Deutsche Glasglühlicht AG_Bild 4
2012 Norbert Gilson
04.06.2020

Deutsche Gasglühlicht AG

Ehrenbergstraße 17-18, 19-23, 10245 Berlin-Friedrichshain

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VDE Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik
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Die Errichtung der unmittelbar südöstlich des S-Bahnhofs »Warschauer Straße« gelegenen Bauten für die Deutsche Gasglühlicht AG (DGAG) fiel in die Zeit der zunehmenden Konkurrenz zwischen Gaslicht und elektrischer Beleuchtung. Die Bauten dokumentieren die Wandlung der DGAG vom Glühkörper-Produzenten für die Gasbeleuchtung hin zum Hersteller von elektrischen Metallfadenlampen, die nach dem Ersten Weltkrieg schließlich in der Beteiligung an der Gründung von  Osram mündete.

Beschreibung


erbaut: 1905-06 / 1907-09 / 1913-14
Architekten: Wilhelm Walther / Theodor Kampffmeyer / Hermann Dernburg

Die Gründung der Deutschen Gasglühlicht-Aktiengesellschaft (DGAG) im Jahre 1892 erfolgte unter maßgeblicher Beteiligung von Carl Freiherr Auer von Welsbach (1858-1929) und des Bankhauses  Koppel & Co. des Bankiers Leopold Koppel. Als promovierter Chemiker hatte Auer von Welsbach entdeckt, dass Thorium die Leuchtkraft des Bunsenbrenners verstärkte, und daraufhin den nach ihn benannten »Auerstrumpf«, ein Gewebe aus Thoriumoxid und Cer, entwickelt. Mit dieser Erfindung konnte bei dem damals verwendeten Gaslicht eine Einsparung von bis zu 60% erzielt werden. Dies verlieh dem Gaslicht noch einmal für kurze Zeit eine Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem gerade aufkommenden elektrischen Glühlampenlicht. Ein großer Erfolg war es, als der Magistrat der Stadt Berlin Ende 1895 die Einführung des Auer-Glühkörpers bei der städtischen Straßenbeleuchtung beschloss und 1986 zudem die Preußische Eisenbahngesellschaft Versuche aufnahm, um das Auer-Gasglühlicht als Eisenbahnwaggon-Beleuchtung einzusetzen.

1905 gliederte sich die DGAG mehrere Berliner Glühkörperfabriken an. Die Produktionsstätten lagen in Berlin verstreut, unter anderem in der Alten Jakobstraße und im »Industriepalast«, einer Geschossfabrik in der Warschauer Straße. Um die Produktion zu konzentrieren, legte das Unternehmen auf dem Areal des 1893 stillgelegten Wasserwerks vor dem Stralauer Tor (in der Nähe der Warschauer Brücke) den Grundstein für den Aufbau eines neuen Fabrikkomplexes. Von dem Architekten Wilhelm Walther entworfen, konnte 1906 ein fünfstöckiges Fabrik- und Verwaltungsgebäude mit vier Innenhöfen im Karree zwischen Ehrenberg-, Rother- und Naglerstraße (Fotos 1 bis 3) in Betrieb genommen werden.

Hier wurde auch die Produktion der neuartigen Metallfaden-Glühlampen untergebracht. Kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert hatte Auer von Welsbach mit der Suche nach geeigneten Stoffen zur Herstellung von metallischen Glühfäden für elektrische Glühlampen begonnen und damit auch das Gebiet der Elektrotechnik betreten. Aus seinen Experimenten ging die Entwicklung der Osmium-Metallfadenlampe hervor, die seit 1902 als erste brauchbare Metallfadenlampe hergestellt wurde. Allerdings wurde dieser Lampentyp bereits nach wenigen Jahren von den Glühlampen mit Tantal- und Wolframfäden abgelöst.

Bereits ein Jahr nach Fertigstellung des ersten Produktionsgebäudes erhielt der Architekt Theodor Kampffmeyer 1907 den Auftrag, zwei weitere Fertigungsstätten zu errichten. Das zwei Innenhöfe umschließende Gebäude an  Naglerstraße / Rotherstraße / Warschauer Platz ist als Stahlskelettbau mit Backsteinverkleidung ausgeführt. Sein Erscheinungsbild bestimmen dekorative Wandvorlagen, aufwändig gestaltete Portale, die Fassadengliederung durch Wandpfeiler und die Fledermausgauben des Walmdachs. Zum Warschauer Platz hin (Ecke Rotherstraße), der die Verkehrsanbindung zu U- und S-Bahn herstellt, zeichnet sich das Gebäude durch einen turmartig überhöhten Eckrisalit mit Bogendachhaube aus. (Fotos 4 bis 9) Der zweite Neubau wurde an der Ecke Ehrenbergstraße / Rotherstraße platziert. (Fotos 10 bis 14)

