Bergen (ddp) Der Schreck sitzt Antje und Udo Ludwig noch Stunden nach dem Unwetter in den Gliedern. "Ich war gerade aufgewacht," sagt die junge Thüringerin. Wie aus dem Nichts prasselte urplötzlich der Platzregen auf das kleine Steilwandzelt. Draußen waren Stimmen zu hören. Aufgeschreckte Camper versuchten, die Regenfluten um ihre Zelte zu leiten. Dann plötzlich in unmittelbarer Nähe ein Knall. Nicht so dumpf, wie man sich das sonst so vorstellt, berichtet die Camperin. "Eher so eine Art Fatschen, direkt am Zelt vorbei." Ein 14-jähriger Junge will den Einschlag gesehen haben. "Ein greller, fetter Knall direkt zwischen den Zelten", sagt er.
Die Ludwigs hatten unheimliches Glück. Keine fünf Meter von ihrer Leinwandherberge entfernt fährt ein Blitz in drei fast 15 Meter hohe Kiefern. Ein 26-jähriger Mann, der gerade mit einem Schirm unterwegs ist und durch eine Pfütze watet, wird getroffen. Er ist sofort bewusstlos. Zwei Männer in seiner Nähe werden leicht verletzt. 20 Minuten später ist alles vorbei. Das Gewitter zieht ab. Zeltnachbarn versorgen die Männer, alarmieren den Notarzt. Später werden die Opfer in das Krankenhaus Bergen gebracht. Der vom Blitz getroffene Mann schwebe in Lebensgefahr, sagen die Ärzte zunächst. Stunden später verstirbt der aus Brandshagen bei Stralsund kommende Urlauber. Die 26 und 63 Jahre alten Leichtverletzten bleiben zur Beobachtung.
Über Lautsprecher versucht Platzwart Hans-Jürgen Schneider die geschockten Camper zu beruhigen. Es ist Hochsaison. Mehr als 2000 Menschen verbringen derzeit in Nonnevitz einen Zelturlaub. Riesige Risse in der Baumrinde und abgesplittertes Holz lassen die Wucht des Einschlags erahnen. Einer der getroffenen Bäume muss gefällt werden. Auf dem Regenbogencamp ist Aufräumen angesagt. Binnen Minuten haben sich mehr als 20 Liter Wasser pro Quadratmeter ergossen. Strom und Wasser sind ausgefallen, die Telefonzellen lahm gelegt. So etwas habe er noch nicht erlebt, sagt Schneider, seit 13 Jahren Platzwart.
Der Platz unmittelbar an Rügens Nordküste gilt in Camperkreisen bundesweit als Insidertipp. Ein Urlauber aus Leipzig, der schon seit den 60er Jahren hier zeltet, schwärmt von dem einzigartigen Klima. Abgeschirmt von einer Wetterscheide, herrsche an der Nordspitze normalerweise purer Sonnenschein, während es auf der Insel wie aus Kannen gieße, sagt er. Dieses Mal war es umgekehrt.