Schöne Lilie und brennende Kerze auf dunklem Hintergrund mit Platz für Text. Beerdigung weiße Blumen.
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11.10.2024 Kurzinformation

Priv.-Doz. Dr.-Ing. habil. Ulrich Tietze verstorben

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Portrait Ulrich Tietze
Tietze

Am 2. September 2024 verstarb Priv.-Doz. Dr.-Ing. habil. Ulrich Tietze im Alter von 78 Jahren in Erlangen.

Ulrich Tietze war 40 Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Technische Elektronik (LTE) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und Ehrendoktor der Technischen Fakultät der FAU.

Er ist als Verfasser des anerkannten deutschen Standardwerkes der Halbleiterschaltungstechnik, des Tietze-Schenk, erschienen im Springer-Verlag, weltweit bekannt. Das Buch ist mittlerweile in sechs Sprachen erhältlich, übersetzte Raubkopien nicht eingerechnet.

Die erste Auflage des seither bestens eingeführten Hand- und Lehrbuchs der elektronischen Schaltungstechnik sowohl für Ingenieure in der Praxis als auch für Studierende ist im Umfang von knapp 400 Seiten im Jahr 1969 erschienen. 50 Jahre später wurde die 16. Auflage mit knapp 1800 Seiten publiziert. „U. Tietze, C. Schenk, E. Gamm: Halbleiter-Schaltungstechnik, 16., erweiterte und aktualisierte Auflage, Springer Vieweck, 2019“. Neben dem Haupt-Autor Ulrich Tietze gibt es noch die beiden Ko-Autoren Christoph Schenk und Eberhard Gamm. Der Begriff Tietze-Schenk wird aber seit über 50 Jahren beibehalten. Herr Schenk hat nur an der ersten Auflage und Herr Gamm nur an den letzten Auflagen mitgearbeitet.

Das Buch über die Halbleiter-Schaltungstechnik bietet eine Einführung in das Thema und ist gleichzeitig auch ein weiterführendes Werk. Es wendet sich an Studierende und an Ingenieure in der Praxis, die beruflich mit elektronischen Schaltungen zu tun haben und setzt lediglich Grundkenntnisse voraus. Bei der Dimensionierung einer Schaltung werden nur die zugrundeliegenden Gleichungen und die resultierenden Ergebnisse angegeben; die teilweise sehr umfangreichen Zwischenrechnungen werden übersprungen. Aus den Ergebnissen werden Näherungen abgeleitet, die für die Praxis besonders relevant sind. Insgesamt vermittelt der Tietze-Schenk dem Leser ein anschauliches Verständnis der Funktionsweise der Schaltungen, was in der Praxis unverzichtbar ist. Der Tietze-Schenk ermutigt den Leser aber auch zur intensiven Nutzung moderner Schaltungssimulationswerkzeuge, indem zahlreiche Simulationsbeispiele im Programm PSpice auf der Tietze-Schenk-Homepage www.tietze-schenk.de bereitgestellt werden. Das Buch ist ein lebendiges, immer aktuelles Standardwerk der elektronischen Schaltungstechnik. Seine erste Auflage erschien ein Jahr nach der Gründung der Firma Intel, des heute weltweit führenden Halbleiterherstellers. Das im April 1969 vorgestellte erste Produkt von Intel war ein Chip mit 64 bit Speichervermögen in Bipolartechnologie. Heute, gut 50 Jahre später, benutzen wir in selbstverständlicher Weise Mobiltelefone, Laptops und Automobilradare, alles Produkte, von denen man damals nicht einmal träumen konnte. Ein besonderes Verdienst von Ulrich Tietze besteht nun darin, dass er den seit über 50 Jahren anhaltenden stürmischen Entwicklungen in der elektronischen Schaltungstechnik in seinem Buch bei jeder neuen Auflage immer durch neue Erweiterungen und Aktualisierungen gerecht geworden ist. Im Tietze-Schenk finden sich auch viele Schaltungen, die er im Rahmen seiner eigenen Forschungstätigkeiten am Lehrstuhl selbst entwickelt hat. Herr Tietze hat seine Forschungsergebnisse also anders als andere Wissenschaftler nicht durch Tagungsbeiträge sondern durch sein Buch zugänglich gemacht. Ein weiteres besonderes, meines Erachtens einzigartiges Verdienst von Ulrich Tietze ist es, dass er alle im Tietze-Schenk dargestellten Schaltungen selbst im Labor aufgebaut und experimentell überprüft hat. Der Leser kann sich also hundertprozentig darauf verlassen, dass die behandelten Schaltungen auch in der realen Praxis funktionieren.

Über die Schaffung und Pflege dieses Standardwerks hinaus hat Ulrich Tietze viele Jahre lang hervorragende Leistungen in Lehre und Forschung insbesondere im Bereich der Halbleiterschaltungstechnik erbracht. In Anerkennung seiner Verdienste als langjähriger, forschender Verfasser des Tietze-Schenk hat die FAU ihm im März 2020 die Ehrendoktorwürde ihrer Technischen Fakultät verliehen. Die öffentliche Verleihung sollte in festlicher Weise im Rahmen der 50-Jahr-Feier des LTE am 1. April 2020 erfolgen, die aber Corona-bedingt ausfallen musste. Die öffentliche Überreichung der Ehrendoktorwürde erfolgte schließlich am 22. Juli 2022. 

Ulrich Tietze wurde am 20. März 1946 in Köln geboren. Er hat an der Universität Stuttgart Elektrotechnik studiert und schon gegen Ende seines Studiums, also noch als Student die 1. Auflage des Tietze-Schenk veröffentlicht. Nach einer kurzen Zeit in der Entwicklungsabteilung von Hewlett-Packard in Böblingen wurde er von Professor Dieter Seitzer an den neu gegründeten LTE nach Erlangen geholt und war dort 40 Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig, wo er im Jahre 1975 mit einer Arbeit zu datenreduzierten Multiplex-Verfahren für die digitale Bildübertragung promoviert wurde und wo er sich im Jahre 1997 im Gebiet der analogen Schaltungstechnik habilitierte. 

Mit Ulrich Tietze verlieren wir einen großartigen, von uns allen hoch geschätzen Menschen, der uns auch in seinem Ruhestand die Treue hielt und uns regelmäßig besuchte und mit seinem feinen Humor erfreute. Fast bis zu seinem Ende arbeitete er an der 17. Auflage “seines Buches”. Wir werden ihn stets in ehrender Erinnerung behalten.

Unsere Gedanken sind bei seiner Frau Traute, seinen Töchtern Bettina und Ulrike und seinen Enkeln Carl, Lisa-Marie, Sarah und Simon sowie allen seinen Lieben.

Nürnberg, am 12. September 2024

Robert Weigel, Professor im Ruhestand

Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Lehrstuhls für Technische Elektronik (seit dem 1. September 2024 Lehrstuhl für Intelligente Technische Elektronik und Systeme)