Interview Prof Fettweis

Prof. Dr. Dr. Gerhard Fettweis ist seit 1994 Inhaber des Vodafone Stiftungslehrstuhls an der Technischen Universität Dresden.

| TU Dresden
15.08.2014 Seite

Hochschule - "Ich will Katalysator sein"

Der typische Berufseinstieg eines deutschen Ingenieurs ist ein Konzern-Trainee-Programm, um dann peu à peu die Karriereleiter nach oben zu klettern. Prof. Gerhard Fettweis von der TU Dresden wirkte einige Jahre im Silicon Valley – dort ist der Pioniergeist wesentlich ausgeprägter. Im Interview erklärt er, welche Unterstützung Start-ups benötigen, um erfolgreich zu sein.

Interview mit Prof. Gerhard Fettweis

Herr Prof. Fettweis, nach einer aktuellen Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft liegt Sachsen weltweit auf dem 10. Rang beim Faktor „Industrielle Standortqualität“. Insbesondere der Region Dresden mit ihrer starken Elektroindustrie bescheinigen Experten eine hervorragende Wettbewerbsfähigkeit. Das Ergebnis hat viele überrascht, Sie auch?

Ja und nein. Dass Sachsen in Europa ganz weit vorne liegt, war mir bewusst. Dass wir aber auch weltweit eine derart herausragende Position einnehmen, hat auch mich überrascht.

Daran hat die TU Dresden, an der Sie lehren und die zu den elf deutschen Exzellenzuniversitäten gehört, einen nicht unerheblichen Anteil. Sie zählt zu den forschungsstärksten Hochschulen und pflegt einen regen Austausch mit der Wirtschaft. Von welchen erfolgreichen Projekten können Sie berichten?

„EASY-C“ war beispielsweise ein sehr erfolgreiches Forschungsprojekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert und gemeinsam von der Deutschen Telekom und Vodafone geleitet und von uns, dem Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik und dem Heinrich-Hertz-Institut (HHI) koordiniert wurde. Das Ziel der Forschungsaktivitäten war das Vorantreiben von Schlüsseltechnologien für die nächste Generation von Mobilfunknetzen, um die Entwicklung von neuen Applikationen zu unterstützen. Viele Ergebnisse werden heute in der technischen Standardisierung der zukünftigen Mobilfunkgenerationen weiterverfolgt. Ein anderes gutes Beispiel ist der Spitzencluster „Cool Silicon“ bei dem Lösungen entwickelt wurden, die den Energieverbrauch im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) deutlich senken – bis hin zu energieautarken Systemen.

Sie bieten trotz der Bologna-Reform weiterhin den Abschluss „Diplom-Ingenieur“ an.

Ja, dieser Abschluss genießt international höchstes Ansehen und hat sich als Marke etabliert. Wobei ich gegen das Bologna-Modell mit der Modularisierung, die wir im Übrigen mit Bachelor und Master voll umgesetzt haben, überhaupt nichts habe. Ich kritisiere nur die Umsetzung. Beispielsweise konnte man früher mit Vordiplom wesentlich leichter die Hochschule wechseln. Heute ist diese Mobilität eingeschränkt und man hat kaum noch die Möglichkeit sich auszuprobieren und als Persönlichkeit zu entwickeln, um dann nach dem Vordiplom einen Reset-Schalter zu drücken und durchzustarten.

Was haben Studenten von Ihnen zu erwarten?

Bei mir müssen die Doktoranden innerhalb von vier Jahren ihre Dissertation auf den Tisch legen. Schließlich müssen später auch enge Termine eingehalten werden. Andererseits stehen bei mir die Personen im Mittelpunkt und nicht nur die Wissenschaft. Ich will der Katalysator sein, der die Leute zum Glühen bringt. Hinzu kommt, dass bei uns Zusatzqualifikationen wie Projektmanagement und Präsentationstechniken angeboten werden.

Ihr Lehrstuhl gehört zu den gründungsfreudigsten und Sie haben bereits neun Start-ups angestoßen und begleitet. Ihre Erfahrungen als Gründer im Hochtechnologiebereich stellen Sie nun der „High Tech Startbahn“ zur Verfügung, die ja auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird.

