01.06.2013 Mitgliederinformation

Einfache elektronische Kurzschluss-Strombegrenzung für große Lithium-Ionen-Batterien

Batterieanlagen hoher Leistung

Die Energiespeicherung – insbesondere in Elektrofahrzeugen – erfordert im besonderen Maß Batterien, die hohe Energiedichte, geringen Innenwiderstand und geringe Selbstentladung aufweisen. Beim heutigen Stand der Technik entsprechen vor allem Batterien auf Lithium-Ionen-Basis diesen Anforderungen.

Ab einer Verbraucherleistung von ca. 1 kW ist eine Batteriespannung größer 100 VDC von Vorteil, damit die Ströme in einem moderaten Bereich bleiben. Eine sinnvolle Obergrenze dürfte zur Zeit für viele Anwendungen bei ca. 1000 VDC liegen. Für die an der DC-Spannung betriebenen Stromrichter lassen sich dann herkömmliche leistungselektronische Bauelemente (z. B. IGBTs) mit einer Sperrspannungsfestigkeit von 1700 V verwenden.

Die Nennspannung einer einzelnen Lithium-Ionen-Zelle liegt gewöhnlich im Bereich von 3,6...3,7 V. Um den genannten Spannungsbereich von 100…1000 V zu erreichen, ist somit die Reihenschaltung einer Vielzahl von Zellen erforderlich. Diese erfolgt zweckmäßigerweise gestaffelt, d. h. zunächst wird eine definierte Anzahl von Zellen zu einem Batteriemodul zusammengefasst. Aus der Reihenschaltung von Modulen wird dann ein kompletter Batteriestrang gebildet. Bei Verwendung entsprechend leistungsstarker Einzelzellen können durch die Parallelschaltung von Batteriesträngen auf diese Weise schon heute Fahrzeug-Batterieanlagen im MWh-Bereich aufgebaut und betrieben werden; siehe z. B. [1].

Kontakt
Dr. Reinhard Vogel

Sicherer elektrischer Betrieb von großen Lithium-Ionen-Batterien

Für den sicheren Betrieb einer Lithium-Ionen-Batterie ist ein „Batterie-Manage­ment-System (BMS)“ unbedingt erforderlich. Das BMS überwacht zumindest den Zustand jeder einzelnen Zelle bezüglich Spannung und Temperatur und steuert auch die Ausgleichsströme, die dafür sorgen, dass alle in Reihe geschalteten Batteriezellen möglichst gleiche Spannung aufweisen. Höher entwickelte Systeme ermöglichen darüber hinaus auch die stetige Bestimmung des Ladezustands der einzelnen Zellen durch permanente Analyse des Energieflusses bei Ladung und Entladung.
Bemerkenswert ist, dass bislang nur wenige Batterie-Management-Systeme direkten Einfluss auf den (Haupt-)Strom­fluss beim Laden und Entladen nehmen können. Insbesondere für Lithium-Ionen-Batterien hoher Leistung besteht somit zunächst eine „Sicherheitslücke“, da wegen der sehr kleinen Innenwiderstände solcher Batterien sehr hohe Kurzschlussströme auftreten können.

Problematik hoher Kurzschlussströme

Der prospektive (unbeeinflusste) Kurzschlussstrom von Lithium-Ionen-Batterien beträgt ein Mehrfaches (das ca. 5- bis 10-fache) dessen, was bisher von anderen Batterien, z. B. Blei-Batterien, bekannt ist. Wegen des sehr hohen Werts des unbeeinflussten Kurzschlussstroms steigt der Betrag des Kurzschlussstroms im Vergleich zu herkömmlichen Batterien auch viel schneller an, da etwa gleich große elektrische Zeitkonstanten – im Bereich weniger Millisekunden – auftreten.

Bei Anwendung von im DC-Bereich bewährten Lösungen für den Kurzschlussschutz treten folgende Probleme auf:

  • Leistungsschalter mit magnetischer und/oder thermischer Überstromerkennung sind in vielen Fällen zu langsam. Zum Abschaltzeitpunkt fließt dann bereits ein solch hoher Batterie-Entladestrom, dass der Leistungsschalter durch die dann sehr hohe Abschaltenergie überlastet wird.
  • DC-taugliche Schmelzsicherungen können als Kurzschlussschutz verwendet werden, müssen aber nach Behebung der Kurzschluss-Fehlerursache ersetzt werden. Das ist in vielen Fällen nicht erwünscht oder in kurzer Zeit auch nicht möglich. Die Sicherungsauslegung ist zudem recht problematisch.
  • Abschaltbare leistungselektronische Bauelemente sind prinzipiell schnell genug, um den Strom im Kurzschlussfall vor Erreichen kritisch hoher Stromwerte abzuschalten. Wegen des vergleichsweise kleinen I²t-Werts ist mit ihnen aber praktisch keine selektive Kurzschlussklärung im DC-Netz erreichbar.

