Datensynchronisation zwischen Smart Watch und Smart Phone
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16.05.2019 Fachinformation

Schutzrechte bei medizinischen Apps

In Zeiten von Digitalisierung stellt sich regelmäßig die Frage, ob Apps (Applications) als Anwendungsprogramme für Smartphones oder Tablets auch durch Schutzrechte wie Patente, Gebrauchsmuster, Designs oder Marken geschützt werden können. Dass Apps als sprachliche Werke dem Urheberrecht zufallen können, deren Schutz automatisch mit der Programmierung entsteht, ist in der Regel bekannt. Das Urheberrecht schützt jedoch nur das Werk in seiner konkreten Form vor Nachahmung, also z.B. den Quellcode vor der Raubkopie. Es bietet jedoch keinen Schutz davor, dass die dahinterstehende Lehre in beispielsweise einer anderen Programmiersprache umgesetzt wird. Dieser Aufsatz gibt einen Überblick über weitere Schutzmöglichkeiten.

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Johannes Koch
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Schutzrechtsarten

Grundsätzlich wird zwischen technischen Schutzrechten und nicht-technischen Schutzrechten unterschieden. Technische Schutzrechte sind Patente und Gebrauchsmuster. Nicht-technische Schutzrechte sind Marken, Designs und das Urheberrecht. Jedes Schutzrecht beinhaltet ein Verbietungsrecht. Dieses gibt dem Schutzrechtsinhaber das Recht, einem Dritten den Nachbau und den gewerblichen Gebrauch über einen bestimmten Zeitraum in dem Land, in dem das Schutzrecht besteht, zu untersagen.

Patente und Gebrauchsmuster

Patente werden für technische Erfindungen erteilt, die neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar sind. Unter einer Erfindung wird eine technische Lehre unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zum Lösen eines konkreten technischen Problems verstanden. Patente können für Erzeugnisse und für Verfahren erteilt werden. Beispiele für Erzeugnisse aus dem Bereich der Medizin sind medizinische Geräte, Implantate, chirurgische Instrumente und Arzneimittel. Beispiele für Verfahren aus dem Bereich der Medizin sind Steuer- und Regelungsverfahren der Geräte und Implantate, sowie die Herstellung der Arzneimittel. Die Laufzeit beträgt maximal 20 Jahre ab dem Anmeldetag der Erfindung zum Patent.

Eine Besonderheit betrifft den Patentschutz in der Medizin. Chirurgische oder therapeutische Verfahren sowie Diagnostizierverfahren am lebenden menschlichen und tierischen Körper sind vom Patentschutz ausgenommen. Durch das Patentierungsverbot soll verhindert werden, dass die medizinische Behandlung von Mensch und Tier durch patentrechtliche Einschränkungen behindert wird. Das Besondere bei Diagnostizierverfahren ist, dass diese dann nicht unter das Patentierungsverbot fallen, wenn sie als Messverfahren gelten. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn zwar Daten erfasst und ausgewertet werden, aber keine Zuordnung einer festgestellten Abweichung zu einem Krankheitsbild erfolgt. Die bloße Erfassung von Messwerten wie z. B. bei bildgebenden Verfahren, bei Schrittzählmessungen oder bei Puls- und Blutdruckmessungen, kann als Messverfahren patentrechtlich schützbar sein.

Eine weitere Besonderheit betrifft den Patentschutz von Software und somit von Apps. Die reine Software ist dem deutschen und europäischen Patentschutz nicht zugänglich. Software ohne technischen Bezug hat eine rein sprachliche Funktion und ist, wie einleitend erwähnt, dem Urheberrecht zugänglich. Nach deutschem und europäischem Patentrecht muss die Erfindung technisch sein. Als linguistisches Werk wird Software per se aber Technizität abgesprochen. Dennoch wurden allein im Jahr 2017 beim Europäischen Patentamt (EPA) ca. 11.700 Patentanmeldungen im Bereich „Digitale Kommunikation“, ca. 11.200 im Bereich „Computertechnik“ und ca. 2.300 Patentanmeldungen im Bereich „IT methods for management“, eingereicht, Tendenz seit Jahren steigend. Auf Platz eins landete die „Medizintechnik“ mit ca. 13.100 Patentanmeldungen. Zusammen stehen diese vier Gebiete für 23% der insgesamt beim EPA im Jahr 2017 hinterlegten Patentanmeldungen (165.000 Patentanmeldungen).

Wie kann das sein? Entscheidend für die Patentierbarkeit von softwarebezogenen Erfindungen – die Patentbehörden sprechen übrigens von computerimplementierten Erfindungen - ist, dass die erfindungsgemäße Lehre Anweisungen enthält, die ein konkretes technisches Problem mit technischen Mitteln lösen. Als technisches Mittel genügt dabei der Computer (bzw. das Tablet oder das Smartphone), auf dem die Software installiert ist, in der Regel nicht. Vielmehr sind technische Mittel notwendig, mittels denen entweder ein „innerer“ technischer Effekt erzielt wird, der den Betrieb des Computers selbst betrifft. Beispiele sind: schnellerer Zugriff auf den Computerspeicher und weniger Energieverbrauch des Computers. Oder mittels der technischen Mittel wird ein „äußerer“ technischer Effekt erzielt, der außerhalb des Betriebs des Computers liegt. Beispiele sind: kontrastreicheres Bild und schnellere Bestimmung des Blutzuckerwertes.

