Das 1927 als eines der modernsten und leistungsfähigsten Braunkohlekraftwerke Mitteldeutschlands in Betrieb genommene Kraftwerk Plessa wurde 1985 während des laufenden Betriebs unter Denkmalschutz gestellt und ist, nach seiner Stilllegung 1992, heute eines der ältesten Braunkohlekraftwerke in Europa, das noch in seiner ursprünglichen Bausubstanz erhalten ist.
Beschreibung
erbaut: 1926-27 / 1928-30, 1936-42 (Erweiterungen)
Architekt: Hans Hertlein (?)
Bauherr: Elektrizitätsverband Gröba
Im Mai 1926 erhielt die Siemens-Schuckertwerke GmbH von dem 1910 gegründeten, in einem Vorort des sächsischen Riesa ansässigen Elektrizitätsverband Gröba den Auftrag zum Bau eines neuen Braunkohlekraftwerks. Das Kraftwerk sollte als Spitzenlast- und Reservekraftwerk dienen. Der Elektrizitätsverband Gröba bezog seine elektrische Energie überwiegend als Fremdstrom und verfügte zur Spitzendeckung und als Störfallreserve lediglich über ein Dieselkraftwerk mit 4.000 kW Leistung. Das Werk wurde von vornherein auf Erweiterbarkeit hin geplant. Im ersten Ausbauzustand wurde eine Leistung von 8.00 kW installiert.
Die Entscheidung für den Standort Plessa zwischen Lauchhammer und Elsterwerda im Süden Brandenburgs fiel aufgrund der günstigen Bedingungen für die Brennstoffversorgung. Hier lagen die moderne, leistungsfähige Braunkohlengrube Agnes und die Brikettfabrik der Plessaer Braunkohlenwerke GmbH. Für die Grubenbetrieb hatte die Leipziger Allgemeine Transportanlagen-Gesellschaft mbH (ATG) 1924 die erste Abraumförderbrücke der Welt gebaut und in Betrieb genommen.
In der ersten Ausbauphase wurden außer dem ersten Kraftwerksabschnitt der Verwaltungstrakt, die Schaltanlage, der Kühlturm I und ein 115 m hoher Schornstein errichtet. Nach einer Bauzeit von knapp einem Jahr ging das Kraftwerk im April 1927 mit drei Kesseln und der Turbine 1 (8.000 kW) in Betrieb. Bereits 1928 kam eine zweite Turbine mit 10.000 kW Leistung hinzu, ebenso der Kühlturm II. In den Jahren 1929 und 1930 erfolgte eine Erweiterung des Maschinen- und Kesselhauses, der Außenbunkeranlage und anderer Nebenanlagen, so dass 1930 ein vierter Kessel und die Turbine 3 mit einer Leistung von 16.000 kW den Betrieb aufnehmen konnten.
In einer dritten Ausbauetappe von 1936 bis 1942 wurde unter einer erneuten Erweiterung von Maschinen-, Kesselhaus und Wasseraufbereitungsanlage sowie dem Bau eines zweiten, 120 m hohen Schornsteins und eines neuen Kühlturms die Gesamtleistung des Kraftwerks durch Aufstellung einer vierten Turbine von 20.000 kW Leistung auf 54 MW erhöht. Diese Turbine wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Reparationsleistung an die Sowjetunion abgegeben. Im Laufe der 1950er bis 1970er Jahre erfolgten verschiedene Substanz erhaltende Wartungs- und Modernisierungsmaßnahmen, ohne dass dadurch die Konfiguration der Anlage aus den später 1930er Jahren verändert wurde.
Noch während des laufenden Betriebes wurde die gesamte Anlage am 22. Juli 1985 unter Denkmalschutz gestellt. Nach der Wende wurden Überlegungen angestellt, die Energieerzeugung auf Erdgas umzustellen. Wegen der hohen Investitionen, die für die erforderlichen umfangreichen Umbaumaßnahmen nötig gewesen wären, wurde das Projekt jedoch nicht realisiert. So wurde Mitte April 1992 schließlich der letzte Turbosatz abgeschaltet und das Kraftwerk vom Netz genommen.
Das Kraftwerk Plessa ist eines der ältesten Braunkohlekraftwerke in Europa, das noch in seiner ursprünglichen Bausubstanz erhalten ist. 1998 wurde es unter dem Motto »Kraftwerk im Wandel« in die Projektliste der »Internationalen Bauausstellung Fürst-Pückler-Land« aufgenommen. Auf diese Weise konnte sein Abriss verhindert werden. Als »Erlebnis-Kraftwerk Plesssa« (siehe -> Link) ist es eine von 10 Stationen der »ENERGIE-Route Lausitzer Industriekultur«.
Bei seiner Inbetriebnahme 1927 gehörte das Kraftwerk zu den modernsten und leistungsfähigsten Braunkohlekraftwerken Mitteldeutschlands. Die Kraftwerksarchitektur ist in Form und Material ein hervorragendes Beispiel für Industriebauten der späten 1920er und frühen 1930er Jahre. Die Gebäude wurden in Stahlskelettkonstruktion mit Backsteinausfachung gestaltet. Der Maschinenhalle ist das betont repräsentative, dreigeschossige, mit Klinkern verblendete Verwaltungsgebäude des Kraftwerks vorgelagert. Weitere herausragende Örtlichkeiten des Kraftwerks sind das im Originalzustand erhaltene Treppenhaus sowie die Schaltwarte.
Von besonderer Bedeutung ist die Erhaltung der ursprünglichen Maschinenausrüstung der Bauzeit. Die zweigehäusige Zoelly-Turbine von 8.000 kW Leistung, die 1926 in der Waggon- und Maschinenbau AG Görlitz (WUMAG) hergestellt wurde, zählt zu den letzten erhalten Exemplaren dieser Bauart in Deutschland. Der Generator stammt von der Siemens-Schuckertwerke AG. Die zu dem Turbosatz gehörigen Hilfsturbine, Kühlwasser- und Kondensatpumpen sowie Anzeigegeräte sind ebenfalls noch vorhanden.
Informationsstand: 31.12.2013
Schlagworte: Braunkohlenkraftwerke; Stromerzeugung; Energie; Energy
Stichworte: Elektrizitätsverband Gröba; Siemens-Schuckertwerke GmbH; Spitzenlastkraftwerk; Reservekraftwerk; Plessaer Braunkohlenwerke GmbH; Braunkohlengrube Agnes; Brikettfabrik; Allgemeine Transportanlagen-Gesellschaft mbH; ATG; Abraumförderbrücke; Internationale Bauausstellung Fürst-Pückler-Land; Zoelly-Turbine; Waggon- und Maschinenbau AG Görlitz; WUMAG; Siemens-Schuckertwerke AG; SSW
Quelle(n)
- Volker Rödel, Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik in Deutschland. Bd. 2. Neue Länder, Berlin / Stuttgart 1998
- de.wikipedia.org/wiki/KraftwerkPlessa