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2013 Norbert Gilson
18.08.2020

GEMA

Wendenschlossstraße 142-154, 12557 Berlin-Köpenick

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VDE Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik
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Die mit erheblicher Unterstützung der Kriegsmarine zunächst zum Entwicklungsbetrieb, seit 1937 dann auch zur Produktionsfirma ausgebaute Gesellschaft für elektroakustische und mechanische Apparate mbH (GEMA) war das deutsche Pionierunternehmen auf dem Gebiet der Radartechnik (Funkmesstechnik). Für Marine und Luftwaffe wurden bis Anfang 1945 an der Köpenicker Wendenschloßstraße zahlreiche funktechnische Geräte für die Schiffs- und Flugzeugortung sowie -navigation entwickelt und produziert.

Beschreibung


erbaut: 1938-40

Die Gesellschaft für elektroakustische und mechanische Apparate mbH (GEMA) ging aus der Firma  Tonographie, einem bekannten Berliner Tonstudio, hervor. Dieses war Ende der 1920er Jahre auf die beiden Studenten und Tüftler Paul-Günther Erbslöh (1905-2002) und Hans-Karl von Willisen (1906-1966) aufmerksam geworden, die als Radio- und Funkenthusiasten in einer kleinen Charlottenburger Werkstatt an der Entwicklung eines elektrischen "Schreibers" für Wachsplatten, den Matrizen für die Schallplattenproduktion, arbeiteten. Die beiden Erfinder hatten gute Kontakte nicht nur zu Schallplattenproduzenten, sondern auch zu verschiedenen Wissenschaftlern der Hochfrequenztechnik am Reichspostzentralamt und am Heinrich-Hertz-Institut für Schwingungsforschung sowie zum Rektor der Musikhochschule in Charlottenburg, so dass ihre Entwicklungsarbeiten weite Kreise zogen.

1931 erwarben die beiden Tüftler die Firma Tonographie und finanzierten ihre Selbständigkeit mit Lohnaufnahmen für namhafte Schallplattenfirmen, aber auch mit der Herstellung von Reklameplatten oder von Werbeplatten mit Wahlreden der Parteien. Ende 1932 bekamen Erbslöh und von Willisen durch Vermittlung eines befreundeten Wissenschaftlers Kontakt zur Nachrichtenmittelversuchsanstalt (NVA) der Marine in Kiel. Für die Ortung von U-Booten mittels Wasserschall (Sonar) war hier der Gruppenleiter Akustik, Dr. Rudolf Kühnhold, auf der Suche nach einem Schallgenerator, der Schallimpulse von 10 bis 20 kHz mit einer Leistung im Kilowatt-Bereich abgeben konnte. Nachdem Kühnhold kurze Zeit später zum wissenschaftlichen Leiter der NVA avanciert war, erteilte er Tonographie den Auftrag zur Entwicklung des Schallimpulsgenerators. Das Gerät wurde Mitte 1933 vorgeführt und auf Anhieb abgenommen.

In seinem Entwicklungskonzept für die funktechnische Ausrüstung der Marine sah Kühnhold auch den Einsatz von Funkwellen für die aktive Ortung von Schiffen vor. Kühnhold führte darüber verschiedene Gespräche mit Fachleuten, die ihm allerdings wenig Hoffnung machten, dass sich in naher Zukunft brauchbare Sendegeräte im Zentimeterwellenbereich mit hoher Sendeleistung und starker Bündelung für diesen Zweck entwickeln ließen. Aufgrund seiner guten Kontakte erfuhr Willisen im November 1933 von der Entwicklung der Magnetronröhre bei Philips im niederländischen Eindhoven. Auf Umwegen beschaffte er einige Prototypen der neuartigen Senderöhre. Mit finanzieller Unterstützung der  Torpedoversuchsanstalt konnten die passenden Empfänger und Antennen beschafft werden. Damit war man der Umsetzung der Idee der aktiven Funkortung schneller als erwartet näher gekommen. Kühnhold und die NVA drängten nun auf den Bau eines einsatzfähigen Prototypen.

Erbslöh und von Willisen waren zwar zur Verwirklichung des Vorhabens bereit, wollten ihre gut gehende Firma Tonographie aber nicht in das vor allem finanziell gewagte Vorhaben mit hereinziehen. So gründeten sie im Januar 1934 die GEMA als GmbH mit einem Stammkapital von 20.000 Reichsmark. In der Potsdamer Straße 122 begann die Firma mit zwei festen und zwei freien Mitarbeitern die Entwicklungsarbeiten. Bis September 1934 war eine verbesserte Apparatur als Prototyp gebaut, die im Oktober in der Außenstelle der NVA in Pelzerhaken an der Lübecker Bucht erprobt wurde. Als größtes Problem stellte sich bei diesen Versuchen heraus, dass bei gleichzeitigem Senden und Empfangen, auch bei räumlicher Trennung von Sender und Empfänger, keine brauchbaren Ortungsergebnisse zu erzielen waren. Die Weiterentwicklung wies daher in Richtung der Impulstechnik mit der periodischen Aussendung sehr kurzer Impulse, so dass sich Sende- und Rücklaufsignal trennen ließen und aus der Signallaufzeit die Entfernung sicher bestimmt werden konnte. Damit zeichnete sich ein brauchbares Verfahren der »Funkmesstechnik« ab, wie diese neue Technik nun bezeichnet wurde. Nach 1945 setzte sich dafür auch im deutschen Sprachraum die englische Bezeichnung »Radar« (für »Radio detecting and ranging«) durch.

