Podiumsdiskussion beim 8. VDE/ZVEI-Symposium Mikroelektronik

Einig waren sich die Diskutanten bei der Podiumsdiskussion anlässlich des 8. VDE/ZVEI-Symposiums Mikroelektronik darüber, dass nach wie vor die Prämisse gilt: Wir Menschen denken, Mikrochips „lenken“.

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07.11.2018 Berlin Veranstaltungsrückblick

8. VDE/ZVEI Symposium Mikroelektronik 2018: Sensoren – Sinne für die digitale Welt

Die Sensortechnik ist ein Schlüsselgebiet der Digitalisierung, in dem Deutschland eine internationale Spitzenstellung einnimmt. Um diese Position zu halten, sind neben kontinuierlichen Innovationen auch förderliche industriepolitische Rahmenbedingungen und Maßnahmen gegen den zunehmenden Fachkräftemangel geboten, wie Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auf dem 8. VDE/ZVEI Symposium Mikroelektronik 2018 unter dem Titel „Sensoren – Sinne für die digitale Welt“ am 6. November in Berlin betonten.

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Die Sinnesorgane der digitalen Welt sind technische Bauelemente der Mikroelektronik, die so genannten Sensoren. Diese erfassen physikalische und chemische Größen oder auch die stoffliche Beschaffenheit ihrer Umgebung als Messgrößen und formen sie in elektrische Signale um. Tagtäglich nutzen wir Sensoren, meist unbemerkt, wie beispielsweise als Touch-Sensor einer Kaffeemaschine, als Image-Sensor des Mobiltelefons oder als Radarsensor in einem PKW. Unsere Kaffeeauswahl, die Urlaubserinnerung oder der Abstand zum Fahrzeug vor uns werden durch Mikroelektronik für die digitale Welt wahrnehmbar und als Daten weiter verarbeitet. Sensoren fungieren als „Wandler der Umwelt“ – sie wandeln elektrische Muster in Form von Daten und bilden somit die Quelle des Rohstoffes für die Digitalisierung. Neue Sensoren bedeuten neue Daten, neue Anwendungen, neue Geschäftsideen, neue Geschäftsmodelle und letztlich Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze durch Mikroelektronik.

Der Fortschritt, nicht zuletzt in der Mikroelektronik, ermöglicht, dass Sensoren auch Sinne abbilden können, die wir Menschen nicht besitzen, wie beispielsweise Ultraschall- und Infrarotsicht. Durch diese Sensorik stehen der digitalen Welt weitaus mehr Sinne als dem Menschen zur Verfügung, was
wiederum die Wahrnehmungsfähigkeit überdimensional steigert. Das Spannende dabei ist, dass wir uns dadurch selbst „neue Sinne“ erschließen und mit Mikroelektroniksensoren unser Umfeld in neuen Dimensionen erfassen.

Das 8. Symposium Mikroelektronik, das sich erstmals mit einer Ausstellung präsentierte, hat sich zum Ziel gesetzt, die wissenschaftliche, technische und politische Diskussion über die Bedeutung der Mikroelektronik für den Wirtschaftsstandort Deutschland anzuregen und zu fördern. Es stand in diesem Jahr unter dem Motto “Sensoren – Sinne der digitalen Welt“, die uns unsere Umwelt mit neuen Augen sehen und verstehen lassen.

Mikroelektronik stärken und 5G flächendeckend einführen

Dr. Gunther Kegel beim 8. VDE/ZVEI Symposium Mikroelektronik 2018

Dr. Gunther Kegel: „Wie immer die digitale Zukunft aussehen mag: Mikroelektronik, 5G und sichere Sensornetzwerke werden das Backbone sein."

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Das bekräftigte auch VDE-Präsident Dr. Gunther Kegel in seiner Keynote: „Sensoren und Sensornetzwerke gehen damit weit über das hinaus, was Fühler konnten. Sensoren sind mehr als nur künstliche Sinneszellen oder Sinnesorgane: Sensornetzwerke sind Sinnesorgane und Nervensysteme zugleich." Weiter betonte er, dass künftig eine viel größere Zahl von Sensoren als heute mit dem Netz verbunden sein werde. Diese smarten Sensoren müssen im Sinne einer Schwarmintelligenz einfache Signale so miteinander abgleichen, dass die Informationen in Echtzeit – innerhalb von Millisekunden – zu einem Gesamtmesswert verdichtet werden. So werden aus Daten Informationen, die der Anlage zur Verfügung gestellt werden. „Das ist die zweite Stufe von Industrie 4.0. Um diese zu erklimmen, reichen aber die aktuellen Netzwerktechnologien nicht aus", so Kegel, „gefordert sind deutlich höhere Geschwindigkeiten bei der Datenübertragung beziehungsweise signifikant reduzierte Latenzzeiten."

Kegel fordert deshalb, die Mikroelektronik massiv zu stärken: „Ohne wettbewerbsfähige Chip-Industrie werden wir abhängig von Asien, Spitzenpositionen geraten in Gefahr, Europa wird Importeur von Schlüsseltechnologien, der Export, das Geschäftsmodell Deutschland kollabiert." Deshalb müsse das laut Kegel lauten: Die gesamte Innovationskette der Mikroelektronik in Europa zu realisieren.

