Wasserkraftwerk Fridingen_01
2016 Norbert Gilson
07.10.2022

Wasserkraftwerk Fridingen

An der Bära, 78567 Fridingen an der Donau

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VDE Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik
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Das Wasserkraftwerk Fridingen, vermutlich das erste der öffentlichen Stromversorgung dienende Pumpspeicherkraftwerk in Deutschland, dokumentiert den vor allem im heutigen Baden-Württemberg nach dem Ersten Weltkrieg verstärkt vorgenommenen regionalen Ausbau der Wasserkräfte, bei dem eine ganze Reihe hoch entwickelter, aus Laufwasser-, Speicher- und Pumspeicheranlagen kombinierte Wasserkraftanlagen entstanden.

Beschreibung

erbaut: 1919-23
Bauherr: Gemeindeverband Überlandwerk Tuttlingen
Architekt: Wilhelm Kimmich (Stuttgart)
Ausführung: Bauunternehmen Baresel GmbH (Stuttgart)
Betreiber: EnBW Kraftwerke AG

Vor dem Orsteingang an der Straße in Richtung Tuttlingen mündet die Bära, ein kleiner, von der Schwäbischen Alb kommender Fluss, in die Donau. An dieser Stelle wurde kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs eine kleine Turbinenanlage erbaut, die das Gefälle der Bära ausnutzte. Schon während des Krieges reichte die Erzeugung der Anlage nicht aus, so dass der Gemeindeverband Überlandwerk Tuttlingen Zusatzstrom von der Kraftwerk Laufenburg AG beziehen musste. Die günstigen geografischen Gegebenheiten am Ort gaben den Anstoß für einen Ausbau der Turbinenanlage. Damit entstand das 1923 in Betrieb genommene Kraftwerk Fridingen, das zu einer der wichtigsten Stützen der Stromversorgung des Gemeindeverbands Überlandwerk Tuttlingen wurde.

Das Kraftwerk wurde von vornherein als Kombination des vorhandenen Laufwasserkraftwerks (Bära-Kraftwerk) mit einem Pumpspeicherkraftwerk konzipiert und erbaut. Auf Foto 5 erkennt man links den Teil des Bära-Kraftwerks mit dem inzwischen außer Betrieb befindlichen Zuführungskanal von der Bära. Der rechte Gebäudeteil beinhaltete die Maschinensätze für die Pumpspeicheranlage. Auf der Höhe oberhalb des Bahnhofs Fridingen, ganz in der Nähe des Kraftwerks, wurde ein Speicherbecken mit 32.000 cbm nutzbarem Inhalt angelegt, von dem aus das Wasser über eine 530 m lange Druckrohrleitung dem Maschinenhaus zugeführt wurde. In der Hochdruckanlage des Kraftwerks wurden drei von Escher, Wyss & Cie. gebaute Zwillings-Freistrahlturbinen (Pelton-Turbinen) mit je 4 Düsen aufgestellt, die bei 164 m Gefälle je 750 PS leisteten. Mit den Freistrahlturbinen direkt gekuppelt war je ein Drehstromerzeuger von 500 kW Leistung der Mannheimer Brown, Boveri & Cie. (BBC). Diese Maschinen konnten sowohl als Generatoren wie als Synchronmotoren betrieben werden. In diesem Falle dienten sie zum Antrieb der ebenfalls direkt gekuppelten dreistufigen Hochdruckturbopumpen, wiederum von  Escher, Wyss & Cie., die eine Fördermenge von 200 l/s erbringen konnten. Das Wasser für die Auffüllung des Speichers konnte sowohl dem Oberwasser als auch dem Unterwasser der Bära sowie dem Donau-Oberwasser entnommen werden.

