Auf der letzten Meile, wie es im Fachjargon heißt, werden Güter künftig wohl sehr bald nur noch elektrisch transportiert werden. Das Weihnachtspaket bringt dann der StreetScooter von DHL, die dringende Expresslieferung von Amazon kommt via Drohne und der online bestellte Wochenendeinkauf wird mit dem Cargobike ausgefahren. Selbst eine „Logistiktram“ – also eine Straßenbahn, die nicht nur Fahrgäste, sondern auch Pakete transportiert – wird derzeit in Frankfurt getestet. Und der asiatische Online-Gigant Alibaba entwickelt sogar autonom fahrende Lieferboxen. Bereits 2021 sollen 10.000 solcher digitalen Paketboten durch die Metropolen Chinas rollen.
Die Diskussion um die Schadstoffbelastungen in der Stadt und Fahrverbote für Dieselfahrzeuge befeuern dieses Thema. Nicht zuletzt deshalb standen auch auf der IAA Nutzfahrzeuge im vergangenen Herbst in Hannover zahlreiche elektrische Lösungen für den urbanen Verkehr
im Fokus des Interesses – vom Kleintransporter für den Handwerker bis zur vollelektrischen Müllabfuhr. Für den Güterverkehr zwischen den Städten, also für längere Distanzen, sieht es gleichwohl etwas anders aus. Zwar testet zum Beispiel Daimler mit seinem Mercedes-Benz eActros beziehungsweise mit seinem E-FUSO, den er von seiner Tochter Mitsubishi Fuso Truck and Bus Corporation (MFTBC) entwickeln lässt, schwere Elektro-Lkws. Und auch die VW-Tochter MAN erprobt ab Anfang 2021 die ersten Elektro-Trucks mit 12 bis 26 Tonnen Gesamtgewicht. Allein: Mit Reichweiten zwischen 200 und 350 Kilometern geht es hier zunächst nur um den innerstädtischen Waren- und Lieferverkehr.
In Nordamerika ist man da ambitionierter – allen voran Tesla-Chef Elon Musk, dessen Elektro-Truck Semi es auf eine Reichweite von 800 Kilometern bringen soll. Ob der Wunder-Lkw aber tatsächlich halten wird, was er verspricht und ob er, wie angekündigt, noch in diesem Jahr auf den Markt kommt, wird in Branchenkreisen angezweifelt. Zudem sitzt ihm die Konkurrenz nicht nur bei Pkws im Nacken. So will der amerikanische Lkw-Hersteller Na vistar, an dem der Volkswagen-Konzern mit 16,6 Prozent beteiligt ist, spätestens im nächsten Jahr einen Elektro-Lkw auf den Markt bringen und Cummins, eigentlich ein Dieselmotor-Produzent, wird mit seinem E-Sattelschlepper Aeos vermutlich sogar schon in diesem Jahr so weit sein. Die größte Konkurrenz im eigenen Land dürfte jedoch BYD sein. Der große chinesische Fahrzeug- und Batteriehersteller hat bereits mehrere Elektro-Laster im Programm, die er nicht nur zu Hause, sondern eben auch in den USA und ab nächstem Jahr in Kanada produzieren lässt.
Auf der Suche nach dem richtigen Konzept für mehr Reichweite
Und dann ist da natürlich noch die Nikola Motor Company. Im Unterschied zu Tesla und Co. setzt das US-Start-up, wie auch Hyundai (Korea) und Toyota (Japan), auf eine andere Technologie, um die Reichweite ihrer Elektro-Trucks zu verlängern – nämlich auf eine Wasserstoff-Brennstoffzelle. Ausgerüstet mit einem eigenen kleinen Stromkraftwerk an Bord, können die Fahrzeuge je nach Ausführung Reichweiten zwischen 800 und 1600 Kilometern bewäl tigen und so auch in den Weiten Nordamerikas einsetzbar sein. Der US-Biergigant Anheuser-Busch soll im vergangenen Jahr bereits 800 dieser Lastwagen bestellt haben. Insgesamt würden sogar Vorbestellungen im Wert von fast 11 Milliarden Dollar vorliegen, verkündete das erst 2014 gegründete Unternehmen aus Salt Lake City.