Die gleichen Maßstäbe gelten für Geschäftsmodelle, mathematische Methoden, oder Wiedergabe von Informationen, die wie Software per se unter das Patentierungsverbot fallen. Wenn deren Lehren allerdings Anweisungen enthalten, die ein konkretes technisches Problem mit technischen Mitteln lösen, sind auch diese dem Patentschutz grundsätzlich zugänglich.

Ein konkreter Fall aus der Medizintechnik: Der BGH verneinte in seiner Entscheidung „Rentabilitätsermittlung“ die erforderliche Technizität: Ein Verfahren erfasste Betriebsdaten eines medizintechnischen Geräts, übermittelte diese an eine zentrale Datenbank, ermittelte zudem Vergütungsdaten und kalkulatorische Kosten und errechnete daraus die Rentabilität für die Anschaffung eines zweiten Gerätes. Damit fehle es an einem konkret technischen Problem, so der BGH, das Verfahren adressiere vielmehr ein allein betriebswirtschaftliches Problem. Die Lehre erschöpfe sich in einer Vorschrift zur Aufbereitung betriebswirtschaftlicher Daten. Das erste medizintechnische Gerät werde weder weitergebildet noch in irgendeiner Weise gesteuert oder geregelt. Denn die beanspruchte Lehre der Erfindung befasst sich nicht mit der Frage, wie diese Daten ermittelt werden können, sondern lehrt lediglich, dass diese Daten - ihrer betriebswirtschaftlichen Relevanz wegen - ermittelt werden sollen. Der BGH stellt ausdrücklich fest, dass das Verfahren neben einer solchen betriebswirtschaftlichen Funktion theoretisch auch der Lösung eines konkreten technischen Problems dienen und somit schutzfähig sein kann. Allein: hier war ein solches technisches Problem nicht vorgetragen worden, sondern ein allein betriebswirtschaftliches.

Was heißt das für eine App? Auch wenn eine App auf den ersten Blick keinen technischen Charakter aufweist, so können dennoch die Anweisungen der App schützbar sein, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen. Diese Anweisungen sind aufgrund von Technizität dem Patentschutz zugänglich. Dabei ist es vorteilhaft, neben Verfahrensansprüchen auch Erzeugnisansprüche zu formulieren. Die Verfahrensansprüche enthalten die Anweisungen und die Erzeugnisansprüche sind zum Beispiel auf ein Gerät wie ein Tablet gerichtet, auf dem die App installiert ist.

Eine Alternative zum Patent ist das Gebrauchsmuster. Dieses umfasst zwar die gleichen Verbietungsrechte wie ein Patent, allerdings beträgt die Schutzdauer maximal 10 Jahre. Und: Es können keine Verfahren, sondern nur Erzeugnisse geschützt werden.

Marken

Mit Marken können Wörter, Buchstaben, Slogans, Bilder, Zahlen, etc. geschützt werden. Marken haben stets einen Waren- und/oder Dienstleistungsbezug. Das der Marke innewohnende Verbietungsrecht bezieht sich somit auf identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen. Ihre Schutzdauer beträgt 10 Jahre und kann unbegrenzt um jeweils weitere 10 Jahre verlängert werden. Ein Beispiel ist die in Abbildung 1 gezeigte und in der Europäischen Union anhängige Wortmarke EM 009858713.

Designs

Mit Designs können ästhetische Gestaltungen einer Fläche oder eines Gegenstandes vor Nachahmungen geschützt werden. Die Schutzdauer betrifft maximal 25 Jahre. Dem Designschutz zugänglich können sein grafische Benutzeroberflächen und Icons. Ein Beispiel ist das in Abbildung 1 gezeigte und in der Europäischen Union inzwischen erloschene Design 002043828-0004. Wenn noch keine Festlegung auf ein einzelnes Design erfolgt ist, so lassen sich mehrere Designs in einer Sammelanmeldung zusammenfassen, die kostengünstiger als eine Vielzahl von Einzelanmeldungen ist.

Übersicht

Eine Übersicht über die vorerläuterten Schutzrechtsarten und ihre Möglichkeiten in Bezug auf Apps gibt Abbildung 1.

Fazit

Obwohl im deutschen und europäischen Patentrecht reine Software vom Patentschutz ausgenommen ist, sind zumindest die durch die Programmierung umgesetzten Anweisungen dem Patentschutz zugänglich, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen. Es ist stets darauf zu achten, dass keine Anweisungen erfasst werden, die einen chirurgischen, therapeutischen oder diagnostischen Schritt enthalten. Generell gilt: Patenschutz kann flankiert vom Markenschutz für den App-Namen, vom Designschutz für die Benutzeroberfläche und Icons einen wirksamen ergänzenden Schutz zum Urheberrecht bieten. Eine Einzelprüfung der App auf Schutzmöglichkeiten zusätzlich zum Urheberrecht ist auf jeden Fall zu empfehlen.

Ein Beitrag von Stefan Marschall, Gründer der Patent- und Rechtsanwaltskanzlei Elbpatent.

Abbildung 1

Schutzmöglichkeiten bei Apps

Schutzmöglichkeiten bei Apps - Grafik
Stefan Marschall

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