Die Glühlampen-Abteilung der DGAG entwickelte sich mehr und mehr zum Träger des Hauptgeschäftes. 1909 brachte das Unternehmen einen neuen Beleuchtungskörper auf den Markt, dessen Glühfäden aus Osmium und Wolfram bestanden. Der Vertrieb dieser Glühlampen fand unter dem 1906 eingetragenen Warenzeichen »OSRAM« (einer Wortzusammensetzung aus Osmium und Wolfram) statt. Der Erfolg dieses preisgünstigen Produktes leitete eine neue Expansionsphase ein. 1910 wurde der Architekt Hermann Dernburg mit der Planung eines gesonderten Verwaltungsgebäudes beauftragt, das in den Jahren 1913/14 realisiert wurde.

Das an Ehrenberg-, Rother- und Rudolfstraße gelegene Gebäude besitzt zwei große und vier kleinere Innenhöfe und wird durch fünf Treppenhäuser erschlossen. Das Haupteingangsportal befindet sich auf der Ehrenbergstraße (Foto 17). Charakteristische Elemente der Fassade des Skelettbaus sind ein Gurtgesims aus Naturstein und die verklinkerten Wandvorlagen und Pilaster im oberen Teil. Der gleichmäßigen Aufteilung in fünf Geschosse wird dadurch im Erscheinungsbild eine zweistöckige Monumentalfassade überlagert. Das ursprünglich vorhandene, im Zweiten Weltkrieg zerstörte Walmdach wurde in den 1950er Jahren zunächst durch ein flach gedecktes Obergeschoss ersetzt, das später zum heutigen Dachaufbau umgestaltet wurde. (Fotos 15 bis 18)

Mit der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG), dem führenden Glühlampenhersteller in Europa, sowie mit der US-amerikanischen General Electric Company (GE) hatte die Deutsche Gasglühlicht-AG bereits von Anfang an zwei starke Konkurrenten. Sie hatten sich ebenfalls mit umfangreichen Entwicklungsarbeiten an der Metallfadenlampe beschäftigt, die als den Kohlefaden-Glühlampen und Kohlestift-Bodenlampen überlegen galt. Seit 1909 zeichnete sich eine Zusammenarbeit auf diesem Sektor ab, als die DGAG und die GE einen Patenaustauschvertrag abschlossen. Da auch die AEG und  Siemens in Kontakt mit der GE standen, vereinbarten die vier Unternehmen im März 1911 eine Patentinteressengemeinschaft. Federführend dabei war die AEG. Die Interessengemeinschaft hatte den Zweck, die Patente der Firmen wirkungsvoll zu verteidigen und anderen Glühlampenfirmen Lizenzen zu erteilen. Nach dem Ersten Weltkrieg mündete diese Zusammenarbeit unter den deutschen Herstellern in die Gründung der Osram GmbH.

Aus den nicht in die Osram GmbH eingebrachten Unternehmensteilen der Deutschen Gasglühlicht-AG entstand Ende 1923 die Deutsche Gasglühlicht-Auer-Gesellschaft mbH (Degea), die ihr Domizil weiterhin - jetzt bei Osram zur Miete - in dem Gebäudekomplex rund um Rotherstraße, Naglerstraße und Ehrenbergstraße hatte.

Informationsstand: 31.12.2014
Schlagworte: Elektroindustrie; Geschichte der Elektro- und Informationstechnik; Gebäudetechnik + Hausgeräte + SmartDevices; Lichttechnik und Beleuchtung
Stichworte: Deutsche Gasglühlicht AG; Deutsche Gasglühlicht AG; DGAG; Carl Freiherr Auer von Welsbach; Auerstrumpf; Osmiumlampe; Osmiumlampe; Metallfadenlampe; AEG; Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft; Tantallampe; Wolframlampe; Osram; Siemens & Halske; Osram GmbH; Deutsche Gasglühlicht-Auer-Gesellschaft mbH; Degea; Wilhelm Walther; Theodor Kampffmeyer; Hermann Dernburg; Straßenbeleuchtung; Eisenbahnwaggon-Beleuchtung; General Electric Co.; GE 

Quelle(n)

  • Erich Schmidt / Erich A. Kube (Bearb.), Geschichte der Auergesellschaft von der Gründung im Jahre 1892 bis zum Jahre 1958. Als Manuskript gedruckt, o.O. 1958
  • Volker Rödel, Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik in Deutschland. Bd. 2. Neue Länder - Berlin, Stuttgart 1998
  • Landesdenkmalamt Berlin, Denkmalliste Berlin (Stand: 16.04.2013), Nr. 09095123, 09095124, 09095125, 09095126 

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