Auch die VW-Tochter Scania, der größte Hersteller schwerer Lkws in Europa, arbeitet daran, die Reichweiten zu verlängern. Für die Schweden sind jedoch Oberleitungen das Mittel der Wahl. Bei diesem Konzept nutzen die Lkws die Energie aus den über den Straßen gespannten Stromleitungen nicht nur für die elektrische Fahrt, sondern sie laden darüber gleichzeitig ihren Akku auf, sodass sie auch ohne Anschluss noch einige Kilometer weiter mit Strom fahren können. Diese bereits im eigenen Land erprobte Technologie wird jetzt auch in Deutschland getestet. So wird in Kürze das erste Fahrzeug zeitweise auf Teilstrecken der A5 südlich von Frankfurt im öffentlichen Straßenverkehr fahren. Später wird dann auch auf Teilstrecken der Autobahn A1 bei Lübeck und auf der Bundesstraße B442 bei Gaggenau getestet. Dort muss jedoch erst einmal die teure Infrastruktur aufgebaut werden – ein Umstand, der häufig bei solchen neuen Technologien die Einführung verzögert.
Was hier die Oberleitungsinfrastruktur, ist dort das Elektro- oder das Wasserstofftankstellennetz. All diese Infrastrukturkosten sind gleichwohl nichts im Vergleich zu dem innovativen Verkehrskonzept, über das gerade in der Schweiz diskutiert wird. Mit Cargo Sous Terrain (CST) soll ein insgesamt 450 Kilometer langes, unterirdisches Transportnetz für Waren entstehen, das sich zwischen Bodensee und Genfersee erstreckt und Ausläufer nach Basel, Luzern und Thun haben soll. In selbstfahrenden Loren werden die Waren in sechs Meter breiten Tunneln in 50 Meter Tiefe und mit einer bescheidenen Fahrtgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern von A nach B gelangen. Für den Weg nach oben sind spezielle Fahrstühle in sogenannten Logistik-Hubs vorgesehen. Noch muss die eine oder andere bürokratische Hürde genommen werden, läuft aber alles nach Plan, wird bereits 2025 mit den Bohrungen begonnen. Schätzungen zufolge fallen für das gigantische Projekt Kosten in Höhe von fast 30 Milliarden Euro an, die ohne staatliche Zuschüsse aufgebracht werden sollen.
Und dann ist da ja auch noch der Hyperloop, jener Hochgeschwindigkeitszug, der auf einem Luftkissen durch eine Röhre mit Teilvakuum sausen soll. Wer darin bislang nur eine neue verrückte Idee von Tesla-Chef Elon Musk sah, durfte sich Mitte November eines Besseren belehren lassen. Da verkündete nämlich die Hamburger Hafengesellschaft, dass sie ein solches Transportsystem plane, um Container mit 1200 Kilometern pro Stunde ins Umland zu transportieren. Es seien bereits zwei Absichtserklärungen unterschrieben worden, der Baubeginn könne in zwei bis drei Jahren erfolgen.
Mehr Güterverkehr auf der Schiene rückt in greifbare Nähe
Bleibt die Frage, warum man in Deutschland eine solch kostspielige Infrastruktur aufbauen sollte, wenn es doch mit dem Bahnnetz eigentlich schon genau so etwas gibt, auf das man nur konsequent aufsetzen müsste. Allerdings stößt dieses Netz angesichts von 40.000 Personen- und 5000 Güterzügen täglich bereits heute an seine Grenzen. Auch um die Wettbewerbsfähigkeit des Bahn-Güterverkehrs ist es bekanntermaßen nicht gut bestellt. All dies ist die Konsequenz einer geradezu sträflichen Vernachlässigung des Schienengüterverkehrs in den vergangenen Jahr- zehnten, die man nun beenden möchte. Ende vergangenen Jahres wurde dafür das Bundesprogramm „Zukunft Schienengüterverkehr“ verabschiedet, mit dem Politik und Wirtschaft ab sofort Innovationen – Stichwort: Digitalisierung und Automatisierung – ankurbeln und die Infrastruktur ausbauen wollen. Für die kommenden fünf Jahre haben beide Seiten dafür ein Investitionsvolumen von immerhin einer Milliarde Euro in Aussicht gestellt. Zusammen mit dem bereits im Vorjahr verkündeten „Masterplan Schienengüterverkehr“ rückt damit in greifbare Nähe, wovon seit Jahren gesprochen wird: mehr Güterverkehr auf die Schiene zu verlegen.
Und auch hier liegen neue Konzepte auf dem Tisch. Zum Beispiel das namens Next Generation Train (NGT) vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Der dazu entwickelte Güterzug NGT Cargo besteht aus Triebköpfen und Waggons, welche einzeln oder als Gruppe von einer Zentrale aus gesteuert autonom fahren können. Das heißt, die Züge fahren elektrisch und vollautomatisch auf digitalisierten Strecken, auf denen es dann nicht einmal mehr Signale gibt. Wozu auch? Es gibt ja niemand mehr, der sie sehen könnte.
Martin Schmitz-Kuhl ist freier Journalist in Frankfurt am Main sowie Redakteur beim VDE dialog.