Mit den Ende der 1950er Jahre errichteten neuen Institutsgebäuden für »Hochspannungstechnik und Elektrische Anlagen« und »Elektrische Maschinen« sowie, unmittelbar benachbart, für »Allgemeine Elektrotechnik« und »Lichttechnik«, erhielten die elektrotechnischen Fächer an der Technischen Universität Berlin erstmals eigene Institutsgebäude, nachdem sie bis 1943 im Hauptgebäude und anschließend in verschiedenen Behelfsunterkünften untergebracht waren.
Beschreibung
erbaut: 1959-62
Architekt / Bauausführung: Karl Wilhelm Ochs / Bundesbaudirektion Berlin
Die Ausbildung in Elektrotechnik an der Technischen Universität Berlin geht auf das Jahr 1883 zurück, als Adolf Slaby am Lehrstuhl für »Theoretischen Maschinenbau« der damaligen Königlichen Technischen Hochschule erstmals eine Vorlesung über die Grundlagen der Elektrotechnik hielt. 1885 wurde sein Lehrauftrag in eine etatsmäßige Professur umgewandelt und zugleich erhielt er den Auftrag, ein Elektrotechnisches Laboratorium einzurichten. Die Technische Hochschule in Berlin, der »Welthauptstadt der Elektrotechnik« (Elektropolis), war wie keine andere prädestiniert, die Ausbildung in Elektrotechnik auszuweiten. Dies lag nicht nur im Interesse der damals führenden Unternehmen der Elektroindustrie, Siemens & Halske und Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG). Auch Kaiser Wilhelm II. war höchstpersönlich an den neuen elektrotechnischen Errungenschaften interessiert, allen voran an der Funktechnik. So wurden 1904 das Ordinariat für »Elektrische Maschinen« und 1912 das für »Allgemeine und Theoretische Elektrotechnik« eingerichtet. Nach dem Ersten Weltkrieg folgten 1922 das Institut für »Fernmeldetechnik«, 1926 für »Hochspannungstechnik und Elektrische Anlagen« und 1933 ein Lehrstuhl für »Elektrizitätswirtschaft«. Bis zum Zweiten Weltkrieg waren alle Institute auf dem Stammgelände der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg untergebracht.
Nach den Zerstörungen des Hochschulgeländes im Jahre 1943 kamen die elektrotechnischen Institute in weniger zerstörten Räumen der Physik und der Physikalischen Chemie unter. Die Beseitigung der Kriegsschäden und der Neuaufbau von Forschung und Lehre an der Technischen Hochschule dauerten bis zum Beginn der 1950er Jahre. In der Elektrotechnik war der Neubeginn verbunden mit einer wichtigen organisatorischen Änderung. Im August 1955 erlangte die Elektrotechnik den Status einer eigenen Fakultät (Fakultät IX) mit den beiden Abteilungen »Nachrichtentechnik« und »Starkstromtechnik«. Die während des Krieges und in den Nachkriegsjahren enorm gewachsene Bedeutung der Elektrotechnik schlug sich nicht nur in der Ausweitung der Forschungsgebiete nieder, sondern auch im Anstieg der Studierendenzahlen. Im Wintersemester 1964/65 stellte die Elektrotechnik mit knapp 1.500 eingeschriebenen Studierenden die größte Fakultät der TU.
Daher machten die Neubauten für die elektrotechnischen Institute einen größeren Anteil an der seit Beginn der 1950er Jahre geplanten, aber erst Ende der 1950er Jahre begonnenen baulichen Erweiterung des Campusgeländes aus. Diese Erweiterung vollzog sich auf dem so genannten Nordgelände, gelegen gegenüber dem damals noch nicht wieder aufgebauten Hauptgebäude im Zipfel zwischen Landwehrkanal und Marchstraße. Als erster Bau für die Elektrotechnik wurde im Herbst 1959 der Grundstein für das Gebäude der Institute für »Hochspannungstechnik und Elektrische Anlagen« sowie für »Elektrische Maschinen« gelegt. Die Räume konnten zwischen November 1961 und März 1962 bezogen werden.
Für das Institut für »Hochspannungstechnik und Elektrische Anlagen« wurde der westliche Teil des Neubaukomplexes mit einem T-förmigen Grundriss reserviert. Kernstück der technischen Ausstattung des Instituts war die große, fensterlose Halle mit einer Grundfläche von 30 x 15 m und einer nutzbaren Höhe von 17 m. Auf der Nordseite wurde ein Auditorium mit 100 Sitzplätzen angeordnet, das durch eine Käfigkonstruktion gegen die in der Halle auftretenden Felder abgeschirmt wurde, so dass die Studierenden von dort aus an den Hochspannungsversuchen teilnehmen können, die von einem Leitstand aus vorgeführt werden. Als Spannungsquellen für die Halle wurden eine umpolbare Vervielfacherschaltung für maximal 2,1 MV Gleichstrom und eine aus drei Transformatoren bestehende Kaskade für maximal 1 MV installiert. Über eine Schaltfunkenstrecke sollte die Gleichspannungsquelle auch als einstufiger Stoßspannungserzeuger für Spannung bis 2 MV eingesetzt werden können. Die Transformatorkaskade sollte auch, außer zur Erzeugung von einphasigen Prüfspannungen, als Quelle für ein dreiphasiges Spannungssystem bis maximal 575 kV dienen.