Neben der Stärkung der Mikroelektronik brauche Deutschland auch ein flächendeckendes 5G-Netz, denn: Ohne 5G keine Energiewende, kein Internet der Dinge, keine vernetzte Mobilität. Gerade für das Gelingen von Industrie 4.0. sei 5G unabdingbar: „5G ermöglicht ein taktiles Internet. Das brauchen wir zum Beispiel, damit mobile Roboter im Fertigungstakt drahtlos miteinander kommunizieren und Schwarmintelligenz nutzbar machen", erläuterte Kegel.

Aber auch beim Thema Cyber Security spiele die Mikroelektronik eine wichtige Rolle: Kryptochips und Security by Design sind zentrale Voraussetzung dafür, dass IT-Lösungen und Produkte interoperabel eingesetzt werden können und das Internet der Dinge Wirklichkeit wird. „Auch dazu brauchen wir Chips aus heimischer Produktion", fordert Kegel.

„Wie immer die digitale Zukunft aussehen mag: Mikroelektronik, 5G und sichere Sensornetzwerke werden das Backbone sein. Entsprechend schnell und massiv müssen wir in sie investieren. Das Schlagwort `Investitionen in die Zukunft´ war noch nie so zutreffend hier und jetzt", so Kegel abschließend.

Digitalisierung, Automatisierung und KI auf der politischen Agenda

Steffen Bilger beim 8. VDE/ZVEI-Symposium Mikroelektronik 2018

Steffen Bilger: „Wir wollen bei den digitalen Möglichkeiten die Chancen nutzen, ohne die Risiken auszuklammern."

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Michael Ziesemer, der Präsident des ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik-und Elektronikindustrie e.V. , bezeichnete Sensoren als „technische„Multi­talente“, mit deren Hilfe die biologischen Sinne des Menschen, wie Sehen, Fühlen und Hören, geschärft werden könnten. Der Faktor Mensch spiele auch bei der weiteren Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz eine zentrale Rolle. Deren Anwendungen müßten „human-zentriert“ gestaltet werden, weil sonst Kundenakzeptanz und Markterfolg ausblieben. Sorge bereitete Ziesemer der Fachkräfte-Mangel im MINT-Bereich, der inwischen für die Technologie-Unternehmen „ausgesprochen wachstumshemmend“ sei. Bei der Cyber-Sicherheit müsse verstärkt Vorsoge geleistet werden: 60 Prozent der deutschen Unternehmen seien in den vergangenen zwei Jahren Ziel von Trojaner-Angriffen geworden.

Die digitale Zukunft der Mobilität stellte der politische Hauptredner der Veranstaltung, der Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesminis­terium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Steffen Bilger, in den Mittelpunkt. Drei große Themen beschäftigten derzeit sein Haus: die klimafreundliche Mobilität, die Digitalisierung und Automatisierung sowie die Künstliche Intelligenz. Neben der Technologieförderung kümmere sich das BMVI auch um die Modernisierung des Rechtsrahmens wie etwa das Personenförderungsgesetz, das an neue Verkehrsangebote wie fahrerlose Taxidienste angepasst werden müsse. „Wir wollen bei den digitalen Möglichkeiten die Chancen nutzen, ohne die Risiken auszuklammern“, sagte Bilger.

Technologiepolitischer Abend: Wir denken, Chips „lenken"

Podiumsdiskussion beim 8. VDE/ZVEI-Symposium Mikroelektronik

Einigkeit herrschte auf dem Podium darüber, dass die Quantensensorik kommen werde, so stünden beispielsweise Blutdrucksensoren in Blutgefäßen vor der Markteinführung.

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Beim Technologiepolitischen Abend debattierten dann hochkarätige Referenten über die Bedeutung der Mikroelektronik für den Wirtschaftsstandort Deutschland und den Nachwuchsmangel in den Ingenieurswissenschaften. Auf dem Podium:

  • Hansjörg Durz, CSU, Mitglied des Deutschen Bundestages
  • Stefan Mengel, Referatsleiter für Elektronik und Autonomes, elektrisches Fahren  im Bundesministerium für Bildung und Forschung
  • Dr. Rutger Wijburg, General Manager, Infineon Technologies Dresden
  • Dr. Hans-Jürgen Wildau, Vice President, Biotronik SE & Co. KG.

Von Seiten der Politik bekräftigte Hansjörg Durz, dass diese Anreize geben müsse, damit die Wirtschaft zum Beispiel bei KI mitgehe und investieren: „Die Politik muss die Umsetzung erleichtern", so der MdB. Auch Stefan Mengel betonte: „Die Mikroelektronik ist entscheidend für Technologiesouveränität. Deshalb müssen wir uns europäisch vernetzen." Das Mikroelektronik-Programm der Bundesregierung im Umfang von 1,8 Milliarden Euro seit wichtig dafür.

Als Industrie-Vertreter auf dem Podium lobte Hans-Jürgen Wildau die hervorragende Ausbildung in Deutschland. Gerade diese sei wichtig für den Mittelstand. Die positive Sensorikentwicklung wurde auch möglich durch Preissenkungen in der Telekommunikation: Nun funken wir wie die Weltmeister“, so Wildau. Etwas weniger optimistisch sieht das Rutger Wijburg von Infineon: „Der Nachwuchsmangel wird künftig zu einem großen Problem für den Mikrotechnik-Standort Deutschland."

Einig waren sich die Diskutanten darüber, dass die Quantensensorik kommen werde, so stünden beispielsweise Blutdrucksensoren in Blutgefäßen vor der Markteinführung. Und auch wenn Sensoren die Sinne der digitalen Welt sind, gelte nach wie vor die Prämisse: Wir Menschen denken, Mikrochips „lenken“.

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