dann hier auch das Thema Zuverlässigkeit und Robustheit zur Sprache. Ohne deren Nachweis wird es keinen großflächigen Einsatz von GaN-Bauelementen geben, wobei sich an dieser Stelle natürlich ein „Henne-Ei-Problem“ ergibt: Ohne Zuverlässigkeitsnachweis kein signifikanter Feldeinsatz und ohne Feldeinsatz kein endgültiger Zuverlässigkeitsnachweis.
Marita Wendt von der Universität Kassel konzentrierte ihren Beitrag auf die Grenze der Schaltfrequenz, die sich durch die passiven Bauelemente ergibt. Tatsächlich besitzen Kondensatoren und Spulen aufgrund ihrer parasitären Komponenten ein komplexes Frequenzverhalten und, damit sie sich wie gewünscht verhalten, muss die Schaltfrequenz klar unterhalb der (niedrigsten) Resonanzfrequenz bleiben. Selbst bei Keramikkondensatoren kommt man so nur in den einstelligen Megaherzbereich und so schloss Frau Wendt mit der Einschätzung, dass das technisch nutzbare Potential bei bis zu 10 MHz liegt.

 

Bild 3: Chip eines 60 A, 600 V normally-off GaN-HEMT (Quelle Ferdinand-Braun-Institut).

Thomas Heckel von der Universität Erlangen-Nürnberg bzw. vom Fraunhofer-Institut für integrierte Systeme und Bauelementetechnologie (IISB) in Erlangen widmete seinen Vortrag der Charakterisierung von GaN-Bauelementen und deren Einsatz in DC/DC-Wandlern. Er berichtete dabei von der Schwierigkeit, die ohnehin schon sehr hohen Wirkungsgrade genau zu bestimmen, und demonstrierte abschließend für eine 1,5 kW-Anlage einen Wirkungsgrad von 99,3% bei einer Schaltfrequenz von „nur“ 100 kHz, während mit 1 MHz nur 95% erreicht wurden.

Im ersten Vortrag zur Bauelementtechnologie zeigte Michael Schlechtweg vom Fraunhofer Institut für Angewandte Festkörperphysik (IAF) in Freiburg die ganze Prozesskette beginnend mit der GaN-Epitaxie auf Silizium, die zu einem großen Kostenvorteil führen wird, bis hin zur Charakterisierung der fertigen High Electron Mobility Transistors (HEMTs), wobei er bereits statistische Daten zeigen konnte. Am Ende stand dann der Vergleich mit Siliziumbauelementen, der bereits heute mit einem Faktor von 3 10 in der für kapazitivgesteuerte Bauelemente wichtigen Kennzahl „Durchlasswiderstand mal Gate-Ladung“ zu Gunsten der GaN-HEMTs ausging.

Joachim Würfl vom Ferdinand-Braun-Institut für Höchstfrequenztechnik in Berlin ging bezüglich der Bauelementdesigns noch einen großen Schritt tiefer in die Details … wo bekanntlich der Teufel steckt. Dabei spannte er den Bogen vom zweidimensionalen Elektronengas (2DEG), dem Charakteristikum des HEMTs, bis hin zu den Effekten, die zu Leckströmen oder dem Verschwinden es 2DEG führen. Die gute Nachricht war dabei die Tatsache, dass viele Mechanismen inzwischen verstanden sind und manche Lösungen bereits gute Resultate zeigen. Zumindest bei niedrigen Sperrspannungen lassen sich so schon Bauelemente mit guter Zuverlässigkeit herstellen.

Nasser Badawi von der Technischen Universität Berlin untersuchte im abschließenden Vortrag das Verhalten von GaN-Schottky-Dioden und GaN-HEMTs bis hinauf zu 175°C. Es zeigten sich sehr positive Eigenschaften und es wurde deutlich, dass die Gehäuse hinsichtlich des Schaltverhaltens ein stark bergenzender Faktor sind. Hier gibt es noch erhebliches Verbesserungspotential, das sich derzeit aber nicht ohne erheblich höhere Kosten realisieren lässt.

Insgesamt bildeten die Vorträge das weite Spektrum an neuen Möglichkeiten mit GaN-Bauelementen ab. Gleichzeitig wurden aber auch die durchaus noch bestehenden Herausforderungen thematisiert, die es bis zu einer großflächigen Nutzung der GaN-Bauelemente zu bewältigen gilt. Darüber hinaus wurde mehrfach bemängelt, dass sich die großen internationalen Halbleiterhersteller bezüglich ihrer Pläne mit GaN bisher noch nicht exponieren.

Am Ende der Diskussion war das Votum der Teilnehmenden dann klar: Der Workshop war hilfreich und sollte in dieser Form in etwa zwei Jahren wieder stattfinden. Vielleicht haben sich die Halbleiterhersteller bis dahin auch zu einer Position durchgerungen. Für das weitere Vorgehen in der Forschung und Entwicklung der GaN-Bauelemente wäre das sicher hilfreich.

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