Nachdem das erste, auf diese Weise verbesserte Funkmessgerät der GEMA  im August 1935 fertiggestellt und erprobt worden war, konnte es am 26. September 1935 der Marineleitung erfolgreich vorgeführt werden. Damit war der Grundstein für die Entwicklung und Produktion weiterer Radargeräte gelegt. Bis zum Ende des Krieges blieb die GEMA einer der führenden Hersteller militärischer Elektroniksysteme. Für die Entwicklung der erforderlichen Elektronenröhren bildete sich eine enge Zusammenarbeit mit dem Röhrenlabor der C. Lorenz AG heraus, die im Dezember 1935 mit dem Abschluss eines Vertrages über die Förderung von Entwicklungsarbeiten besiegelt wurde. Auf Druck der Marineleitung musste diese Zusammenarbeit aber im April 1936 beendet werden, vermutlich wegen Problemen mit der Geheimhaltung, die man aufgrund der internationalen Verflechtung von  Lorenz mit der ITT als nicht gewährleistet ansah. Zum 1. Januar 1937 wurde die Zusammenarbeit zwischen der GEMA und der Marine durch ein zunächst auf fünf Jahre befristetes Vertragswerk geregelt, die der GEMA den Status einer freien Vertragspartnerin der Wehrmacht zusprach. Die Marine gewährte der Firma für die weiteren Entwicklungsarbeiten finanzielle Zuwendungen in einer solchen Höhe, dass sie bis zu 120 Mitarbeiter beschäftigen konnte.

Da die Räumlichkeiten in der Potsdamer Straße inzwischen zu beengt waren, verlegte die GEMA ihren Firmensitz im August 1936 in ein leer stehendes, dreistöckiges Fabrikgebäude der  Accumulatoren-Fabrik AG in Berlin-Oberschöneweide. Nach einer Vorführung der neuesten Entwicklungen, unter anderem des Seetaktgerätes, vor dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Admiral Raeder, forcierte dieser die Pläne der übrigen Marineabteilungen, die GEMA von einem reinen Entwicklungsbetrieb auch zu einem Produktionsbetrieb auszubauen. Die Firma erhielt vom Reichsfiskus ein zinsloses Darlehen zum Aufbau von Fabrikationsanlagen. Im September 1937 erwarb die GEMA daraufhin in der Wendenschloßstraße in Berlin-Köpenick ein 36.000 qm großes Grundstück von der  Deutschen Linoleumwerke AG. Die bestehenden Gebäude der stillgelegten Fabrik wurden bis zum Frühjahr 1938 für den neuen Verwendungszweck umgebaut. Zusätzlich zu den bestehenden Gebäuden wurde bis 1939 eine neue große Montagehalle mit Laufkränen errichtet. Hinzu kam ebenfalls ein neues repräsentatives Verwaltungsgebäude (Fotos 1 bis 3), das 1940 bezugsfertig war. Ende 1938 beschäftigte die GEMA knapp 800 Mitarbeiter.

Mit Beginn des Krieges wurden die Produktionsanstrengungen ausgeweitet. Bis Ende 1940 wuchs die Mitarbeiterzahl auf über 2.500 und es wurden 150 Radaranlagen ausgeliefert. Bis zur Besetzung des Werks durch die Rote Armee am 23. April 1945 war die GEMA an zahlreichen Neu- und Weiterentwicklungen von funktechnischen Geräten für die Schiffs- und Flugzeugortung sowie -navigation im Auftrag der Marine, später auch des Reichsluftfahrtministeriums, beteiligt. Nachdem schon seit 1944 Teile der Produktion in Ausweichquartiere außerhalb von Berlin verlagert worden waren, betrieb Willisen Anfang 1945 die Verlegung des Labors, der Konstruktionsabteilung sowie der Nullserienfertigung nach Lensahn in Holstein. Die hier von britischen Truppen vorgefundenen Entwicklungsmuster und Prototypen wurden Mitte Mai 1945 durch Sprengungen zerstört. Der weitere Betrieb der GEMA wurde zunächst verboten, bevor die Firma am 31. Mai 1945 aufgelöst wurde.

Die in der Berliner Wendenschloßstraße verbliebenen Einrichtungen wurden unter sowjetische Verwaltung gestellt. Im Dezember 1949 ging daraus der VEB Funkwerk Köpenick hervor, der sich zum bedeutendsten nachrichtentechnischen Betrieb der DDR entwickelte.
Außer dem von der GEMA errichteten Verwaltungsgebäude war im April 2013 im Hintergelände noch der Versuchsturm für Flakleitanlagen (Fotos 4 und 5) erhalten. Die übrigen, nördlich des Verwaltungsgebäudes an der Wendenschloßstraße gelegenen Bauten dürften erst aus den 1950er Jahren stammen.

Informationsstand: 31.12.2014
Schlagworte: Nachrichtengerätebau; Geschichte der Elektro- und Informationstechnik; Informations- und Kommunikationstechnik (IKT); Nachrichten- und Kommunikationstechnik
Stichworte: Radartechnik; VEB Funkwerk Köpenick; Gesellschaft für elektroakustische und mechanische Apparate mbH; GEMA; Tonographie; Reichspostzentralamt; Heinrich-Hertz-Institut für Schwingungsforschung; Musikhochschule in Charlottenburg; Sonar; Nachrichtenmittelversuchsanstalt; NVA; Rudolf Kühnhold; Magnetronröhre; Paul-Günther Erbslöh; Hans-Karl von Willisen; Torpedoversuchsanstalt; Funkmesstechnik; Radar; C. Lorenz AG; ITT; Accumulatoren-Fabrik AG; Seetaktgerät

 
Quelle(n)

  • Harry von Kroge, GEMA - Berlin. Geburtsstätte der deutschen aktiven Wasserschall- und Funkortungstechnik, Hamburg-Harburg 1998
  • Joachim Berndt (u.a.), 100 Jahre Funktechnik in Deutschland. Funkstationen und Messplätze rund um Berlin, Berlin 2002

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