Das Illerkraftwerk II in Tannheim dokumentiert zusammen mit den anderen beiden in den 1920er Jahren errichteten Illerkraftwerken die Entwicklung der württembergischen Elektrizitätswirtschaft und der Tätigkeit des Bezirksverbandes Oberschwäbische Elektrizitätswerke zu dieser Zeit, der vornehmlich auf den Ausbau regionaler Wasserkräfte zur Sicherstellung seiner Stromerzeugung setzte.
Beschreibung
erbaut: 1921-23
Bauherr: Bezirksverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke
Betreiber: EnBW Kraftwerke AG
Kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs begann die Erschließung der Iller, des von der Wasserführung her bedeutendsten Flusses Württembergs, für die Stromerzeugung. Während der Schneeschmelze und bei Hochwasser kann der Fluss bis zu 900 cbm/s Wasser führen. Zu solchen Zeiten sind die Wehre rund um die Uhr besetzt. Im Durchschnitt liegt die Wasserführung bei 60 cbm/s.
Das Kraftwerk Tannheim ist das älteste der fünf in „württembergischer Regie” erbauten Illerkraftwerke und das erste der unterhalb der Wehranlage Mooshausen am Illerkanal gelegenen Kanalkraftwerke. Das Krafthaus (Fotos 1 und 2) liegt quer zum Kanal. An das Krafthaus schließt sich im rechten Winkel das parallel zum Illerkanal gelegene Schalthaus (Fotos 3 und 4) an. Das Kraftwerk kann ein Gefälle von knapp 16 m ausnutzen. 1923 ging das Kraftwerk mit drei von Escher, Wyss & Cie. gelieferten, vertikal eingebauten Francis-Turbinen (Einrad-Schnellläufer) von in Betrieb. Jede der Turbinen leistete 4.160 PS. Die Turbinen sind mit den über ihnen stehenden vertikalen Generatoren (3.500 kVA, cos phi = 0,75) der Siemens-Schuckertwerke GmbH (SSW) direkt gekuppelt. Wenige Jahre nach Inbetriebnahme, 1930, wurde die Ausstattung um eine Kaplan-Turbine ergänzt. Mit diesen heute weiterhin in Betrieb befindlichen Maschinen sowie den zugehörigen Generatoren verfügt Tannheim über eine installierte Leistung von 12,3 MW, mit der jährlich rund 57,5 Mio. kWh elektrische Energie erzeugt werden.
Die in den Generatoren erzeugte Drehstromspannung von normalerweise 5.000 V (regelbar von 4.900 bis 5.600 V) wurde mit Hilfe von drei Transformatoren, ebenfalls von SSW, auf 55 kV Fernleitungsspannung transformiert. Die Fernleitungsabgänge vom Schalthaus sind heute nicht mehr vorhanden, die ehemaligen Leitungsdurchführungen aber noch gut erkennbar (Foto 3). Ursprünglich war das Kraftwerk Tannheim über die 55-kV-Freileitungen mit den Umspannwerken der OEW in Trochtelfingen, Herbertingen, Biberach und Ravensburg verbunden, in denen die Spannung auf die Verteilungsspannung von 15 kV herunter transformiert wurde. Eine 15-kV-Freileitung geht heute noch vom Kraftwerk aus (Foto 5).
Ebenso wie die übrigen Illerkraftwerke wurde auch das Kraftwerk Tannheim für den so genannten »Schwellbetrieb« eingerichtet. Dazu wird der Illerkanal oberhalb des Kraftwerks zu einem größeren Stausee erweitert. Dadurch besteht die Möglichkeit einer kurzzeitigen Wasserspeicherung. So konnte die Stromerzeugung in lastschwachen Zeiten, noch bis in die 1970er Jahre vor allem nachts, gedrosselt werden und das gespeicherte Wasser zu den täglichen Spitzenzeiten - morgens und am frühen Abend - abgearbeitet werden. Seit 1985 wird diese Möglichkeit der Anpassung der Erzeugung an regionale Verbrauchsschwankungen durch die Kraftwerke der Region nicht mehr genutzt, sondern die wechselnden Bedarfsanforderungen werden aus dem Verbundnetz gedeckt.
Das vom Bezirksverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke als Illerkraftwerk II errichtete Kraftwerk Tannheim ging mit dem Zusammenschluss der württembergischen Elektrizitätsversorgungsunternehmen 1939 auf die Energie-Versorgung Schwaben AG (EVS) über. Nach der Fusion von EVS und Badenwerk AG (1997) zur EnBW Energie Baden-Württemberg AG wird das Kraftwerk heute von deren Tochtergesellschaft EnBW Kraftwerke AG betrieben.
Vor dem Schalthaus sind zwei Turbinenteile, das Laufrad einer Francis-Turbine und der Propeller einer Kaplan-Turbine, aufgestellt (Foto 6).
Informationsstand: 02.11.2016
Schlagworte: Elektrizitätserzeugung; Laufwasserkraftwerke; Stromerzeugung; Energie; Energy
Stichworte: Bezirksverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke; Energie-Versorgung Schwaben AG; EVS; EnBW Kraftwerke AG; EnBW Energie Baden-Württemberg AG; Badenwerk AG; Erster Weltkrieg; Iller; Illerkraftwerk; Wehranlage Mooshausen; Illerkanal; Kanalkraftwerk; Francis-Turbine; Kaplan-Turbine; Schwellbetrieb; Stausee; Spitzenlast; Verbrauchsschwankung; Illerkraftwerk II; Escher, Wyss & Cie.; Einrad-Schnellläufer; Siemens-Schuckertwerke GmbH; SSW; Fernleitungsspannung; Schalthaus; 55-kV-Freileitung; Umspannwerk Trochtelfingen; Umspannwerk Herbertingen; Umspannwerk Biberach; Umspannwerk Ravensburg; Verteilungsspannung
Quelle(n)
- Wolfgang Leiner, Geschichte der Elektrizitätswirtschaft in Württemberg. Bd. 2,2. Der Weg zur Großwirtschaft (1916 - 1945), Stuttgart 1985
- Informationszentrale der Elektrizitätswirtschaft e.V. (Hrsg.), Zwischen Alb und Bodensee. Blatt Ost. (TechnikTouren, Nr. 3), Frankfurt am Main 1990
- Inbetriebnahme der drei Illerkraftwerke des Bezirksverbandes Oberschwäbische Elektrizitätswerke; in: Elektrotechnische Zeitschrift 49(1928), Heft 36, S. 1337
- M. Lechler, Das Illerkraftwerk Tannheim der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke Biberach a. Riß; in: Siemens-Zeitschrift 5(1925), Heft 3, S. 108-116
- Hinweistafel am Objekt