Das International Symposium on Robotics (ISR) hatte zu dieser Frage namhafte Experten zu einer Podiumsdiskussion auf der diesjährigen automatica geladen. „On the Future of Robotics“ – ein großes Feld, angesichts der vielen Einsatzgebiete, auf denen künftig ein noch stärkerer Einfluss der Robotik erwartet wird. Im gesamten Arbeits- und Gesundheitsbereich etwa, den Bernd Liepert, Chief Information Officer der Augsburger Kuka AG, als einen der maßgeblichen neuen Märkte für seine Branche erwartet. „Wir müssen mit der Robotik Lösungen für die alternde Gesellschaft finden, sowohl am Arbeitsplatz, aber auch in der Versorgung zu Hause“, sagte er. Oder in der Maschinensteuerung, die zum Beispiel durch Stimmen- und Gestensteuerung ganz anders gedacht werden kann, ergänzte Arno Strötgen, Vice President ABB Robotics. Oder sogar ganz weit draußen, im All. „Um auf fremden Planeten zu forschen, wo Menschen sich nur kurze Zeit aufhalten können, brauchen wir „caretaker robots“, erläuterte Ron Diftler, Leiter Robotic Systems Technology im NASA Johnson Space Center.
Wie schnell und wie stark wird Künstliche Intelligenz die künftige Entwicklung prägen?
Die übergeordnete Frage auch in der Robotik ist jedoch, wie schnell und wie stark Künstliche Intelligenz die Entwicklung der kommenden Jahre und Jahrzehnte prägen wird. Dass KI sich zu einem bedeutsamen Faktor entwickeln wird, steht für die Fachwelt außer Frage, „und vermutlich unterschätzen wir sogar die Vielzahl der Einsatzfelder für KI“, sagte Martin May, Leiter Cyber Physical Systems der Schunk GmbH & Co. KG. „Aber Künstliche Intelligenz ist keine Revolution, sondern eine Evolution“, betonte er. Denn die dahinterstehende Logik und die Methoden sind bereits seit vielen Jahren bekannt – was sich geändert hat, sind die Rechnerkapazitäten und -geschwindigkeiten, mit denen sich KI-Prozesse überhaupt erst sinnvoll durchführen lassen. Die Angst, dass Roboter eines Tages die Menschen fremdbestimmen, sei jedenfalls unangebracht, waren sich die Panelteilnehmer einig. „Künstliche Intelligenz ist ein Werkzeug und kein Gehirn. Jetzt gilt es, die richtigen Einsatzzwecke zu finden“, erläuterte May.
An der ethische Debatte über die Grenzen von KI führt kein Weg vorbei
Und es gilt, auch eine ethische Debatte über die Grenzen von Künstlicher Intelligenz zu führen, ergänzte Kuka-Manager Liepert. Denn natürlich sei es ein wesentlicher Unterschied, ob mit Robotern in Fabriken millionenfach Werkstücke bearbeitet oder Menschen in Altenheimen versorgt werden. „Am besten wäre es, man würde jedem Gerät mit Künstlicher Intelligenz auch einen Chip mit Isaac Asimovs „three laws of robotics“ einpflanzen, sagte Liepert mit einem Schmunzeln. Diese Diskussion werde im Übrigen in den USA genauso geführt wie in Europa, bekräftigte NASA-Forscher Diftler. Andererseits dürften ethische Bedenken die Nutzung von Künstlicher Intelligenz im Umgang mit Menschen nicht generell verhindern, hieß es. „Wenn wir die Roboter aus den fest strukturierten Prozessen der Fabrik herausbekommen und zum Beispiel im Service von Altenheimen einsetzen wollen, hilft die Künstliche Intelligenz enorm“, sagte ABB-Manager Strötgen. Denn anders als in der Fabrik muss ein Serviceroboter im Heim ständig damit umgehen können, dass auf seinen Wegen unerwartete Hindernisse – in diesem Falle Menschen – auftauchen und er sie umfahren muss.
Taktische Sensoren als Enabler
Aber auch in ganz praktischen Fragen der Produktion erwarten die Experten in den kommenden Jahren enorme Fortschritte. Taktile Sensoren etwa werden helfen, dass zum Beispiel künstliche Hände und Greifarme weit näher an die Fähigkeiten ihrer menschlichen Vorbilder herankommen. Rettungsroboter, die in Katastrophengebieten zum Einsatz kommen, werden mit immer mehr Fähigkeiten bestückt. Der Krankentransport in Hospitälern kann zunehmend automatisiert und autonomisiert werden. Ganz entscheidend für die Zukunft der Robotik sei jedoch etwas ganz anderes, resümierte Schunk-Forscher May: Die Systeme werden immer anwendungsfreundlicher und leichter zu handhaben. Wenn jeder zuhause seine individuellen Roboteranwendungen programmieren kann, dann erleben wir einen echten „game changer“.
Holger Paul ist Leiter Kommunikation und Pressesprecher beim VDMA.