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29.05.2019 Fachinformation

E-Health: Im digitalen Wartezimmer der Welt

Die großen IT-Konzerne wie Apple, Microsoft und Siemens scharren mit den Füßen. Viele E-Health-Produkte sind marktreif, aber einige Länder sind noch nicht reif für die Digitalisierung. In Deutschland zum Beispiel entsteht gerade eine eigene Branche von kleinen, innovativen IT-Unternehmen, die sich aber im eigenen Land schwer tut mit der Datensicherheit: Die Einführung der elektronischen Patientenakte steckt noch in den Kinderschuhen, obschon eine eigene Behörde, die Gesellschaft zum Aufbau der Telematik Infrastruktur (Gematik), zu ihrer Einführung gegründet wurde - vor 14 Jahren. Das ist eine lange Zeit in der Digitalisierung.

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Johannes Koch
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Die Sonne der Möglichkeiten geht dagegen im Osten der Welt auf. Am 2. April 2018 startete Chinas erstes Künstliche Intelligenz (KI) Krankenhaus. Hier können sich Patienten online behandeln lassen, ohne das Krankenhaus zu betreten. Sie bedienen sich dazu des WeChats, das chinesische Pendant zu WhatsApp, mit dem sich auch bezahlen lässt. Der Patient wählt also die öffentliche Nummer des Krankenhauses, aktiviert den „Intelligent Doctor“, listet die Symptome auf, um in drei Minuten oder weniger eine Diagnose zu erhalten. Damit will China vor allem die schlechte medizinische Versorgung verbessern. Die Regierung setze auf das Sammeln und Verfügbarmachen seiner vielen Daten, beobachtet die GTAI-China-Korrespondentin Corinne Abele. „Daten sind das neue Öl, und China ist das neue Saudi-Arabien,“ überspitzt Venture-Capitalist und KI-Koryphäe Kai-fu Lee. Mit über 800 Millionen hat China die meisten Smartphone-Nutzer weltweit und zehnmal so viele Daten wie die USA und Europa zusammen.

Biomedizinische Datenbank in Russland

Auch das größte Land der Welt, Russland experimentiert mit einer digitalen Klinik: Die Staatsholding Rostech und das Zentrum für medizinische Notfälle „Saschita“ arbeiten gemeinsam am Ausbau der Infrastruktur für Online-Konsultationen und Webinare. Die russische Firma Sun Com realisiert das Telemedizin-Projekt „digitale Klinik“ und ermöglicht damit die Kommunikation zwischen Ärzten in Echtzeit via Messenger Dienst. Nach Angaben des Mobilfunkanbieters MTS soll der russische Markt für Telemedizin bis 2023 um 30 Prozent wachsen und etwa 900 Millionen Euro umfassen. Interessant ist auch, dass es seit September 2018 einen einheitlichen Internetdienstleister für biomedizinische Daten gibt. Die Fertigstellung der Datenbank wird bis zu 5 Jahren dauern. Und es entstehen neue deutsch-russische Kooperationen: Die Schwabe Holding und die Firma Jusar+ werden ein digitales System zur Krebsdiagnostik in regionalen Onkologiezentren einführen. Die Firma Motorika entwickelte zusammen mit dem Mobilfunkanbieter Wimpelkom ein Projekt zur ferngesteuerten Kontrolle von Armprothesen.

Wer wird von der Digitalisierung profitieren?