Die ohnehin nicht einfache Abschaltung von hohen DC-Strömen gewinnt somit bei leistungsstarken Lithium-Ionen-Batterien eine neue, bislang wenig beachtete Brisanz, da die Verwendung bekannter DC-Schutzeinrichtungen meist nicht zum gewünschten Ergebnis führt.

Lösungsansatz und Konzept für einen elektronischen Kurzschluss-Strom­begrenzer

Die Anforderungen an eine selektive Kurzschlussklärung im DC-Netz bei Speisung aus großen Batterien können dann erfüllt werden, wenn das nur schwer fassbare Phänomen „Kurzschluss“ in einen technisch fassbaren „begrenzten Überstrom“ umgewandelt wird und damit einer technischen Dimensionierung unterworfen werden kann.

Das dazu erforderliche Schutzorgan (Electronic Current Limiter; ECL) sollte folgende Eigenschaften haben:

  • Im ungestörten (kurzschlussfreien) „Normalzustand“ darf die Performance der Hochleistungs-Lithium-Batterien nicht oder nur unmerklich beeinträchtigt werden.
  • Im Kurzschlussfall muss kurzzeitig ein hoher Strom zur Verfügung stehen, damit Schmelzsicherungen sicher auslösen können.
  • Zur Auslösung elektromechanischer Leistungsschalter mit magnetischer Überstromerkennung ist im Kurzschlussfall ein „moderater“ Überstrom im Zeitbereich von ca. ≥ 40 ms erforderlich.
  • Nach Kurzschlussklärung im DC-Netz soll das Schutzgerät wieder in den „Normalzustand“ übergehen.
  • In dem Fall, dass der Kurzschluss – ggf. auch nach mehreren Versuchen – nicht geklärt werden kann, ist die Batterie dann (notgedrungen) vom DC-Netz zu trennen.

Die grundsätzliche technische Lösung dieser Anforderungen ist auf überraschend einfache Weise dadurch möglich, dass zunächst zwei verschiedene Betriebszustände des Schutzgeräts definiert werden, bei denen der Innenwiderstand des Schutzgeräts

  • im ungestörten „Normalzustand“ sehr klein ist und
  • im Kurzschlussfall einen definierten Innenwiderstand hat, der den Strom auf einen Wert begrenzt, der maßgeblich von diesem Innenwiderstand bestimmt wird.

Bild 1: Prinzipschaltbild des elektronischen Kurzschluss-Strombegrenzers

Bild 1 zeigt eine prinzipiell dazu geeignete technische Lösung. Im kurzschlussfreien „Normalzustand“ fließt der Strom über den Schalter S1. Nach Kurzschlusserkennung wird dieser Schalter geöffnet. Der Strom fließt dann über den Schalter S2 und den strombegrenzenden Widerstand R.

Prinzipielle technische Realisierung

Sowohl theoretische Überlegungen wie auch praxisnahe Untersuchen haben gezeigt, dass die Kurzschlussstrom­-Erkennung und ‑umschaltung auf den strombegrenzten Betrieb bei leistungsstarken Lithium-Ionen-Batterien sehr schnell erfolgen muss. Es stehen dafür nur einige 100 µs bis zu wenigen Millisekunden zur Verfügung.

Zumindest für den Schalter S1, sinnvollerweise aber auch für S2, sind deshalb schnell schaltende leistungselektronische Bauelemente erforderlich. Im interessierenden Spannungsbereich von >100 V bis ca. 1000 V und für Ströme von ca. 100 A bis max. ca. 3000 A kommen dafür heute vor allem IGBTs als schnelle Schalter in Frage.

Für viele Anwendungen wird es zudem ausreichen, die Kurzschluss-Strombegrenzung nur für die Stromflussrichtung des Batterie-Entladestroms (von der Batterie in Richtung des DC-Netzes) vorzusehen, da die Batterieladung meist über Generatoren oder Umrichter mit eigener Strombegrenzung erfolgt.

Bild 2: Elektronischer Kurzschluss-Strom­begrenzer mit IGBTs

Die Prinzipschaltung und grundsätzliche Funktion des elektronischen Kurzschluss-Strom­begrenzers bei Verwen­dung von IGBTs ist im Bild 2dargestellt. Die Halbleiterschalter V1 und V2 übernehmen dabei die Aufgaben der Schalter S1 und S2 aus Bild 1.

Im ungestörten „Normalbetrieb“ führt IGBT V1 den Strom. Nach Erkennung eines Kurzschlusses wird dieser IGBT abgeschaltet, so dass ein begrenzter Überstrom über IGBT V2 und den Widerstand R fließen kann.

Nach Klärung des Kurzschlusses, d. h. nach Auslösen der verbraucherseitigen Schutzeinrichtung, kehrt der Strom in seinen normalen Bereich zurück. Der IGBT V1 kann dann wieder eingeschaltet werden, sodass sich der ursprüngliche, ungestörte Betriebszustand wieder einstellt.

