Kraftwerk Vöhrenbach_Bild 1
2012 Norbert Gilson
25.02.2020

Kraftwerk Vöhrenbach

Linachstraße, 78147 Vöhrenbach

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VDE Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik

Das als Eigenerzeugungsanlage der Gemeinde Vöhrenbach zu Beginn der 1920er Jahre in Jugendstil-Architektur erbaute Wasserkraftwerk an der Linach-Talsperre war bis 1969 in Betrieb und wurde damals aus Rentabilitätsgründen stillgelegt.
Auf Initiative von Bürgerinnen und Bürgern aus der Region wurde das Kraftwerk 1998, und zwar mit der in den 1940er Jahren modernisierten Maschinenausstattung, wieder in Betrieb genommen. Die Grundlage zu diesem Schritt bildete das »Erneuerbare Energien-Gesetz« (EEG), das unter anderem die Einspeisevergütungen neu regelte und dem Kraftwerksbetrieb eine finanziell solide Grundlage verschaffte.
Das Kraftwerk ist nicht nur hinsichtlich seiner Architektur und technischen Ausstattung eine bemerkenswerte Anlage, es spiegelt auch exemplarisch die Geschichte vieler Wasserkraftwerksanlagen zur Stromerzeugung wieder, die nach der großen, rentabilitätsbedingten Stilllegungswelle der 1960er und 1970er Jahre heute wieder eine Renaissance erleben.

Beschreibung

erbaut: 1922/24


Das Wasserkraftwerk Vöhrenbach wurde zusammen mit der rund 1,7 km oberhalb gelegenen Linach-Talsperre errichtet. Der Bürgerausschuss der Stadtgemeinde Vöhrenbach hatte sich im November 1921 zum Bauentschluss für die Stromerzeugungsanlage durchgerungen, um die Vöhrenbacher Industrie von den damals unsicheren Stromlieferungsverhältnissen unabhängig zu machen. Seit 1915 wurde Vöhrenbach vom Kraftwerk Laufenburg am Oberrhein über eine Fernleitung versorgt, deren Betrieb jedoch häufigen Unregelmäßigkeiten und Störungen unterworfen war, so dass der Wunsch nach einer eigenen, nahegelegenen Versorgungsquelle entstand.

Vor allem der Bau der Talsperre stellte sich für die Gemeinde, die lediglich um die 2.400 Einwohner zählte, als äußerst ehrgeiziges und letztlich kostspieliges Projekt heraus. Wegen der besonderen Talsperrenkonstruktion - die Sperrmauer gehört zum Typ der Vielfachbogen-Sperrmauern - bestanden von Anfang an Bedenken hinsichtlich ihrer Standfestigkeit, die sich erheblich verstärkten, als die ähnlich konstruierte Sperrmauer von Malpasset bei Fréjus (Südfrankreich) im Jahre 1959 brach. Daraufhin wurde der Staubetrieb 1962 reduziert und schließlich 1988 durch Ablassen des Stausees eingestellt. Das Kraftwerk wurde 1969 stillgelegt. Zur Energieversorgung schloss die Gemeinde Vöhrenbach damals einen langfristigen Stromlieferungsvertrag mit einem regionalen Energieversorgungsunternehmen ab.

Das Kraftwerk entstand als eingeschossiger Baukörper auf quadratischem Grundriss mit hohem, vierseitigen Pyramidendach (Zeltdach) im Stil der Neorenaissance. Dem Maschinen- und Transformatorenraum wurde auf der Eingangsseite ein risalitartiger, satteldachgedeckter Anbau vorgesetzt. Über eine zweiläufige Treppe und ein großes Rechteckportal gelangt man in das Innere des Maschinenraums, von dem der Transformatoren- und Schaltraum durch eine Längswand abgetrennt ist.
Die ursprüngliche maschinelle Ausstattung bestand aus drei Maschinensätzen von insgesamt 810 kVA installierter Leistung. Zwei der Aggregate waren Francis-Spiralturbinen der Firma Voith mit den entsprechenden Reglern sowie je einem Drehstrom-Generator von Maffei-Schwartzkopff (Berlin). Der dritte Maschinensatz bestand aus einer kleineren Freistrahlturbine, ebenfalls von Voith, mit 170 PS Leistung und einem Drehstrom-Generator der AEG. Der Maschinensatz lieferte ursprünglich den Baustrom für die Errichtung der Sperrmauer und wurde später zur Deckung des Eigenbedarfs verwendet. Die Generatorspannung von 230 V wurde mit Hilfe von zwei Transformatoren (500 kVA Leistung) auf 15 kV herauf transformiert und die Energie mit dieser Spannung ins Überlandnetz des Kraftwerks Laufenburg eingespeist.

Die ursprüngliche maschinelle Einrichtung des Kraftwerks wurde in den 1940er Jahren gegen drei neue Francis-Spiralturbinen ausgetauscht, die heute noch funktionstüchtig sind. Ob die bemerkenswerte Schalttafel aus grauem Marmor, mit schwarzem Eisen gerahmt und mit runden Messingarmaturen versehen, erhalten geblieben ist, ist derzeit nicht bekannt.
Auf Initiative von Bürgerinnen und Bürgern aus Vöhrenbach und Umgebung wurde die Kraftwerksanlage in den 1990er Jahren wieder reaktiviert, um einen Teil des Energiebedarfs aus der Eigenversorgung zu decken. Seit 1998 liefern die Generatoren des Kraftwerks wieder umweltfreundlichen Strom, mit dem rund 250 Haushalte versorgt werden können.

In unmittelbarer Nähe des Kraftwerks lagen ursprünglich ein zweigeschossiges Wärterwohnhaus sowie eine Transformatoren- und Schaltstation. Letzere ist - in allerdings sehr schlechtem Bauzustand - noch erhalten.

Informationsstand: 31.12.2013
Schlagworte: Elektrizitätserzeugung; Speicherwasserkraftwerke; Stromerzeugung; Energie; Energy
Stichworte: Wasserkraftwerk Vöhrenbach; Kraftwerk Laufenburg AG; Linach-Talsperre; Vielfachbogen-Sperrmauer; Francis-Spiralturbine; Francis-Turbine; Spiralturbine; J. M. Voith; Maffei-Schwartzkopff; Freistrahlturbine; AEG; Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft; regenerative Energiequellen

Quelle(n)

  • Volker Rödel, Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik in Deutschland. Bd. 1. Alte Länder, Stuttgart 1992
  • Rainer Slotta, Technische Denkmäler in der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 2. Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, Entsorgung, Bochum 1977
  • www.voehrenbach.de/linachtalsperre/linachkraftwerk (abgerufen am 18.07.2013)

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