Richtig, dabei handelt es sich um ein Modell, das ich in meiner Zeit in Berkeley kennengelernt habe: Gründern fehlt in der Regel die Businesserfahrung. Wenn aber jedes Start-up die Basics des Unternehmertums erst Schritt für Schritt lernen muss, hält das die junge Firma extrem auf. Mit unserer Unterstützung und dem von uns zur Verfügung gestellten Know-how, können sich die Jungunternehmer ganz auf die Firmenentwicklung konzentrieren und sind so aufgestellt, als wären sie schon einige Jahre am Markt.

Warum ist die Start-up-Szene in Deutschland eigentlich so wenig ausgeprägt?

Das ist lediglich eine Momentaufnahme. Schließlich hatten wir in den 1950er-Jahren auch schon einmal eine Gründerwelle. Im Moment haben es die Start-ups deshalb nicht so leicht, weil die deutschen Venture Capitalists – anders als in den USA oder auch England – selbst nie Unternehmensgründer waren. Das Zittern, Bangen, Hoffen und Zweifeln einer Gründungsphase haben die Capitalists selbst nie erlebt.

Und wie soll jemand ohne eigene Erfahrung intelligent Gelder an Gründungswillige vergeben? Was ist entscheidend für eine erfolgreiche Gründung?

Das Team ist der wichtigste Faktor. Dabei muss mindestens eine Person im Team sein, die imstande ist ein Unternehmen zu führen. An zweiter Stelle steht die Idee. Um zu erkennen, ob die Idee marktreif ist, braucht es allerdings Erfahrung und einen guten Riecher. Als dritten Aspekt würde ich die Unternehmensstrategie nennen. Dazu ist es aber wichtig zu wissen, wer ich bin, was mein Produkt ist, wo meine Defizite liegen, wo ich stehe und natürlich wo ich hin will. Als High Tech Startbahn können wir in allen Bereichen unter die Arme greifen. So stellen wir den Gründern erfahrene und kompetente Beiräte zur Seite. In unserem Tech-Screening evaluieren wir die Idee und schauen, ob sie schon marktreif ist. Schwächen bei der Strategie können durch das Inkubatorteam kompensiert werden.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Eigenschaften für einen jungen Unternehmensgründer?

Neben Selbstbewusstsein und Risikobereitschaft einen gewissen Selbstverwirklichungsdrang, den Wunsch, der Welt mit der eigenen Arbeit einen Stempel aufzudrücken.

Welchen Rat würden Sie einerseits einem Abiturienten geben, der vor der Studienwahl steht, und andererseits einem Absolventen eines Elektroingenieur-Studiums?

Wer sich für ein Ingenieurstudium entscheidet, sollte – anders als bei einem Physikstudium – unbedingt kreativ sein. Wer eher haptisch veranlagt ist, dem würde ich Maschinenbau empfehlen. Wem ein direktes Ergebnis wichtig ist, dem rate ich zur Informatik und wer virtuell unterwegs sein kann und stark in Gedankenexperimenten ist, für den ist Elektrotechnik eine gute Wahl. Nach dem Studium sollte keine übereilte Entscheidung getroffen werden. Wichtig zu wissen ist, was ich wirklich will und welche Bedeutung beispielsweise Sicherheitsaspekte für mich haben. Tatsache ist, dass einem Ingenieur die ganze Welt offensteht. Deshalb rate ich eigentlich allen, eine Zeit im Ausland zu verbringen.​

Autor: Ulrich Erler

Artikel aus dem VDE dialog 04/2013

Zur Person:
Prof. Dr. Dr. Gerhard Fettweis ist Jahrgang 1962, studierte Elektrotechnik an der Technischen Hochschule in Aachen, wo er 1990 promoviert wurde. Von 1990 bis 1991 war er Post-Doc beim IBM Almaden Research Center in San Jose (USA). Zwischen 1991 und 1994 war er als Wissenschaftler bei der Firma TCSI Inc. in Berkeley (USA) verantwortlich für die Entwicklung von Signalprozessoren für Mobiltelefone. Seit 1994 ist er Inhaber des Vodafone Stiftungslehrstuhls an der Technischen Universität Dresden. Außerdem ist er Fokusprojektleiter und Berater des Vorstandes der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE.

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