Jutta Boenig, Personalexpertin und Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für
Karriereberatung
Sie beraten vor allem Ingenieure, oft in leitenden Positionen. Wie definieren Manager Karriere für sich?
Durch ihre Personalverantwortung: Je mehr Mitarbeiter ein Manager hat, umso stärker ist sein Gefühl ausgeprägt, etwas bewegen zu können. Wer vielen etwas zu sagen hat und das am besten noch Mitarbeitern in aller Welt, der fühlt sich fast grenzenlos mächtig. Über diesen Grundsatz definieren sich Manager seit Generationen.
Welchen Maßstab legen Sie an bei der Frage, ob jemand ein erfolgreicher Managertyp ist, wenn Sie Kandidaten für Unternehmen suchen?
Ich halte Souveränität für entscheidend. Souveränes Handeln bedeutet, dass sich ein Manager über den Alltagsstress hinaus keine Problemfelder schafft, etwa Konflikte. Wenn er den nächsten Karriereschritt machen will, ist es unerlässlich, dass er in seinem aktuellen Job in Balance ist.
Und was sind die Maßstäbe für Unternehmen, wenn sie einen Manager einstellen?
Jeder muss nachweisen, Projekte erfolgreich abgeschlossen zu haben. Das steht bei den Unternehmen ganz oben auf der Liste. Zunehmend achten die Firmen darauf, ob die Mannschaft hinter ihrem Spielführer steht. Zahlen allein sind es also nicht mehr. Drittens sollte der Manager angemessen sein. Das heißt: Er muss sich auf allen Ebenen bewegen können. Er darf nicht arrogant, muss aber kommunikativ und authentisch sein. Der alte Karrierist, taff und unnahbar, nach Macht strebend, stirbt langsam aus.
Gibt es in den Lebensläufen dieser erfolgreichen Menschen Ähnlichkeiten: den Studienort, haben sie Promotion, Auslandserfahrung?
Je stringenter Studenten an einer Hochschule auf den Beruf vorbereitet werden, umso stärker werden Karrieren geformt. Die RWTH Aachen ist deshalb eine absolute Kaderschmiede. Viele Top-Manager haben dort ihren Abschluss gemacht. Promotion und Auslandserfahrung sind Karrierebeschleuniger, daran gibt es nichts zu rütteln.
Wie wichtig ist der Einstieg ins Berufsleben für die Karriere? Hilft dabei ein Trainee oder ist der Direkteinstieg gleichwertig?
Ich rate zum Traineeprogramm. Selbst wenn die Leute fachlich perfekt ausgebildet sind, mangelt es häufig an Persönlichkeit. Ein Traineeprogramm unterstützt die Profilbildung.
Konzern oder Mittelstand, Entwickler oder Projektmanagement: Wie wichtig sind beim Einstieg für die Karriere beispielsweise Unternehmensgröße und Funktion?
Grundsätzlich betreiben Konzerne eine ausgeprägte und facettenreiche Personalentwicklung. Im Mittelstand ist das weniger ausgeprägt. Wer eine Konzernkarriere anstrebt, wird auf fruchtbaren Boden treffen, sofern er das Potenzial dafür hat. Im Mittelstand muss man Karriere einfordern, da funktioniert Karriere nicht automatisch. Eine starke Persönlichkeit hilft dabei.
Gibt es den entscheidenden Moment für die Karriere, an dem man Ja oder Nein sagen muss?
Den gibt es. Erst kürzlich saß mir ein Ingenieur gegenüber, der mit einem solchen Moment konfrontiert wurde. Angestellter in einem Konzern, 37 Jahre, ihm wird die Leitung eines Projekts in Südamerika angeboten. Das wäre ein Wahnsinns-Karrieresprung für ihn. Er hadert mit sich, weil er seine Heimat nicht verlassen kann. Familie und Freunde scheinen ihm wichtiger. Wenn er diese Chance auslässt, bekommt er in diesem Unternehmen keine zweite.
Welcher Typ eignet sich für höhere Aufgaben, wer bleibt besser in der Linie?
Jemand, der aus der Metaebene analytisch und übergreifend Systeme verstehen, Mitarbeiter und Projekte ineinanderfließen lassen kann und gut ist in Führungsaufgaben, kann Karriere machen. Schwarz-Weiß-Denkern empfehle ich, auf der Fachebene zu bleiben. Dieser Typ tut sich schwer mit Karriere, das sind eher die Experten. Und auch die werden gebraucht. Es kann schließlich nicht jeder Chef sein. Vor allem aber muss man sich in seiner Rolle wohlfühlen. Nur dann kann man sie gut ausfüllen.
Das Interview führte Peter Ilg für den VDE dialog 04/2015