Damit beschäftigt sich eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey. Profitieren würden ganz klar die Gesundheitheitserbringer wie Ärzte und Krankenhäuser. Es sei ein Mythos, dass für die Ärzte durch digitale Technologien nur zusätzliche Arbeit anfalle, die es extra zu vergüten gelte. Und es sei auch nicht richtig, so die Autoren, dass die größten Einsparungen nur dadurch möglich seien, dass sich Patienten selber behandeln. Konkret in Zahlen: In Deutschland lassen sich laut der McKinsey durch digitale Diagnosetools oder Apps zur Behandlung chronischer Krankheiten vier Milliarden Euro im Jahr einsparen. Die Niederländer sehen in E-Health vor allem eine Chance, ihre Patienten besser zu versorgen. Die Regierung investiert in den kommenden Jahren 90 Millionen Euro in E-Health-Lösungen für die Homecare-Versorgung. Mit technischen Geräten wie Bewegungsmeldern und elektronischen Matratzen mit Sensoren können Senioren besser überwacht werden. Um Fördermittel zu erhalten, müssen Dienstleistungsanbieter und zahlende Organisationen (wie Gemeinden, Versicherungen, öffentliche Verwaltung) zusammenarbeiten. Gelder können seit dem 1. März 2019 beantragt werden. Mehr Informationen auf der Website des Rijksdienst voor Ondernemend Nederland. Holland zählt sich weltweit zu den Ländern mit der höchsten Affinität zu neuen Technologien, die E-Health-Strukturen sind im europäischen Vergleich sehr gut ausgebaut.

Die Digitalisierung gehört zu den Kernkompetenzen Estlands

Ein weiterer Vorreiter in Sachen E-Health ist Estland. E-Rezept, digitale Patientenakte und vernetzte Krankenwagen: Estland gilt als Musterschüler in der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Das kleine 1,3 Millionen- Einwohner kleine, baltische Land hat früher als andere Länder eine digitale öffentliche Verwaltung aufgebaut. Es existieren viele spezialisierte estnische Health-IT Unternehmen. „Estland ist als Testmarkt für ausländische IT-Unternehmen interessant, weil die E-Health-Entwicklung in Estland bereits so weit fortgeschritten ist,“ rät Marc Lehnfeld, Estland-Experte von Germany Trade & Invest. Deutsche Unternehmen können sich zum Beispiel an das Connected Health Cluster wenden, in dem sich mehr als 30 E-Health-Firmen zusammengeschlossen haben. Das Cluster vernetzt die relevanten Akteure in Estland - nicht nur Unternehmen, sondern auch Anwender, wie Ärzte und Krankenhäuser, Forschungseinrichtungen und öffentliche Einrichtungen.

Lassen Sie sich von einem Roboter operieren?

Viele Anwendungen wie die elektronische Akte laufen für den Patienten im Hintergrund und bleiben abstrakt. Emotionen entstehen, wenn es um das Thema „Roboter in der Pflege“ oder gar „Roboter als Operateur“ geht. In Kanada wurden bei einer Prostataoperation erstmals zwei Roboter eingesetzt – einer steuerte die Narkose, der andere die Operation selbst. Die Europäische Kommission untersuchte in Europa die Zustimmung für die operierenden Maschinen. Die Antwort war überraschend: Die Polen und Schweden fühlen sich zu 40 Prozent damit wohl. In Frankreich und Italien war die Zustimmung bei über 20 Prozent. Überall ist die Einstellung den letzten Jahren positiver geworden, außer in Deutschland - hier herrscht Skepsis. Im roboteraffinen Japan dagegen werden Roboter sogar zur Pflege älterer Menschen eingesetzt. Deutsche Unternehmen punkten in Japan. Beispielsweise ist das Unternehmen Brainlab, das intelligente Soft- und Hardware für Operationen und Radiotherapie anbietet, in fast allen großen Krankenhäusern vertreten. In Japan macht Brainlab laut Aussagen des Gründers, Stefan Vilsmeier, mehr Umsätze als in Deutschland.

Fazit:

Weltweit entstehen interessante E-Health Anwendungen. Besonders gut in Ländern, in denen schon eine digitale InfraStruktur aufgebaut ist, sind auch die Anwendungen in der Medizin selbstverständlicher. Für die deutschen E-Health Unternehmen läuft es gut. Sie profitieren auch vom guten Image der deutschen Medizintechnikhersteller.

Weitere Länder- und Branchenberichte finden Sie auf der Website der Außenwirtschaftsagentur des Bundes Germany Tradeund Invest (GTAI).

Ein Beitrag von Melanie Volberg von Germany Trade und Invest (GTAI)

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