Die Verordnung (EU) 2024/1689 für künstliche Intelligenz (Artifical Intelligence Act, AI Act) ist am 1. August 2024 in Kraft getreten und stufenweise anwendbar. Medizinproduktehersteller müssen sich mit den Anforderungen des AI Acts auseinandersetzen, wenn sie ein KI-System gemäß der Definition in Art. 3 (1) AI Act) in der EU in Verkehr bringen wollen.
Handelt es sich beim KI-System um ein eigenständiges Produkt oder die Sicherheitskomponente eines Produktes im Anwendungsbereich der Europäischen Verordnungen 2017/745 über Medizinprodukte (MDR) und 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR), welche außerdem einem Konformitätsbewertungsverfahren durch Dritte unterzogen werden müssen, findet gemäß Art. 6 (1) AI die Zuordnung zu den Hoch-Risiko KI-Systemen statt.
Die umfassenden Pflichten der Anbieter von Hoch-Risiko KI-Systemen werden im Art. 16 AI Act zusammengefasst, welche ab dem 2.8.2027 für Hoch-Risiko KI-Systeme nach Anhang I AI Act anzuwenden sind. Deshalb sind Medizinproduktehersteller gut beraten, ein AI Act Compliance Projekt möglichst frühzeitig zu beginnen.
8 Schritte für ein erfolgreiches AI Act Compliance Projekt
Nachfolgend werden die notwendigen Schritte erläutert, die teilweise auch parallel durchgeführt werden können.
1. Organisations-übergreifendes Projektteam einsetzen
Das Projektteam sollte zumindest aus Vertretern der Bereiche Regulatory Affairs, Qualitätsmanagement, Recht, Entwicklung / Produktion und Management bestehen. Die Zuständigkeiten und Aufgaben der Projektmitglieder und ggf. externer Dienstleister zur Unterstützung werden zugewiesen. Alle weiteren Aktivitäten (z. B. Zeit- und Meilensteinplanung, Ressourcenplanung, und Risikomanagement) orientieren sich an den bewährten Verfahren des Projektmanagements.
2. AI Act grundlegend verstehen
In Hinsicht auf Medizinprodukte werden die wesentlichen Bestimmungen und Definitionen des AI Acts identifiziert und interpretiert. Die Ergebnisse werden in einem internen Richtlinien-Dokument zusammengefasst.
3. KI-basiertes Medizinprodukt in Bezug auf den AI Act einordnen
Basierend auf der Zweckbestimmung wird festgestellt, ob das Medizinprodukt ein KI-System im Sinne der Definition ist und ob es sich um ein eigenständiges Produkt oder die Sicherheitskomponente von einem Produkt handelt. Abschließend erfolgt eine Zuordnung des KI-basierten Medizinproduktes zu einer der AI Act Risikokategorien und die entsprechende Erörterung mit der zuständigen Benannten Stelle. Die meisten KI-basierten Medizinprodukte der MDR-Risikoklassen IIa - III sowie In-Vitro-Diagnostika (IVD) der IVDR-Risikoklassen B - D dürften den Hoch-Risiko KI-Systemen zugeordnet werden.
4. Gap-Analyse in Bezug auf die technische Dokumentation und das Qualitätsmanagementsystem durchführen
Die bestehende technische Dokumentation und das etablierte Qualitätsmanagementsystem wird auf Basis der AI Act Anforderungen für die jeweilige Risikokategorie einer Gap-Analyse unterzogen.
Die Pflichten der Anbieter von Hoch-Risiko KI-Systemen beziehen sich sowohl auf neue Anforderungen als auch auf Anforderungen, die bereits aus der MDR und der IVDR bekannt sind (vgl. Herausforderungen für KI-basierte Medizinprodukte durch den EU Artificial Intelligence Act).
Entscheidend für die Umsetzung der neuen Anforderungen ist die Identifikation von KI-spezifischen Normen, Guidelines und Best-Practices (vgl. Zulassung von KI-basierten Medizinprodukten in Europa).
5. Technische Dokumentation und das Qualitätsmanagementsystem weiterentwickeln
Die Ergebnisse der Lückenanalyse werden in Bezug auf das Qualitätsmanagementsystem in konkrete neue Prozesse oder Anpassungen bestehender Prozesse überführt. Dies kann durch Integration in das etablierte Qualitätsmanagementsystem erfolgen (Art. 17 (3)). Gegenwärtig ist es außerdem sinnvoll die Anforderungen der Norm ISO/IEC 42001 zu berücksichtigen.
Die bestehende technische Dokumentation wird ebenfalls um KI-spezifische Teile erweitert.
Der AI Act fordert in einigen Abschnitten ausdrücklich einen Compliance-by-Design Ansatz (Art. 13-15 AI Act), d.h. die regulatorischen Anforderungen sollen frühzeitig bei der Entwicklung des KI-Systems berücksichtigt werden.
6. Interne Schulungen durchführen
Die neuen Inhalte des Qualitätsmanagementsystems und der technischen Dokumentation werden intern geschult. Weiterhin wird die ausreichenden KI-Kompetenz gemäß Art. 4 AI Act aufgebaut.
7. AI Act Konformitätsbewertung vorbereiten und durchführen
KI-basierte Medizinprodukte und IVD unterliegen nach Art. 43 (3) der Konformitätsbewertung durch eine Benannte Stelle entsprechend der MDR- bzw. IVDR-Vorschriften. Der strukturierte Dialog mit der Benannten Stelle über die KI-spezifische Weiterentwicklung des Qualitätsmanagements und der technischen Dokumentation bereitet das eigentliche AI Act Konformitätsbewertungsverfahren vor.
8. Regulatorische Entwicklung des AI Acts überwachen
Gemäß Art. 96 AI Act erarbeitet die Kommission Leitlinien für die praktische Umsetzung des AI Acts. Art. 41 AI Act ermächtigt die Kommission zur Festlegung gemeinsamer Spezifikationen. Außerdem sollen die Europäischen Normungs-Organisationen bis 2026 neue Normen zur Erfüllung einzelner AI Act Anforderungen bereitstellen. Auch Anpassungen des Verordnungs-Textes sind möglich. Deshalb muss eine kontinuierliche Überwachung der regulatorischen Entwicklung des AI Acts erfolgen.
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