Die Geschichte des ursprünglich 1930 von Max Grundig gegründeten Unternehmens, das in den 1960er Jahren zum europaweit größten Radio- und Fernsehgeräteproduzenten wurde, spiegelt die wechselvolle Geschichte der Unterhaltungselektronik-Industrie wieder, die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg boomartig expandierte und seit den 1980er Jahren einen ebenso radikalen Prozess des Niedergangs durchmachte.
Beschreibung
erbaut: ab 1948
Planung und Ausführung: Heinrich Rauh / Alfred Hierer
Im November 1930 eröffnete Max Grundig, damals 22 Jahre alt, zusammen mit einem Partner, Karl Wurzer, in Fürth einen Radioladen unter dem Namen Radio-Vertrieb Fürth, Grundig & Wurzer (RVF). Im Alter von 14 Jahren hatte Grundig eine kaufmännische Lehre begonnen, in seiner Freizeit galt sein Interesse dem Basteln von Radios, einem Hobby, das er damals mit vielen technikbegeisterten Jugendlichen teilte. Der Radiohandel verlief sehr erfolgreich und im Juni 1934 erfolgte ein Umzug in größere Räumlichkeiten. Der Teilhaber Karl Wurzer wurde ausbezahlt. Zusätzlich zum Verkauf begann Grundig mit der Reparatur der damals vielfach noch sehr teuren Radioapparate und richtete eine Spulenwickelei für den Bau von Kleintransformatoren für Radiogeräte ein. Dies war ein lukratives Geschäft, da wegen der unterschiedlichen Stromarten in Nürnberg und Fürth - Gleich- und Wechselstrom - die Transformatoren öfter zerstört wurden. Bereits 1938 war er mit seinem Radiogeschäft Umsatzmillionär.
In den ersten Kriegsjahren setzte Grundig seine Transformatorenproduktion in einem Fürther Vorort in angemieteten Räumen von Wirtshäusern im größeren Maßstab fort. 1941 wurde er zwar zur Wehrmacht eingezogen, jedoch - Legende oder nicht - aufgrund seiner Möglichkeiten, Vorgesetzte mit Radioapparaten zu versorgen, „uk” gestellt, so dass er seine Firma bis Kriegsende weiter leiten konnte. Nach Kriegsende blieben seine Lager und Werkstätten vor Beschlagnahme oder Plünderungen verschont und schon im Juni 1945 mietete Grundig das Gebäude einer ehemaligen Spielwarenfabrik an. Nun wurde auch die Produktion von zwei Messgeräten aufgenommen: das Röhrenprüfgerät »Tubatest« und das Fehlersuchgerät »Novatest«. Im November 1945 erhielt sein Unternehmen, die RVF, die Gewerbelizenz und im Dezember hatte Grundig 42 Angestellte.
Im April 1946 begann Grundig mit der eigenen Produktion von Radios. Das erste Gerät trug den legendären Namen »Heinzelmann«. Es konnte nur als Bausatz erworben werden, da die Herstellung gebrauchsfertiger Rundfunkgeräte von der Besatzungsmacht noch untersagt war. Mit dem massenhaften Verkauf des »Heinzelmanns« schuf Grundig die Grundlage für den künftigen wirtschaftlichen Erfolg seines Unternehmens, das seit August 1946 als RVF - Elektrotechnische Fabrik firmierte. Nachdem Grundig Anfang 1947 von der Stadt Fürth den ehemaligen Kurpark des »König-Ludwig-Bades« erworben hatte, begannen dort kurze Zeit später die Bauarbeiten für den späteren Stammsitz der Firma, die im Dezember 1948 in Grundig Radio-Werke GmbH umbenannt wurde. Die Neubauten, unter anderem des im November 1948 begonnenen Verwaltungs- und Direktionsgebäudes in der Fürther Kurgartenstraße (Foto 1), wurden von der werkseigenen Bauabteilung unter den Bauingenieuren Heinrich Rauh und Alfred Hierer geplant und ausgeführt.
Seit dem Frühjahr 1948 produzierte Grundig auch hochwertige Rundfunkgeräte, wie das Superhet-Radio »Weltklang«, und im Frühjahr 1949 verließ bereits der 100.000ste Radioapparat das Werk. Im selben Jahr errichtete Grundig einen UKW-Versuchssender, um sich auf die Einführung der Rundfunkausstrahlung auf Ultrakurzwelle vorzubereiten, die im März 1950 in den westdeutschen Rundfunkanstalten eingeführt wurde. In diesem Jahr ließ Max Grundig in seinem Direktionsgebäude auch einen eigenen Fernsehsender einrichten, von dem aus die ersten öffentlichen Fernsehsendungen der Bundesrepublik ausgestrahlt wurden. So konnte Grundig 1951 schon 94 Fernsehgeräte absetzen. Zusätzlich begann in diesem Jahr auch die Produktion von Tonbandgeräten. Damit begann eine beispiellose Expansion des Unternehmens, das 1960 mehr als 16.000 Beschäftigte hatte. Grundig wurde zum größten Radio- und Fernsehhersteller Europas und zum größten Tonbandgeräteproduzenten weltweit.
