Technologie-, und Innovationskonzept
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06.10.2020 Fachinformation

Künstliche Intelligenz in der Medizin

Medizinprodukte, die auf Künstliche Intelligenz (KI)-Technologien basieren, können große Datenmengen in kurzer Zeit verarbeiten. Ein entscheidender Vorteil vieler KI-Medizinprodukte besteht dabei darin, dass sie durch Verwendung lernender Software-Algorithmen auch aus neuen Daten sinnvolle Ergebnisse erzeugen können, d. h. sie müssen nicht jedes Mal neu programmiert werden. Dadurch leisten KI-Technologien wertvolle Dienste in der medizinischen Diagnose und Therapie. Als schwierig erweist sich hingegen die Zulassung von KI-Medizinprodukten, denn lernende, also veränderliche Systeme, sind regulatorisch anspruchsvoll.

KI-Medizinprodukte haben sich bislang vor allem im Bereich der medizinischen Bildgebung bewährt. Bildgebende Verfahren zählen zu den wichtigsten Untersuchungsmethoden für medizinische Diagnosen aller Art. Die zügige Auswertung von Magnetresonanz- oder Röntgenbilddaten, etwa zur Diagnose von Krebs, Infektionen oder Herz-Kreislauferkrankungen, gehört zu den Domänen künstlicher Intelligenz.

Auch die KI-basierte Beurteilung von histologischen Schnitten oder KI-gestützte Spracherkennung haben sich zu Schwerpunkten entwickelt. Im Bereich des Patientenmonitorings, das auf der regelmäßigen Erhebung und Beobachtung medizinischer Daten beruht, kommen KI-Technologien zum Einsatz, die Auffälligkeiten von Messwerten erkennen, z. B. zur frühen Erkennung einer Blutvergiftung. Ein weiteres Einsatzfeld ist die personalisierte Medizin. Hier werden z. B. Genexpressionsdaten KI-basiert ausgewertet, um zu maßgeschneiderten Therapieempfehlungen zu kommen. KI hält zudem Einzug im Bereich der Robotik. Medizinroboter oder Pflegeroboter können von KI profitieren und autonomer werden.

Auf dem Weg zu einem breiten Einsatz von KI-Medizinprodukten gibt es noch eine Reihe potenzieller Hürden zu überwinden. An erster Stelle steht eine sichere und leistungsfähige IT-Infrastruktur für die Speicherung und Übermittlung von Gesundheitsdaten und die Digitalisierung von Versorgungsprozessen. Hier herrscht in Deutschland ein erheblicher Nachholbedarf. Hier ist zu hoffen, dass die aktuell auf den Weg gebrachten Gesetze, allen voran das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG), das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) und das Patienten-Daten-Schutzgesetz (PDSG) ihre intendierten Wirkungen entfalten.

Eine weitere potenzielle Hürde betrifft den Rohstoff der KI selbst, nämlich die Gesundheitsdaten. Diese sind zum Training der KI erforderlich und müssen in qualitativer und quantitativer Hinsicht geeignet sein. Um diese Daten zugänglich zu machen, bedarf es des Aufbaus geeigneter Versorgungsregister für Forschungs- und Entwicklungszwecke. Deutschland befindet sich in einem internationalen Wettbewerb um den Zugang zu Gesundheitsdaten. Insbesondere die großen Internetkonzerne sind dabei, ihre Kundendaten zu nutzen und im Bereich der Gesundheitsversorgung Fuß zu fassen.

In jedem Fall muss die Wahrung der digitalen Souveränität der Patientinnen und Patienten eine Grundvoraussetzung bei allen Diskussionen rund um die Verfügbarmachung von Gesundheitsdaten sein. Wichtig ist ein ausbalancierter Kompromiss zwischen potenziellem Gesundheitsnutzen durch Nutzung von Gesundheitsdaten einerseits und Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung andererseits. Die Entwickler oder Betreiber von KI-basierten Medizinprodukten benötigen im Ergebnis realistisch umsetzbare Regelungen in Bezug auf den Datenschutz.

Wie bereits oben erwähnt, stellt auch die Zulassung von KI-Medizinprodukten eine potenzielle Hürde dar. Die europäische Medizinprodukteverordnung (MDR) mit Geltungsbeginn am 26. Mai 2021 erhöht die Anforderungen, um eine medizinische Software in Verkehr zu bringen, erheblich. Dazu kommt, dass KI-Medizinprodukte, die auf lernender Software basieren, immer noch regulatorisches Neuland darstellen. Gegenwärtig müssen KI-Algorithmen aus regulatorischen Gründen "eingefroren" werden, um die Anwendung zulassen zu können. Damit geht ein wesentlicher Vorteil der KI verloren. Es existieren zudem derzeit keine ausgewiesenen Normen für KI-Medizinprodukte, welche die technische Umsetzung der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen der MDR erleichtern würden.

Trotz der o. g. Herausforderungen zeichnet sich bereits jetzt ab, dass Künstliche Intelligenz zu einer Schlüsseltechnologie geworden ist. Sie wird dazu beitragen, die aktuellen Herausforderungen des Gesundheitswesens zu meistern. KI sorgt vor allem dafür, dass Krankheiten präziser und früher erkannt werden. Davon sollten Qualität und Bezahlbarkeit der medizinischen Versorgung profitieren.

Kontakt
Dr. Cord Schlötelburg