Blitzschutzsystem mit geringer (links) und hoher (rechts) Vermaschung

| VDE
28.04.2022 Fachinformation

Was ist der Unterschied zwischen Blitzschutz nach VDE 0185-305-3 und VDE 0185-305-4?

In Ausschreibungen oder von Kunden wird manchmal ein "Blitzschutz nach Teil 1 bis 4 der Blitzschutznorm" gefordert. Dabei wird übersehen, welche gravierenden Unterschiede bei der Planung und Ausführung von Blitzschutz nach VDE 0185-305-3 ("Teil 3") oder VDE 0185-305-4 ("Teil 4") auftreten.

Diese VDE Information Blitzschutz erläutert die Grundzüge der Schutzphilosophie der beiden Normenteile und stellt Unterschiede in den Konzepten vor (Titelbild).

Sie richtet sich an Planer, Errichter und Sachverständige für Blitzschutzsysteme, ausschreibende Stellen und Bauherren.

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5 Säulen wie ein Haus

Blitzschutz nach VDE 0185-305-3

5 Säulen wie ein Haus

Ein Blitzschutz nach Teil 3 schützt Gebäude und die darin befindlichen Personen bei direktem oder nahem Blitzeinschlag. Er verhindert Brand und Personenschaden.

Typische Anwendungen: Wohngebäude, Industrieanlagen, öffentliche Gebäude

Ein Blitzschutz nach Teil 3 besteht aus dem Äußeren und Inneren Blitzschutz und wird als Blitzschutzsystem (en: Lightning Protection System LPS, Bild: Blitzschutzsystem bestehend aus dem Äußeren und Inneren Blitzschutz | VDE) bezeichnet:

  • Äußerer Blitzschutz: Fangeinrichtungen, Ableitungen, Erdungsanlage, Einhalten des Trennungsabstands außen
  • Innerer Blitzschutz: Einhalten des Trennungsabstands innen, Blitzschutzpotentialausgleich

Überspannungs-Schutzeinrichtungen (en: SPD Surge Protective Device) kommen beim Blitzschutzpotentialausgleich zur Verhinderung von Brand und Personenschaden zum Einsatz.

Beim Blitzschutz nach Teil 3 werden folgende wesentliche Blitzwirkungen berücksichtigt:

  1. Direkteinschlag; Stromfluss durch den Äußeren Blitzschutz
  2. Wirkung des ersten positiven Teilblitzes (große Stromamplitude)
  3. Blitzströme auf eingeführten Systemen bei nahen Blitzeinschlägen
Zusammenhang der Blitzschutznormen in der Reihe VDE 0185-305

Blitzschutz nach VDE 0185-305-4

Zusammenhang der Blitzschutznormen in der Reihe VDE 0185-305

Ein Blitzschutz nach Teil 4 setzt immer einen Blitzschutz nach Teil 3 zum Schutz für Gebäude und Personen voraus (Bild: Blitzschutz durch ein Blitzschutzsystem nach Teil 3 mit ggf. zusätzlichem Blitzschutz nach Teil 4 | VDE). Darüber hinaus werden zum Schutz elektrischer und elektronischer Systeme folgende Schutzmaßnahmen (en: Surge Protection Measures SPM) angewandt:

  • Koordinierter Überspannungsschutz
  • Gebäude- und Raumschirmung, Leitungsschirmung
  • Vermaschte Erdung
  • Vermaschter Potentialausgleich
  • (Bei Umsetzung von Gebäude- und Raumschirmungen brauchen Trennungsabstände im Inneren der Schutzzonen nicht berücksichtigt werden, wohl aber Mindestabstände zum elektromagnetischen Schirm.)

