Volta-Werke Elektricitäts-Gesellschaft mbH_05
2013 Norbert Gilson
22.12.2022

Volta-Werke Elektricitäts-Gesellschaft mbH

Oraniendamm 66-72, 13469 Berlin-Waidmannslust

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VDE Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik

Die 1912 in Kassel gegründeten Volta Werke stehen zum einen für die vor dem Ersten Weltkrieg einsetzende Konzentration der deutschen Elektroindustrie in Berlin, zum anderen für den Aufschwung der Elektroindustrie mit dem intensiven Wachstum der Elektrizitätsversorgungsnetze und des Bedarfs an Geräten und Apparaten für die zahlreichen Umspann- und Schaltanlagen seit Beginn der 1920er Jahre. Typisch ist auch die Schließung des Betriebs am Ende der 1980er Jahre.

Beschreibung

erbaut: 1888 / 1922 (Erweiterungen 1961-62) / 1937 (Erweiterung 1962) / 1958 / 1959-60
Architekten: F. Fährmann / Anton Schmittlein / Herbert Heinke / Herbert Noth

Die Volta-Werke wurden 1912 in Kassel zur Herstellung von Motoren, Transformatoren und Schaltanlagen gegründet. Noch im selben Jahr entstand eine Niederlassung in Berlin. Nach dem Ersten Weltkrieg expandierte das Unternehmen. Daher wurde 1919 ein bereits bestehender, 1888 nach Plänen von F. Fährmann errichteter Fabrikbau in Waidmannslust bezogen (Fotos 1 und 2). Seit Beginn der 1920er Jahre entstand aufgrund des Ausbaus der Elektrizitätsversorgungsnetze mit der Errichtung von Schaltanlagen und Umspannwerken ein großer Bedarf an entsprechenden Hochspannungsgeräten. Mit der Errichtung einer Mitteltransformatoren-Montagehalle und einer Großtransformatoren-Wicklerei im Jahre 1922 entstanden erstmals eigene Gebäude. Der Bau einer weiteren Montagehalle, jetzt für Großtransformatoren, ergänzte 1937 den Gebäudebestand.

1925 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und von der Gesellschaft für elektrische Unternehmungen (Gesfürel), einer der großen Finanzierungsgesellschaften für die Elektrizitätswirtschaft und die Elektroindustrie, übernommen, deren Aktien 1942 in den Besitz der AEG übergingen. Bei einem Bombenangriff im Dezember 1944 wurden rund 30% der Werksanlagen zerstört. Nach Kriegsende erfolgte die Demontage der Fabrikeinrichtungen und Maschinen. Unter der Treuhänderschaft der französischen Besatzungsbehörde konnte aber im Juli 1945 der Wiederaufbau der Fabrikanlagen beginnen.

Am Ende der 1950er Jahre wurden erneut Erweiterungen erforderlich. Produziert wurden jetzt Öl-Transformatoren für Primärspannungen bis zu 110 kV und Leistungen bis 40.000 kVA, Gleichrichter-Transformatoren, Trocken-Transformatoren bis 500 kVA, Drosselspulen und Klein-Transformatoren für die unterschiedlichsten Spezialzwecke. Nach Plänen von Anton Schmittlein wurde 1958 eine neue Montagehalle für Behälterbau errichtet (Foto 3). Die Montagehallen wurden zu Beginn der 1960er Jahre unter Leitung von Herbert Heinke und die Großtransformatoren-Wickelei unter Anton Schmittlein (Foto 4) umgebaut und erweitert.
In den Jahren 1959 und 1960 entstand außerdem ein neues Verwaltungsgebäude, einschließlich eines Pförtnerhauses am Oraniendamm (Fotos 5 bis 10). Architekt war Herbert Noth. Der Eingang zum Verwaltungsgebäude präsentiert sich noch heute im Stil der späten 1950er Jahre (Foto 10).
 
Wegen der zunehmenden Transporte der tonnenschweren Transformatoren, die zum Güterbahnhof Tegel erfolgte, fällte die Geschäftsleitung Anfang der 1960er Jahre die Entscheidung, bei der in DDR-Regie betriebenen Deutschen Reichsbahn ein eigenes Anschlussgleis zu beantragen. Da bei der  Reichsbahn zu dieser Zeit ein erheblicher Lokomotivmangel bestand, wurde dem Antrag nur mit der Auflage stattgegeben, dass sich die Volta-Werke um eine eigene Lok bemühten. Der Anschluss erfolgte an den Güterbahnhof Hermsdorf. 1962 bestellte das Unternehmen bei der Schalker Eisenhütte eine 22 t schwere Akkulok mit zwei 440 Volt Gleichstrommotoren mit einer Gesamtleistung von 90 kW (122 PS) und einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h. Da sie fest zum Bild der Firma gehörte, wurde sie von den Angestellten liebevoll »Tante Molly« genannt. Nach der Schließung der Berliner Niederlassung übereignete das Unternehmen die Lokomotive dem Deutschen Technikmuseum Berlin. Dort kommt sie heute noch für kleine Rangierarbeiten zum Einsatz.

Anfang der 1920er Jahre sollen sich die Volta-Werke übrigens auch kurzzeitig im Automobilbau betätigt haben. Nach Konstruktionsplänen des Ingenieurs F.A.E. Martin wurde ab 1921 der Kleinwagen »Martinette« gebaut. Das sportliche Gefährt wurde von einem Zweizylinder-Zweitaktmotor angetrieben und fiel besonders durch seine Lackierung auf, die an ein Zebra erinnerte. Nachdem der Prototyp auf der Berliner Automobilausstellung vorgestellt worden war, entstanden anschließend etwa 100 Fahrzeuge, die vorwiegend nach Skandinavien verkauft wurden.

Der Berliner Betrieb der Volta-Werke wurde 1987 geschlossen. Nach mehrjährigem Leerstand des Gebäudeensembles fand sich 2004 eine Lösung zu seiner Erhaltung, als ein Baumarkt in die Gebäude einzog. Mehr als ein Drittel der Brutto-Verkaufsfläche von 12.000 qm wurde in den alten Hallen untergebracht. In die Montagehalle für Behälterbau hielt ein Fitness-Center Einzug.
 
Informationsstand: 22.07.2015
Schlagworte: Elektroindustrie; Geschichte der Elektro- und Informationstechnik; Energie
Stichworte: F. Fährmann; Anton Schmittlein; Herbert Heinke; Herbert Noth; Volta-Werke Elektricitäts-Gesellschaft mbH; Anschlussgleis; Deutsche Reichsbahn; Güterbahnhof Hermsdorf; Schalker Eisenhütte; Martinette; Akkulok; Öltransformator; Gleichrichter-Transformator; Trocken-Transformator; Drosselspule; Kleintransformator; Gesellschaft für elektrische Unternehmungen; Gesfürel; AEG; Automobilbau; Volta-Werke Elektricitäts-Gesellschaft mbH; Deutsches Technik-Museum Berlin

Quelle(n)

  • Volta-Werke Elektricitäts-Gesellschaft mbH (Hrsg.), 50 Jahre Volta-Werke Berlin-Waidmannslust. 1912 - 1962, Berlin (1962)
  • http://www.epilog.de/Berlin/Eisenbahn/Werkbahnen/VoltaWerkeT000162A.htm (abgerufen am 27.05.2013)
  • http://de.wikipedia.org/wiki/Martinette (abgerufen am 27.05.2013)
  • Landesdenkmalamt Berlin, Denkmalliste Berlin (Stand: 16.04.2013), Nr. 09012219

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