Ursprünglich war es der Hauptzweck der Pumpspeicheranlage, die nachts zur Verfügung stehende Leistung der Kraftwerk Laufenburg AG in die dringend benötigte, aber nicht lieferbare Tagesenergie umzuwandeln. Zugleich konnte damit die ebenfalls dringend notwendige Momentanreserve geschaffen werden, um bei Störungen in den Laufenburger Anlagen den Betrieb weiterführen zu können. Heute ist das Pumpspeicherkraftwerk, das vermutlich erste dieser Art für die öffentliche Stromversorgung in Deutschland, nicht mehr in Betrieb.

Weiterhin aktiv ist das Niederdruckkraftwerk (Laufwasserkraftwerk), dessen Betriebswasser der durch eine Wehranlage (Fotos 6 und 7) aufgestauten Donau entnommen wird. Durch den Oberkanal (Foto 2) wird das Wasser den drei Turbinen zugeleitet, die sich 11,50 m unterhalb des Flurs der ehemaligen Hochdruckmaschinen befinden und eine Nennfallhöhe von 16,17 m ausnutzen können. Nach Arbeitsleistung gelangt das Wasser in einen 1,4 km langen Stollen, durch den es wieder der Donau zugeführt wird. 1923 wurden zunächst zwei Francis-Turbinen mit vertikaler Welle von Escher, Wyss & Cie. installiert, eine Zwillingsspiralturbine und eine Doppelspiralturbine von je 750 PS. Um 1990 verfügte das Kraftwerk über drei Zwillingsturbinen mit einer Gesamtleistung von 1,2 MW. Die jährliche Energieerzeugung betrug 4,5 Mio. kWh.

Auch der Gemeindeverband Überlandwerk Tuttlingen ging 1939 in der Energie-Versorgung Schwaben AG auf, die damit auch das Wasserkraftwerk Fridingen übernahm. Die damals installierte Generatorenleistung von 1.650 kW der Hochdruckanlage und von rund 1.000 kW des Donau-Flusskraftwerks hob das Kraftwerk Fridingen in seiner Bedeutung noch über die Laufwasserkraftwerke am Neckar der Landeshauptstadt Stuttgart empor. Heute wird es von der EnBW Kraftwerke AG betrieben. 2012 teilte die EnBW auf ihrer Website die Absicht mit, das Wasserkraftwerk umfangreich zu modernisieren und auszubauen.
 
Informationsstand: 02.11.2016
Schlagworte: Elektrizitätserzeugung; Laufwasserkraftwerke; Pumpspeicherkraftwerke; Stromerzeugung; Energie; Energy
Stichworte: Gemeindeverband Überlandwerk Tuttlingen; EnBW Kraftwerke AG; Wilhelm Kimmich; Baresel GmbH; Kraftwerk Laufenburg AG; Bära; Donau; Erster Weltkrieg; Zusatzstrom; Speicherbecken; Druckrohrleitung; Hochdruckanlage; Escher, Wyss & Cie.; Zwillings-Freistrahlturbine; Pelton-Turbine; Brown, Boveri & Cie.; BBC; Generator; Synchronmotor; Hochdruckturbopumpe; Niederdruckkraftwerk; Wehranlage; Francis-Turbine; Zwillingsspiralturbine; Doppelspiralturbine; Zwillingsturbine; Energie-Versorgung Schwaben AG; EVS; Bära-Kraftwerk

Quelle(n)

  • Informationszentrale der Elektrizitätswirtschaft e.V. (Hrsg.), Zwischen Alb und Bodensee. Blatt West. (TechnikTouren, Nr. 4), Frankfurt am Main 1990
  • A. Maas, Hydraulische Hochspeicherkraftwerke; in: Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure 68(1924), Heft 45, S. 1161-1167; Heft 46, S. 1195-1199
  • Wolfgang Leiner, Geschichte der Elektrizitätswirtschaft in Württemberg. Bd. 2,1. Die Zeit der Vollabdeckung (1896 - 1915), Stuttgart 1985
  • Karl Erich Haeberle, Stuttgart und die Elektrizität. Geschichte der Stuttgarter Elektrizitäts-und Fernwärmeversorgung, Stuttgart 1983
  • Informationstafel am Objekt

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