Elektrische Entladungen in der Atmosphäre bieten ein faszinierendes Schauspiel: Blitze arbeiten sich gewöhnlich nicht auf geradem Weg durch die Luft, sondern spalten sich zu eindrucksvollen, verästelten Gebilden auf. Manchmal kann man die gezackten Leuchterscheinungen mit dem bloßen Auge verfolgen, wie sie sich von einer Gewitterwolke bis in 80 Kilometer Höhe ihren Weg durch die Luft bahnen. Das Phänomen, so berichten Manuel Arrayás und Kollegen im Fachblatt Physical Review Letters, ähnelt der Vermischung von Flüssigkeiten: Wenn zwei Flüssigkeiten mit unterschiedlicher Viskosität ineinander fließen, bilden sich unter bestimmten Bedingungen verzweigte "Finger", genau wie bei Gewitterblitzen und anderen Entladungen.
Auch bei Blitzen gibt es zwei unterschiedliche Medien: Das neutrale Gas und einen Tunnel mit ionisiertem Gas. Nach den theoretischen Überlegungen der Forscher vom Forschungsinstitut CWI in Amsterdam wird der Tunnel an einem bestimmten Zeitpunkt zu einem idealen elektrischen Leiter. Das heisst, dass der Strom dort fast ohne Widerstand fließt. Genau zu diesem Zeitpunkt wird die Grenze zwischen dem ionisierten und dem neutralen Gas instabil und der Blitz verzweigt sich in mehrere Finger. Das gleiche physikalische Problem ergebe sich bei Flüssigkeiten mit unterschiedlicher Viskosität, so die Forscher. Dort werden ebenfalls fingerförmige Auswüchse beobachtet.
Ob solch eine Aufspaltung stattfindet, hängt nicht von der Größe des Phänomens ab, sondern von der Stärke des elektrischen Feldes. Auch wenn Kathode und Anode nur Millimeter voneinander entfernt sind, kann ein Blitz sich verästeln. In der Atmosphäre können verzweigte Blitze viele Kilometer weit vordringen.