Typische Anwendungen: Gebäude, elektrische oder elektronische Einrichtungen mit hoher Ausfallsicherheit z. B. Rechenzentren, OP-Zentren, Einsatzleitzentralen, Laborräume, automatisierte Produktionsanlagen, kritische Infrastruktur

Beim Blitzschutz nach Teil 4 werden folgende wesentliche Blitzwirkungen berücksichtigt:

  1. Direkteinschlag, Stromfluss durch die Gebäudestruktur
  2. Wirkung des ersten positiven Teilblitzes (große Stromamplitude)
  3. Wirkung des negativen Folgeblitzes (hohes di/dt)
  4. Elektromagnetische Felder bei direkten oder nahen Blitzeinschlägen
SPD Typ 1 sind Teil des Blitzschutz Teil 3, SPD Typ 2 und 3 zählen zum ergänzenden Überspannungsschutz

"Normalfall" Blitzschutz nach Teil 3 mit ergänzendem Überspannungsschutz

SPD Typ 1 sind Teil des Blitzschutz Teil 3, SPD Typ 2 und 3 zählen zum ergänzenden Überspannungsschutz

Auf der Kundenseite besteht häufig die Erwartung, dass mit einem Blitzschutz nicht nur Personen und Gebäude, sondern auch Elektrogeräte bei Blitzeinschlag geschützt sind. Die im Teil 3 zum Blitzschutz-Potentialausgleich verwendeten Überspannungs-Schutzeinrichtungen (SPD Typ 1) verhindern allerdings nur eine Brandentstehung; Schäden an Elektrogeräten sind dennoch weiter möglich. Ein Überspannungsschutz nach Teil 4 hingegen fordert umfangreiche Schutzmaßnahmen, die weit über das Schutzziel von Teil 3 hinausgehen.

Den Kundenwunsch kann man in der Regel kostengünstig durch ein Blitzschutzsystem nach Teil 3 mit ergänzendem Überspannungsschutz (Bild: Ergänzender Überspannungsschutz | VDE) in oder an den Elektrogeräten selbst realisieren. Damit wird bereits ein Teil des Blitzschutzes nach Teil 4 realisiert.

Fabrikgebäude mit Technik-Raum, für den VDE 0185-305-4 angewendet wird

Sonderfall Schutz von Teilbereichen nach Teil 4

Fabrikgebäude mit Technik-Raum, für den VDE 0185-305-4 angewendet wird

In einem Gebäude mit Blitzschutz nach Teil 3 können Teilbereiche mit Schutzmaßnahmen nach Teil 4 ("lokale Blitzschutzzonen") versehen werden (Bild: Gebäude mit Blitzschutzsystem nach Teil 3 und lokaler Blitzschutzzone | VDE). Typische Anwendungen sind Labore und deren technische Einrichtungen, OP- und Intensivpflegebereiche in Krankenhäusern, Serverräume, Zentralen für gebäudetechnische Anlagen etc.

Die Aufteilung in unterschiedliche Schutzbereiche ist auch nachträglich möglich - siehe Abschnitt " Ergänzung eines bestehenden Blitzschutzes nach Teil 3 um Maßnahmen nach Teil 4".

Gebäude mit hochwertigen IT-Systemen eingeteilt in Blitzschutzzonen

Wie sieht ein Blitzschutz nach Teil 4 aus?

Gebäude mit hochwertigen IT-Systemen eingeteilt in Blitzschutzzonen

Die Fangeinrichtungsanlage und Erdungsanlage sind mehrfach mit der naheliegenden Blitzschutzzone 1 zu verbinden.

Der Schutz elektrischer und elektronischer Systeme kann durch verschiedene Maßnahmen realisiert werden, z. B. durch räumliche Schirmungsmaßnahmen.

Die Leitungen des Blitzschutzsystems werden so miteinander verbunden, dass Maschen kleiner als 5 m entstehen, um eine bessere Aufteilung der Blitzströme zu erreichen. Diese Verbindungen müssen blitzstromtragfähig ausgeführt sein, d. h. durch Klemmen oder Schweißen. 

Um eine gute Schirmwirkung gegen elektromagnetische Felder durch vermaschte Leiter zu erreichen, sind Maschenweiten von wenigen 10 cm notwendig.

