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23.05.2019 Fachinformation

MDR: Übergangsfristen nicht ohne Tücken

Die Umsetzung der europäischen Medizinprodukteverordnung¹ (MDR), die am 5. Mai 2017 veröffentlicht wurde, am 25. Mai 2017 in Kraft getreten ist und eine dreijährige Übergangszeit gewährt, wird eine große Herausforderung für die Hersteller von Medizinprodukten. Derzeit bleibt den Herstellern nur noch etwa ein Jahr bis zum Anwendungsbeginn im Mai 2020. Innerhalb der o.g. Übergangszeit müssen die Hersteller viele veränderte und neue Anforderungen für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten in der Europäischen Union umsetzen. Die Übergangsbestimmungen sind in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung.

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Johannes Koch
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Erwägungen des Europäischen Gesetzgebers zu Übergangsbestimmungen

Bis zum 26. Mai 2020 gilt für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten das aktuelle Recht basierend auf den Richtlinien 90/385/EWG2 und 93/42/EWG3 (MDD). Anders bei In vitro Diagnostika (IVDs), für die eine Übergangszeit bis 2022 gilt. IVDs sollen hier aber nicht weiter behandelt werden. Die Mitgliedsstaaten haben diese Richtlinien in nationales Gesetz umgesetzt, in Deutschland erfolgte die Umsetzung in Form des im Jahre 1995 in Kraft getretenen Medizinproduktegesetzes4 (MPG) und in zahlreichen Verordnungen zum MPG.

Ab dem 26. Mai 2020, gemäß Artikel 123 Absatz 2 MDR, ist dann prinzipiell die neue Verordnung anzuwenden. In Artikel 123 Absatz 3 MDR sind aber Abweichungen vorgesehen, d.h. einige Anforderungen der MDR gelten schon früher und andere später. Zum Beispiel gelten die Vorschriften bezüglich der Benannten Stellen (Artikel 35 bis 50 MDR), der Benennung der zuständigen Behörden (Artikel 101 MDR), sowie der Koordinierungsgruppe Medizinprodukte (Artikel 103 MDR) schon seit dem 26. November 2017. Zu den Vorschriften, die erst später gelten, zählt unter anderem die UDI-Kennzeichnungspflicht für die Medizinprodukte (Artikel 123 Absatz 3 f) und g) MDR in Verbindung mit Artikel 27 Absatz 4 MDR). Falls die zurzeit sich in Entwicklung befindliche europäische Datenband Eudamed am Geltungsbeginn im Mai 2020 der MDR nicht voll funktionsfähig ist, werden bestimmte Anforderungen erst sechs Monate nach dem Tag der Veröffentlichung der Bekanntmachung der Funktionalität von Eudamed gelten.

Mit dem Geltungsbeginn der MDR am 26. Mai 2020 werden die Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG aufgehoben. Zu diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen, die in Artikel 122 MDR ausführlich beschrieben sind. In dem Fall, dass Eudamed am 26. Mai 2020 nicht voll funktionsfähig ist, dann sollen bestimmte Anforderungen der o.g. Richtlinien bezüglich der Vigilanz und der Klinischen Prüfungen, sowie der Registrierung von Produkten, Wirtschaftsakteuren und Bescheinigungen gelten.