Gelingt es jedoch nicht, innerhalb einer definierten Zeit eine Kurzschlussklärung zu erreichen, muss der Strom durch Abschaltung von IGBT V2 gänzlich unterbrochen werden, um den Strombegrenzungswiderstand R2 nicht zu überlasten. Die Freilaufdiode V3 übernimmt dann den noch fließenden Strom, bis er vollständig abgeklungen ist. In Abhängigkeit der Belastbarkeit des strombegrenzenden Widerstands (I²t-Wert) kann nun ein- oder mehrmalig versucht werden, die Kurzschlussklärung durch wiederholtes Zuschalten des IGBTs V2 doch noch zu erreichen.

Gelingt dieses auch nicht, muss die Batterie nach Abschalten von IGBT V2 vom Netz getrennt bleiben.

Für einige Anwendungen kann es zudem erforderlich sein, die Batterie anschließend auch galvanisch vom Netz zu trennen. Dieses ist mit dem Schütz Q möglich. Da das Schütz nur im stromlosen Zustand geschaltet wird, benötigt es nicht die für DC-Leis­tungsschalter und ‑schütze übliche Ausrüstungen zur
Lichtbogenlöschung.

Da sehr große Lithium-Ionen-Batterien durch parallel geschaltete Batteriestränge realisiert werden, ist es sinnvoll und auch notwendig, jedem dieser Batteriestränge einen ECL zuzuweisen.

 Bild 3: ECL-Funktionsmuster

Realisierung und Erprobung eines Funktionsmusters

Zum Nachweis, dass das hier vorgestellte Prinzip sich auch in einer Gerätelösung praktisch umsetzen lässt, wurde in einem sehr frühen Entwicklungsstadium entschieden, ein Funktionsmuster eines ECL für einen Batteriestrang aufzubauen und in praxisrelevanten Tests zu erproben.

Bild 3 zeigt das realisierte ECL-Funktionsmuster. Wegen eines gegebenenfalls später möglichen Einsatzes auf U-Booten war für das Gerät eine besonders massive Gehäusekonstruktion gewählt worden. Die erfolgreiche Erprobung erfolgte von April 2011 bis März 2012 an einem Batteriestrang einer Versuchsanlage mit Lithium-Ionen-Batterien bei HDW (heute TKMS GmbH).

Die wichtigsten technischen Daten des ersten Funktionsmusters sind in Tabelle 1 dargestellt.

 Tabelle 1: Technische Daten des ECL-Funktionsmusters

Um größtmögliche Verfügbarkeit und Betriebssicherheit des Geräts zu erreichen, wurden die wichtigsten Überwachungs- und Steuerungsfunktionen rein hardwaremäßig ausgeführt. Die Parametrierung des ECL erfolgt demgegenüber softwaregestützt mit einem Mikroprozessor. Der Prozessor übernimmt auch die Kommunikation mit einem übergeordneten Überwachungs- und Steuersystem, so dass mit dem ECL zusätzlich zur Kurzschluss-Schutzfunktion eines Batteriestrangs auch das „ganz normale“ Zu- und Wegschalten des zugehörenden Batteriestrangs erfolgen kann. Dieses schließt auch die Möglichkeit ein, beim Zuschalten des Batteriestrangs über den ECL parasitäre Kapazitäten eines ausgedehnten DC-Netzes und/oder die Zwischenkreiskondensatoren von Stromrichtern strombegrenzt mit hoch- bzw. vorzuladen.

Zusammenfassung

Der geringe Innenwiderstand von leistungsstarken Lithium-Ionen-Batterien hat im Fall eines Kurzschlusses im DC-Netz den Nachteil, dass in sehr kurzer Zeit sehr hohe Kurzschlussströme auftreten. Mit einer relativ einfachen Schaltung lässt sich dieses Problem lösen. Dabei wird das schnelle Schaltvermögen, das leistungselektronische Bauelemente bieten, mit der hohen Stromtragfähigkeit von Leistungswiderständen kombiniert. Eine solche Schutzeinrichtung schließt eine heute noch bestehende Sicherheitslücke in Batterie-Management-Systemen für Lithium-Ionen-Batterien großer Leistung.

Eine ausführliche Darstellung der Funktion und der Versuchsergebnisse des hier vorgestellten Kurzschluss-Strombegrenzers erfolgte in [2]. Dort findet sich auch eine Darstellung des heute verwendeten Laborversuchsstands, der mit einer leistungsstarken SuperCap-Batterie verwirklicht wurde.

Quellen

[1] N. N., HDW erprobt neuartige Batteriezellen für U-Boote auf dem Solarkatamaran „Planet Solar®“, Howaldswerke-Deutsche Werft, Pressemitteilung v. 26.02.2010

[2] Vogel, R., Elektronischer Kurzschluss-Strombegrenzer für Lithium-Ionen-Batterien großer Leistung, IZBE/VDE-Symposium Elektrische Fahrzeugantriebe und -ausrüstungen,
Dresden, 2012

Das könnte Sie auch interessieren