Die Medizin durchläuft eine digitale Transformation. Video-Sprechstunden, Gesundheits-Apps oder digitale Kommunikationsplattformen sind nur einige Beispiele, die zeigen, welche Änderungen in der medizinischen Versorgung derzeit stattfinden. Im Mittelpunkt stehen Verfügbarkeit und Nutzung von Gesundheitsdaten. In vielen Fällen sind Medizinprodukte Grundlage für die technische Umsetzung. Der "digitalen Medizintechnik" gehört die Zukunft.
Werden Gesundheitsdaten besser genutzt, können Krankheiten schneller erkannt und deren Behandlung verbessert werden. Dies gilt sowohl für Datenerhebung und Datennutzung im Zuge einer medizinischen Behandlung als auch für den Transfer von Gesundheitsdaten zwischen den einzelnen Leistungserbringern. Digitalisierung macht die medizinische Versorgung insgesamt besser steuerbar, effizienter und patientenindividueller. Außerdem hat sie das Potenzial, dem Fachkräftemangel und den sich abzeichnenden Versorgungsunterschieden zwischen Stadt und Land entgegenzuwirken.
Deutschland ist in Sachen Digitalisierung des Gesundheitswesens im Vergleich zu anderen Industrienationen auf den hinteren Plätzen. Viele Möglichkeiten, die andernorts mittlerweile Standard sind, etwa die elektronische Patientenakte oder das elektronische Rezept, sind in Deutschland noch nicht umgesetzt. Viele vorhandene Angebote basieren auf Insellösungen oder Pilotprojekten und sind nicht Teil der durch die gesetzliche Krankenversicherung finanzierten Regelversorgung. Zudem tragen auch mit der Digitalisierung einhergehende Risiken dazu bei, dass viele Akteure zögerlich sind. Ein wesentliches Risiko ist der Datenmissbrauch, ausgelöst etwa durch Hackerangriffe auf Krankenhäuser oder den unsachgemäßen Umgang mit Patientendaten im niedergelassenen Bereich.
In den vergangenen Monaten hat die Digitalisierung des Gesundheitswesens einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht. Zum einen hat die Corona-Pandemie dazu geführt, dass eine Reihe von Anwendungen stark nachgefragt wurden. Zum anderen hat der Gesetzgeber förderliche Rahmenbedingungen geschaffen, insbesondere mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) und dem Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG). Neben der Reglung einer Vielzahl von Detailfragen, welche die Einführung der elektronischen Patientenakte in Deutschland betreffen, wurden mit den neu etablierten Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) erstmalig medizinische Apps unter bestimmten Voraussetzungen verschreibungsfähig. Auch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) sollte einen positiven Einfluss auf die Digitalisierung der medizinischen Versorgung haben, denn eine verbesserte digitale Infrastruktur ist ausdrückliches Förderziel. Als Beispiele werden Patientenportale, elektronische Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen, digitales Medikationsmanagement, Maßnahmen zur IT-Sicherheit sowie sektorenübergreifende telemedizinische Netzwerkstrukturen angeführt.
Die Rahmenbedingungen in Deutschland verbessern sich also. Aktuelle Umfragen zeigen auch, dass die Bürger gegenüber digitalen Angeboten in der medizinischen Versorgung aufgeschlossen sind. Die Medizintechnik sollte diese Entwicklung demzufolge verstärkt aufgreifen und aktiv mitgestalten. Eine Schlüsselfrage dabei ist, wie Medizintechnik mit datenbasierten Geschäftsmodellen erfolgreich verbunden werden kann. Doch es zeichnen sich potenzielle Hindernisse auf dem Weg vom Geräte- zum digitalen Lösungsanbieter ab. So werden der Fachkräftemangel und die gestiegenen Zulassungsanforderungen der europäische Medizinprodukteverordnung (MDR) den Digitalisierungsprozess insgesamt erschweren. Darüber hinaus braucht es geeignete Daten, um digitale Lösungen zu entwickeln. Diese müssen qualitativ und quantitativ ausreichend sowie datenschutzkonform zur Verfügung stehen.
Nichtsdestotrotz wird mittel- bis langfristig kein Weg an der weiteren Digitalisierung der medizinischen Versorgung vorbeigehen. Dafür überwiegen die Vorteile zu sehr. Die Medizintechnik wird sich mit geeigneten Digitalisierungsstrategien auf diese Entwicklung einstellen, innovative Medizinprodukte entwickeln und in die medizinische Regelversorgung bringen.