Das im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums in den Jahren von 1938 bis 1942 errichtete Luftfahrtgerätewerk der Siemens Apparate und Maschinen GmbH (SAM), einer Tochtergesellschaft der Siemens & Halske AG, dokumentiert, wie stark die Entwicklungen der elektrischen Steuer-, Mess- und Regelungstechnik mit der Rüstungsproduktion verbunden waren. Darüber hinaus hat das im Krieg nahezu unversehrt gebliebene Gebäudeensemble einen besonderen Denkmalwert, auch für die Bauten von Hans Hertlein.
Beschreibung
erbaut: 1938-42
Architekt: Hans Hertlein
Die Siemens Apparate und Maschinen GmbH wurde 1920 als Tochterunternehmen der Siemens & Halske AG unter dem Namen Gesellschaft für elektrische Apparate gegründet und 1933 in die Siemens Apparate und Maschinen GmbH umgewandelt. Das Unternehmen entwickelte und baute militärtechnische Ausrüstungen und Geräte wie Scheinwerfer, Rechen- und Kommandogeräte, zunächst für die Artillerie und die Marine. Als die Nachfrage nach solchen Produkten im Zuge der Wiederaufrüstung einen starken Aufschwung erlebte, wurde speziell die Fertigung von Bauelementen und Geräten der Mess-, Steuer- und Regelungstechnik für Flugzeugsteuerungsanlagen in einem eigenen Betriebsteil zusammengefasst. Auf einem Gelände zwischen Streitstraße und Havelufer in Hakenfelde, unweit der bis dahin bereits dicht bebauten Siemensstadt, entstand innerhalb von vier Jahren eine eigene Produktionsstätte, das Luftfahrtgerätewerk. Erbaut wurde es von der Siemens-Bauunion GmbH im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums nach Plänen von Hans Hertlein. Wichtigstes Entwicklungsziel war hier die Arbeit am »Autopiloten«.
Zur Streitstraße hin gelegen ordnete Hertlein fünf vier- bis sechsgeschossige Verwaltungs- und Labortrakte an, von denen drei eine Hofanlage bilden, die durch eine Mauer an der Streitstraße abgeschlossen wird. Beherrscht wird dieser Gebäudekomplex durch einen elfgeschossigen Turm, in dem eine Aufzugsanlage und ein Wasserbehälter untergebracht wurden.
Hinter diesen Gebäudeblöcken erstreckt sich zur Havel hin ein langgestreckter, viergeschossiger Produktionstrakt mit vorgesetzten, kubischen Treppenhaus- und Aufzugstürmen. In diesem Gebiet sind auch eine Reihe von Produktions- und Lagerhallen sowie Baracken erhalten geblieben.
Weitgehend unverändert erhalten sind auch verschiedene Nebengebäude, darunter zwei Pförtnerhäuschen und das Casinogebäude. Das eingeschossige Pförtnerhaus an der Haupteinfahrt zeichnet sich durch eine aufwändige Gestaltung aus, mit Walmdach, Türmchen und Wetterfahne sowie einer Pfeilerhalle an der Längsseite. Einen schlichteren Eindruck macht das Pförtnerhäuschen am südlichen Zugang. In ähnlichem Kontrast zu den kubischen, glatt verputzten Verwaltungs- und Produktionsbauten ist das Casinogebäude gestaltet, ebenfalls mit Walmdach sowie mit Pfeilern und Fassungen der Eingänge unter Verwendung von Naturstein.
Das gesamte Areal blieb im Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschädigt. In dem Gebäudekomplex waren nach dem Krieg zunächst ein Krankenhaus und eine Schule untergebracht. In den Jahren von 2000 bis 2002 wurde ein großer Teil der Gebäude umfassend saniert. Seitdem wird das frühere Verwaltungs- und Laborgebäude unter dem Namen »Carossa Quartier« als Einkaufs- und Gewerbezentrum genutzt, in die Produktionshallen sind teilweise ebenfalls neue Mieter eingezogen.
Informationsstand: 22.07.2015
Schlagworte: Elektroindustrie; Geschichte der Elektro- und Informationstechnik; Automation; Informations- und Kommunikationstechnik (IKT); Messtechnik
Stichworte: Siemens Apparate und Maschinen GmbH; Siemens & Halske AG; Luftfahrtgerätewerk; Hans Hertlein; Wiederaufrüstung; Messtechnik; Steuertechnik; Regelungstechnik; Flugzeugsteuerungsanlagen; Hakenfelde; Siemens-Bauunion GmbH; Reichsluftfahrtministerium; Carossa Quartier; Gesellschaft für elektrische Apparate; Autopilot
Quelle(n)
- Matthias Donath, Architektur in Berlin 1933 - 1945. Ein Stadtführer, Berlin 2004
- Jörg Raach, Industriekultur in Berlin. Die 115 wichtigsten Bauten des Industriezeitalters, Berlin 2008
- Landesdenkmalamt Berlin, Denkmalliste Berlin (Stand: 16.04.2013), Nr. 09080552
- Thorsten Dame, Elektropolis Berlin. Architektur- und Denkmalführer, Berlin 2014