Für fast acht Jahrzehnte war das Umspannwerk Karlsfeld nicht nur eine große Schaltzentrale, sondern auch die Zentralverteilung (ZV) der Bayernwerk AG und damit die Lastverteilungsstelle im Südosten des deutschen Verbundnetzes. In diesem Bereich war die Bayernwerk AG das zuständige Verbundunternehmen. Nachdem sich mit der Fusion von Bayernwerk AG und PreussenElektra auch die Zuständigkeiten im deutschen Verbundnetz geändert hatten, wurde die Netzleitstelle in Karlsfeld nicht mehr benötigt. Mit dem Abriss zu Beginn dieses Jahrhunderts ging diese Geschichte zu Ende.
Beschreibung
erbaut: 1922-24
Bauherr: Bayernwerk AG
In den Jahren 1920 bis 1924 erfolgte der Aufbau des 110-kV-Freileitungsnetzes für die von Oskar von Miller initiierte und geplante Landeselektrizitätsversorgung Bayerns mit Strom aus dem Walchenseekraftwerk. Unter den dabei errichteten zehn 110-kV-Umspannwerken erlangte das Umspannwerk Karlsfeld bei München durch die Verbindung mit dem Walchenseekraftwerk und den Kraftwerken der Mittleren Isar AG besondere Bedeutung. Als am 26. Januar 1924 der Betrieb des 110-kV-Landesnetzes der Bayernwerk AG durch Aufnahme der Belieferung der Nürnberger Großkraftwerk Franken AG mit Energie aus dem Walchenseekraftwerk begann, lief die Energielieferung über den bedeutenden 110-kV-Netzknoten des Umspannwerks Karlsfeld. Hier war auch die Zentralverteilungsstelle (ZV) des Bayernwerks eingerichtet worden. Diese Netzkommandostelle lenkte den Stromfluss im gesamten bayerischen 110-kV-Netz und steuerte auch den Kraftwerkseinsatz. Über viele Jahrzehnte war Karlsfeld der Standort nicht nur für ein wichtiges Umspannwerk, sondern ebenfalls für die zentrale Lastverteilung der Bayernwerk AG.
Mit dem Ausbau des Höchstspannungsnetzes auf der 220-kV- beziehungsweise 380-kV-Ebene sowie aufgrund der Unternehmensumstrukturierungen der Bayernwerk AG und der im Bayernwerk-Verbund stehenden Elektrizitätsversorgungsunternehmen in den 1990er Jahren hat sowohl das 110-kV-Umspannwerk als auch die zentrale Lastverteilung in Karlsfeld an Bedeutung verloren. Der Betrieb wurde daher Anfang dieses Jahrhunderts stillgelegt. Die Aufgaben erledigen heute für das 220-kV- und 380-kV-Höchstspannungsnetz der Übertragungsnetzbetreiber Tennet TSO GmbH und für das 110-kV-Netz der regionale Netzbetreiber Bayernwerk Netz GmbH.
Die Gemeinde Karlsfeld überplante das ehemalige Bayernwerksgelände und erstellte 2007 einen Bebauungsplan für den neuen Ortsteil Karlsfeld-West mit Wohnbebauung und Sondernutzung. Die Bebauung des neuen Ortsteils ist heute weitestgehend abgeschlossen. Vom ehemals bedeutenden Umspannwerk blieb in Karlsfeld nur ein Straßenname für eine Straße entlang des neuen Baugebiets.
Informationsstand: 10.02.2018
Schlagworte: Elektrizitätsübertragung / -verteilung; Umspannwerk / Umspannanlage; Energy; Energie; Energienetze
Stichworte: Bayernwerk AG; 110-kV-Freileitungsnetz; Oskar von Miller; Landeselektrizitätsversorgung; Bayern; Walchenseekraftwerk; 110-kV-Umspannwerk; Karlsfeld; Mittlere Isar AG; Großkraftwerk Franken AG; Zentrallastverteilung; Netzkommandostelle; Lastverteilung; Höchstspannungsnetz; Tennet TSO GmbH; Bayernwerk Netz GmbH; Bebauungsplan; Ortsteil Karlsfeld-West
Quelle(n)
- Bernhard Thiem (VDE-Südbayern)
- Clemens Zell, Das Bayernwerk; in: Elektrotechnische Zeitschrift 39(1918), Heft 37, S. 361-363
- August Menge, Das Bayernwerk und seine Kraftquellen, Berlin 1925
- Siegfried Kurzmann / Adolf Roth, 30 Jahre Bayernwerk AG. Bayerische Landeselektrizitätsversorgung 1921 - 1951, München 1951
- Christian Jaletzke [u.a.], 75 Jahre Bayernwerk AG, o.O. 1996