Möglichkeiten für Produkte mit MDD-Zertifikat

Gemäß Artikel 120 Absatz 5 MDR können Hersteller jedoch bereits vor dem 26. Mai 2020 ein Produkt, das die Anforderungen der MDR erfüllt, in Verkehr bringen. Umgekehrt können Produkte mit einem gültigen MDD-Zertifikat auch nach dem 26. Mai 2020 noch in Verkehr gebracht werden, sie müssen aber schon einige Anforderungen aus der MDR erfüllen. Dies gilt aber nicht für Medizinprodukte der Risikoklasse I, da diese nicht über ein MDD-zertifikat verfügen. Diese Publikation gibt einen kurzen Überblick über die „MDR-Anforderungen“, die der Hersteller eines Medizinproduktes mit gültigem MDD-Zertifikat ab dem Zeitpunkt der Anwendung der MDR (26. Mai 2020) erfüllen muss. Gemäß Artikel 120 Absatz 2 MDR bleiben „Bescheinigungen, die von Benannten Stellen vor dem 25. Mai 2017 gemäß MDD ausgestellt wurden, bis zu dem in der Bescheinigung angegebenen Zeitpunkt gültig, außer im Fall von Bescheinigungen gemäß Anhang 4 der Richtlinie 90/385/EWG bzw. gemäß Anhang IV der Richtlinie 93/42/EWG5, die spätestens am 27. Mai 2022 ihre Gültigkeit verlieren. Bescheinigungen, die von Benannten Stellen nach dem 25. Mai 2017 gemäß MDD ausgestellt werden, behalten ihre Gültigkeit bis zum Ende des darin angegebenen Zeitraums, der fünf Jahre ab der Ausstellung nicht überschreiten darf. Sie verlieren jedoch spätestens am 27. Mai 2024 ihre Gültigkeit“. Der Gesetzgeber erkennt also an, dass MDD-Zertifikate bis zum Ende der auf dem Zertifikat angegebenen Frist gültig bleiben können, d.h. diese Produkte auch nach dem 26. Mai 2020 noch in Verkehr gebracht werden können. Dies gilt aber maximal bis zum 27. Mai 2022 bzw. bis zum 27. Mai 2024. Einschränkend ist hier aber auch noch in Artikel 120 Absatz 2 MDR festgelegt, dass dies nur gilt, sofern keine wesentlichen Änderungen der Auslegung und/oder der Zweckbestimmung der Produkte vorliegen.

Diese Möglichkeit Produkte noch mit einem MDD-Zertifikat in Verkehr zu bringen, gilt aber nicht uneingeschränkt, denn einige Anforderungen der MDR müssen auch für diese Produkte ab dem Anwendungszeitpunkt im Mai 2020 erfüllt werden. Hierzu findet sich in 120 Absatz 3 MDR dargelegt, dass die MDR-Anforderungen an die Überwachung nach dem Inverkehrbringen, die Marktüberwachung, die Vigilanz, die Registrierung von Wirtschaftsakteuren und von Produkten jedoch anstelle der entsprechenden Anforderungen der MDD gelten. In der MDR wird die Überwachung nach dem Inverkehrbringen in den Artikeln 83 bis 86 geregelt. Gemäß Artikel 83 MDR richtet der Hersteller das System zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen ein, dokumentiert es, wendet es an und bringt es regelmäßig auf den neuesten Stand. Dieses System muss sich gemäß Artikel 84 MDR auf einen Plan stützen. Der Hersteller ist auch verpflichtet, für Medizinprodukten der Klasse I einen Bericht über die Überwachung nach dem Inverkehrbringen zu erstellen und für Medizinprodukte der Klassen IIa, IIb oder III einen regelmäßig aktualisierten Bericht über die Sicherheit (PSUR). Der BAH (Bundesverband der Arzneimittelhersteller e.V.) beteiligt sich aktiv an der Ausarbeitung einer PSUR-Leitlinie/Template auf europäischer Ebene.

Was die Vigilanz betrifft, so sind die Anforderungen in den Artikeln 87 bis 92 MDR festgelegt. Dazu werden derzeit neue Templates und Guidance-Dokumente in der Vigilance Working Group der Europäischen Kommission erarbeitet. Diese Working Group arbeitet insbesondere an Templates für die Meldung von Vorkommnissen nach der noch bestehenden MDD, von schwerwiegenden Vorkommnissen nach Artikel 89 MDR, für Meldungen von Trends (Artikel 88 MDR) und von Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld (Artikel 89 Absatz 8 MDR). Insgesamt zeigt sich, dass im Vergleich zur MDD die Anforderungen an die Überwachung nach dem Inverkehrbringen und an die Vigilanz in der MDR detaillierter und damit umfangreicher sind.

Bezüglich der Registrierung von Wirtschaftsakteuren werden die Anforderungen hauptsächlich in den Artikeln 30 und 31 MDR beschrieben. Gemäß Artikel 30 Absatz 1 MDR wird die Europäische Kommission ein elektronisches System errichten, mit dem die einmalige Registrierungsnummer (SRN) für den Hersteller generiert wird und welches ermöglicht, die zur Identifizierung des Herstellers erforderlichen Angaben zu erfassen. Diese SRN ist der Schlüssel, der es erlaubt, in die europäische Datenbank über Medizinprodukte namens Eudamed aufgenommen zu werden. Die Hersteller sind verpflichtet, die Angaben zum Wirtschaftsakteur gemäß Anhang VI Teil A Abschnitt 1 in das in Artikel 30 MDR genannte elektronische System zu übermitteln. Die zuständige Behörde überprüft die eingegebenen Daten und erhält dann automatisch eine SRN durch das elektronische System und vergibt diese dann an den Hersteller (Artikel 31Absatz 2 MDR).

