Der erste Veranstaltungstag stand im Zeichen der Erfahrungen mit neuer Regularien, die in den letzten Jahren neu entstanden sind und für geänderte Rollenverhältnisse im Zulassungsprozess gesorgt haben. Vormittags lag der Fokus auf den Fahrzeugen, für deren Inbetriebnahmegenehmigung zwar immer noch das Eisenbahn-Bundesamt zuständig ist, wobei die fachliche Bewertung der meisten Themenkomplexe jedoch auf private Prüforganisationen oder herstellereigene (unabhängige) Stellen verlagert wurde. Beide Wege wurden vorgestellt und können bereits erfolgreiche Referenzen vorweisen. Weiterhin wurde anhand der präsentierten Projekte deutlich, wie wichtig die in den Vorjahren formal eingeführte Normenfestschreibung und „Variantenzulassung“ für einen effizienten Durchlauf sind: Basierend auf einem Baukastenprinzip in der Entwicklung und entsprechenden Konformitätsbetrachtungen wird die Nachweisführung stark vereinfacht, so dass selbst die Mischtraktion unterschiedlicher Triebzugtypen beherrschbar wird.
Am Nachmittag wurde von den Referenten aufgezeigt, dass es im Bereich der Bahnstromversorgung durchaus eine gewisse Annäherung an den Fahrzeugsektor gibt – sowohl bei den Regelwerken als auch den Akteuren – , und dass der Begriff „Funktionale Sicherheit“ neben der klassischen Elektrosicherheit seinen Platz gefunden hat. Die wichtige Differenzierung zwischen Safety und Security, die im deutschen Sprachgebrauch eher umständlich ist, war eine weitere interessante Betrachtung zum Thema Sicherheit.
Nach einem Einführungsvortrag über die Position der Europäischen Eisenbahn-Agentur (ERA) folgte ein leidenschaftlicher Vortrag aus Sicht der Signaltechnik, inwieweit das europäische Zugsicherungssystem ETCS und die mit dessen Einführung verbundenen Prozesse eigentlich die gesteckten Ziele erreicht haben. Szenenapplaus gab es für das Plädoyer, etablierten normenbasierten Verfahren keine bürokratische Haube überzustülpen und der ohnehin klar definierten Produktverantwortung und –Haftung keine zusätzliche, scheinbar unabhängige Bewertung zur Seite stellen zu müssen.
Eine gelungene Überleitung zur Podiumsdiskussion „Gelingt die Verknüpfung von TSI’en mit nationalem Regelwerk?“ mit Vertretern von Bahnbetreibern, Herstellern und Aufsichtsbehörde. „Bild Podium.jpg: Podiumsdiskussion zur Zulassungspraxis; von links: Dr. Werner Krötz, DB Netz; Ralf Fleischmann, Bombardier Transportation; Wolfgang Sturzeis, ÖBB Infrastruktur; Moderation durch Prof. Arnd Stephan, Institut für Bahntechnik; Dr. Steffen Röhlig, Rail Power Systems; Guido Bachmann, Gebr. Bode; Thomas Gehringer, Eisenbahn-Bundesamt; (Quelle: IZBE)“.
Die Schaffung komplexer „Technischer Spezifikationen für Interoperabilität“ (TSI) war von Anfang an auch durch ein zweites Ziel getrieben, damit (bereits kurz- und mittelfristig!) die historisch gewachsenen nationalen Regelwerke abzulösen. Dies sollte die Standardisierung der Produkte fördern und somit die Wettbewerbsfähigkeit des Eisenbahnsystems verbessern.
In vielen Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, ist die jeweilige „Herkunft“ einzelner nationaler Regelwerke sehr unterschiedlich. Ein Großteil findet in der ebenfalls historisch gewachsenen Infrastruktur seinen Ursprung und wird erst mit deren europäischer Harmonisierung seine Berechtigung verlieren. Da auch die TSI’en einen Bestandsschutz enthalten, droht eine lange Ko-Existenz von Altnetz und modernen Ausrüstungen, mit entsprechender Doppelung der Anforderungen an die Kompatibilität von Fahrzeugen. Der Netzzugang wird zur entscheidenden Thematik.
Ein anderer Teil der nationalen Anforderungen ist betrieblich bedingt und soll erst durch die zukünftige TSI OPE adressiert werden. Hätte man mit deren Harmonisierung früher begonnen, was sicher schwieriger ist als bei den rein technischen Regelwerken, wären wir heute einiger in der Frage, welcher Freiheitsgrad bei der Verteilung der Sicherheitsverantwortung zwischen Fahrzeug (technisch) und Betreiber (Personal) eigentlich zulässig sei. So kommt es gelegentlich zum Streit, inwieweit spezifische Lösungen oder Nachweise für die Beibehaltung unseres Sicherheitsniveaus erforderlich sind.
Konsens besteht jedoch in der Ansicht, dass „Anerkannte Entwicklungsbetriebe“ (wie in der Luftfahrt üblich) ein besseres Modell für den Bahnsektor sind als völlig unabhängige „Third parties“ zum Nachweis der Produktkonformität.