Bereits Mitte der 1960er Jahre zeichnete sich wachsende Konkurrenz und das Ende des Booms bei Grundig ab. Nachdem Philips 1964 den ersten Kassettenrecorder mit der Compact-Cassette auf den Markt gebracht hatte, konterte Marktführer Grundig mit einem eigenen System, das sich jedoch nicht durchsetzen konnte. Nach der Einführung des Farbfernsehens 1967 drängte vor allem die japanische Konkurrenz mit preisgünstigen Geräten auf den europäischen und deutschen Markt. 1969 brachten Grundig und Philips gemeinsam den ersten Videorecorder für Heimgeräte auf den Markt. Anlässlich der Olympischen Spiele in München 1972 schnellten die Verkaufszahlen von Fernsehgeräten weiter in die Höhe. 1979 erreichte das seit 1972 als Grundig AG firmierende Unternehmen mit 38.460 Beschäftigten weltweit, 31 Werken, neun Niederlassungen mit 20 Filialen und drei Werksvertretungen, acht Vertriebsgesellschaften und weltweit 200 Exportvertretungen den Höhepunkt seiner Entwicklung. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich durch einen Aktientausch bereits Philips mit 24,5% des Aktienbesitzes an der Grundig AG beteiligt, während Grundig mit einem Anteil von 6% größter Einzelaktionäre von Philips war. Nach einer Erhöhung des Aktienanteils übernahm im April 1984 Philips die unternehmerische Leitung der Grundig AG. Nicht ganz freiwillig verließ Max Grundig seine Firma gegen die Zusicherung einer ertragsunabhängigen jährlichen Abfindung. Er widmete sich dem Ausbau seines inzwischen erworbenen Hotelbesitzes, erwarb 1986 das in finanzielle Schwierigkeiten geratene Luxushotel »Bühlerhöhe« im Nordschwarzwald und ließ es aufwendig sanieren. 1989 starb Max Grundig im Alter von 81 Jahren.
In den 1990er Jahren erfolgte ein rapider Niedergang der Firma. 1998 verkaufte Philips seine Anteile an ein Konsortium aus Banken und Versicherungen unter Führung von Anton Kathrein, dem persönlich haftenden Gesellschafter des Antennenbauers Kathrein Werke KG. Doch die Verluste ließen sich nicht stoppen so dass die Grundig AG zum 1. April 2003 Insolvenz anmelden musste. Die Nachfolge übernahm eine türkische Unternehmensgruppe aus der Unterhaltungselektroniksparte. 2008 wurde der zuletzt noch in Nürnberg arbeitende Entwicklungsbereich und damit der letzte Standort der einstmals europaweit größten Rundfunkfirma geschlossen.
Von den in den späten 1940er und in den 1950er Jahren errichteten Bauten blieb das ehemalige Verwaltungs- und Direktionsgebäude weitgehend unverändert erhalten. Hier zog 2001 das »Rundfunkmuseum der Stadt Fürth« ein. Die übrigen Gebäude wurden teilweise, nach Umbau und Modernisierung, in einen neu entstandenen Gewerbe- und Wohnpark, die »Uferstadt Fürth«, am Ufer der Pegnitz integriert.
Informationsstand: 28.03.2017
Schlagworte: Elektroindustrie; Geschichte der Elektro- und Informationstechnik; Informations- und Kommunikationstechnik (IKT); Nachrichten- und Kommunikationstechnik
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Quelle(n)
- Karin Falkenberg, Radios „Made in Germany”. Die Firmen- und Lebensgeschichte von Max Grundig; in: Das Archiv. Magazin für Kommunikationsgeschichte, 4/2011, S. 75-79
- Georg Schöllhorn (Red.), Elektrotechnik in Nordbayern. Eine Dokumentation. 75 Jahre VDE-Bezirksverein Nordbayern e.V., Nürnberg 1986
- Walter Henn, Bauten der Industrie. Band 2. Ein internationaler Querschnitt, München 1955
- Stadt Fürth (Hrsg.), Fürth 1946 - 1955. Wiederaufbau eines Gemeinwesens. Entwicklung zur Großstadt, Fürth 1956, S. 174 (Foto)