Darüber hinaus sieht Artikel 120 Absatz 3 MDR vor, dass der Hersteller eines Medizinprodukts mit MDD-Zertifikat die MDR-Anforderungen an die Registrierung von Produkten erfüllen muss, was in Artikel 29 MDR beschrieben wird. Jedes Produkt bekommt eine Identifizierungsnummer, die sogenannte UDI (Unique Device Identifier). Man unterscheidet zwischen der Basis-UDI-DI, die die primäre Kennung eines Produktmodells darstellt und der UDI-DI, sie ist ein einmaliger numerischer oder alphanumerischer Code, der einem Produktmodell eigen ist und der auch als „Zugangsschlüssel“ zu Informationen in einer UDI-Datenbank dient.

Es scheint Inkonsistenzen zwischen Artikel 120 Absatz 3 und Artikel 29 MDR zu geben. Während Artikel 120 Absatz 3 MDR nur von der Registrierung spricht und keine UDI-Zuordnungspflichten erwähnt, weist Artikel 29 MDR darauf hin, dass die Registrierung von Produkten mit der Zuweisung einer Basic UDI-DI und einer UDI-DI verbunden ist. Der Gesetzgeber hat in Artikel 120 Absatz 3 MDR die Hersteller von Medizinprodukten mit MDD-Zertifikat nicht der UDI-Zuordnungspflicht unterworfen, sondern nur der Pflicht zur Registrierung der Produkte in Eudamed. Das Problem besteht darin, dass Produkte nur dann in Eudamed registriert werden können, wenn eine Basis-UDI-DI und eine UDI-DI zugeordnet sind. Es ist zu fordern, dass die Europäische Kommission zunächst sicherstellen sollte, dass Medizinprodukte mit MDR-Zertifikaten in Eudamed korrekt registriert sind. Es ist bereits eine große Herausforderung für die Hersteller, ihren Produkten eine Basis UDI-DI und eine UDI-DI zuzuordnen und alle erforderlichen Informationen über das Produkt in Eudamed einzugeben. Es wäre eine enorme Zeitverschwendung für Hersteller diese zu verpflichten, auch ihre Medizinprodukte mit MDD-Zertifikaten in Eudamed zu registrieren, und der Nutzen für die Patienten wäre begrenzt. Es ist dringend erforderlich, diese Inkonsistenz in der UDI-Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission zu diskutieren. Die Tendenz bei der Kommission und den Überwachungsbehörden ist, auch Medizinprodukte mit MDD-Zertifikaten in Eudamed einzubinden. Dann wären solche Hersteller verpflichtet, ihre Produkte ab dem 26. Mai 2020 in Eudamed zu registrieren, aber nicht mit einer Basic-UDI-DI und einer UDI-DI, sondern mit einer Eudamed-DI und einer Eudamed-ID.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auch auf die Hersteller von Medizinprodukten mit MDD-Zertifikaten, die über Mai 2020 hinaus gültig sind, viele gesteigerte Anforderungen durch die MDR an die Überwachung nach dem Inverkehrbringen, die Vigilanz, die Registrierung von Wirtschaftsakteuren und eventuell an die Registrierung von Produkten zukommen.

Ein Beitrag von Dr. Heike Wollersen, im Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH) zuständig für Medizinprodukte und Marie Anton, im BAH zuständig für Medizinprodukterecht.

1 Verordnung (EU) 2017/745, ABl der Europäischen Union L 117 vom 5. Mai 2017
2 Richtlinie 90/385/EWG vom 20. Juni 1990 über aktive implantierbare medizinische Geräte, ABl. L 189 vom 20. Juli 1990
3 Richtlinie 93/42/EEC vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte, ABl der Europäischen Union L 169 vom 12 Juli 1993
4 Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG) vom 2. August 1994 (BGBl. I S. 1963) in der Neufassung vom 7. August 2002 (BGBl. I S. 3147) zuletzt geändert durch Artikel 16 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenhausversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz – GKV-FOWG) vom 21. Juli 2014 (BGBl. I S 1133, 1145)
5 Die beiden genannten Anhänge mit der Bezeichnung „EG-Prüfung“ beschreiben das Verfahren, welches die Übereinstimmung der die für den Markt vorgesehenen Produkte mit dem in der EG-Baumusterprüfbescheinigung beschriebenen Baumuster (s. dazu Anhang 3 bzw. III der jeweiligen Richtlinie) gewährleistet.

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