Die Hülle der als Stahlbetonkonstruktion errichteten Hochspannungshalle besteht aus einer zweischichtigen Konstruktion. Die Außenhaut wird dabei aus senkrechten Stahlbeton-Plattenbalken gebildet, auf der Innenseite wurde ein engmaschiges Betonraster zum Zwecke der Schalldämmung mit Lochziegeln ausgefacht. Alle metallischen Teile des Bauwerks, auch die Armierungen und tragenden Teile wurden miteinander leitend verbunden und geerdet und der dadurch entstandene Käfig von den Nachbarbauteilen getrennt. Durch bereits 1970 und dann nochmals in den 1980er Jahren vorgenommene Erweiterungen ist die ursprüngliche Fassadengestaltung mit einer Klinkerfläche aus abwechselnd horizontal beziehungsweise vertikal versetzten Steinlagen nicht mehr erhalten. An der Nordseite des Institutstraktes wurde der gemeinsam mit dem Institut für »Elektrische Maschinen« nutzbare Hör- und Zeichensaaltrakt angeordnet. Nach Osten schließt sich daran der auf einem L-förmigen Grundriss errichtete viergeschossige Gebäudeteil des Instituts für »Elektrische Maschinen« an. Den nördlichen Bauteil des Gebäudes bildet die 10 m hohe Maschinenhalle mit einem Grundriss von 30 m x 16 m. Für Lehr- und Forschungsaufgaben wurde ein umfangreiches Ensemble von Asynchron-, Synchron- und Gleichstrommaschinen, von mehreren Sonderbauformen elektrischer Maschinen sowie von Stromrichtern installiert. Die im Keller untergebrachte Versorgungsanlage sollte die Erzeugung verschiedener Stromarten, wahlweise mit Regelung auf konstante Spannung und Frequenz oder unter Vorgabe einer frei wählbaren Stromgrenze, erlauben. Eine zusätzliche Gleichspannungsquelle mit extrem niedrigem Innenwiderstand wurde durch eine aus 126 Zellen bestehende Akkumulatorenbatterie mit einer Kapazität von 1.080 Ah gebildet, mit der stoßartige Entladungsströme bis maximal 4.000 A erzeugt werden konnten. Die Versuchs- und Messstände der Maschinehalle sind mit den kleineren Räumen des Institutsgebäudes durch zahlreiche Messleitungen verbunden, so dass alle Regel-, Mess- und Rechengeräte getrennt untergebracht werden konnten. Die einzelnen Maschinensätze konnten über eine Fernsehanlage fernüberwacht werden.
Der entwerfende Architekt, Karl Wilhelm Ochs, hatte beabsichtigt, durch die immer wieder neue Kombination der Grundelemente seiner Architektur (Betonraster, helles Klinkermauerwerk, Glasbausteine und Fenster) zwar deutlich voneinander unterschiedene Gebäude zu schaffen, sie jedoch als zugehörig zu einer Fakultät zu kennzeichnen. Durch den Anbau neuer Gebäude in den 1970er Jahren sowie durch laufende Umbau-, Erweiterungs- und Sanierungsmaßnahmen entfernt sich die unter Denkmalschutz stehende Gebäudegruppe immer weiter von ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild.
Informationsstand: 28.03.2017
Schlagworte: Elektrotechnik; Studium, Beruf, Gesellschaft; Studium
Stichworte: TU Berlin; Institut für Hochspannungstechnik und Elektrische Anlagen; Institut für Elektrische Maschinen; Karl Wilhelm Ochs; Bundesbaudirektion Berlin; Technische Universität Berlin; Adolf Slaby; Theoretischer Maschinenbau; Königliche Technische Hochschule; Elektrotechnik; Laboratorium; Elektropolis; Siemens & Halske; Kaiser Wilhelm II; Funktechnik; Allgemeine und Theoretische Elektrotechnik; Erster Weltkrieg; Fernmeldetechnik; Hochspannungstechnik; Elektrische Anlagen; Elektrizitätswirtschaft; Zweiter Weltkrieg; Kriegsschäden; Nachrichtentechnik; Starkstromtechnik; Landwehrkanal; Marchstraße; Vervielfacherschaltung; Schaltfunkenstrecke; Stoßspannungserzeuger; Transformatorkaskade; Prüfspannung; Stahlbetonkonstruktion; Hochspannungshalle; Stahlbeton-Plattenbalken; Maschinenhalle; Asynchronmaschine; Synchronmaschine; Gleichstrommaschine; Stromrichter; Gleichspannungsquelle; Akkumulatorenbatterie; Stoßentladung; Betonraster; Klinkermauerwerk; Glasbaustein; Denkmalschutz; Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft
Quelle(n)
- Otto Mohr, Die neuen Elektrotechnischen Institute der Technischen Universität Berlin; in: Elektrotechnische Zeitschrift. Ausgabe A 84(1963), Heft 7, S. 213-217
- Christoph Brachmann / Robert Suckale (Hrsg.), Die Technische Universität Berlin und ihre Bauten. Ein Rundgang durch zwei Jahrhunderte Architektur- und Hochschulgeschichte, Berlin 1999
- Friedrich-Wilhelm Gundlach, Die Elektrotechnik an der Technischen Universität Berlin; in: Elektrotechnische Zeitschrift. Ausgabe B 20(1968), Heft 18/19, S. 515-518
- Senatsverwaltung für Kultur und Europa. Bereich Denkmal, Denkmaldatenbank (Stand: 17.11.2016), Nr. 09096144