Wenn die Schirmung durch Metallgitter, z. B. Bewehrungsmatten, umgesetzt wird, sind die Leitungen des Blitzschutzsystems in Abständen von ca. 1 m mit den Metallgittern in Wänden und Decken zu verbinden. Diese Verbindungen müssen nicht blitzstromtragfähig sein; Rödeln ist ausreichend.

Niederinduktives Potentialausgleichsnetzwerk: Potentialausgleichsleitungen zum örtlichen (Zonen-) Potentialausgleich so kurz wie möglich verlegen; konsequente Vermaschung des Potentialausgleichsnetzwerks mit der Schirmung; Maschenweiten kleiner als 5 m.

Blitzschutzzonenkonzept (Bild: Blitzschutz nach VDE 0185-305-4 | Dehn SE): Die bauliche Anlage mit deren Inhalt wrd in Bereiche mit gleicher Schutzbedürftigkeit gegliedert = Schutzzonen. An allen Grenzen der Schutzzone (Decke, Wände, Boden) werden Maßnahmen des Potentialausgleichs durch Überspannungs-Schutzeinrichtungen und der Schirmung durchgeführt, um die gewünschte Schutzwirkung im Inneren der Schutzzone zu erreichen. Dabei ist auf eine kürzest mögliche Anbindung der Leitungen untereinander (Potentialausgleich) zu achten.

Schirmung trennt Blitzschutzzonen; durchgängige Vermaschung

Planung eines Blitzschutzes nach Teil 4

Schirmung trennt Blitzschutzzonen; durchgängige Vermaschung

Im Blitzschutzzonenkonzept (Bild: Verbinden von Blitz-Schutzzonen mit jeweils vermaschtem Funktions-Potentialausgleich nach DIN EN 62305-4 | VDE) werden von außen nach innen gehend (Zonen 0 → Zone 1 → Zone 2 usw.) die feld- und leitungsgebundenen Störgrößen so reduziert, dass die inneren Geräte und Systeme entsprechend ihrer Störfestigkeit ausreichend sicher betrieben werden können. Die verbleibende Störgröße in einer Zone darf maximal die Störfestigkeit der inneren Systeme betragen.
Deshalb muss die Störfestigkeit der energietechnischen und informationstechnischen Systeme bekannt sein. Ist das nicht der Fall, kann diese ermittelt werden oder es wird die Mindeststörfestigkeit laut Norm als Planungsgrundlage verwendet.

Die vorhandenen metallenen Teile und Installationen eines Gebäudes ("natürliche Komponenten") werden als Bestandteil des Blitzschutzsystems verwendet; so wird ein technisch-wirtschaftlich ausgewogenes Konzept erreicht.
Die Einbindung der vorhandenen metallenen Teile muss frühzeitig und gewerkeübergreifend geplant werden. Sollen beispielsweise die Gebäudearmierung und/oder eine Metallfassade als Schirmungsmaßnahme dienen, dann müssen Anzahl, Position und Art der Verbindungen frühzeitig festlegt werden.

Ergänzung eines bestehenden Blitzschutzes nach Teil 3 um Maßnahmen nach Teil 4

Wenn in einem Gebäude mit Blitzschutz nach Teil 3 eine empfindliche Anlage nachträglich installiert wird, dann kann für diesen Gebäudeteil ein Blitzschutz nach Teil 4 eingerichtet werden. Dieser Gebäudeteil wird dann als höherwertige "lokale" Blitzschutzzone nach Teil 4 geplant. Dazu gehören sowohl zusätzliche Schirmungsmaßnahmen (li. Bild: Schirmung durch nachträglich errichtetes Maschengitter in Wänden, Boden und Decke in einer lokalen Blitzschutzzone | W. Wettingfeld GmbH & Co. KG, re. Bild: Verbindung des Schirmungsgitters mit einer Erdungsfahne (Schweißverbindungen fehlen noch) | W. Wettingfeld GmbH & Co. KG) als auch Überspannungs-Schutzeinrichtungen zum Potentialausgleich an den Zonengrenzen.

Literatur, weiterführende Informationen

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