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2014 Norbert Gilson
01.03.2021

Centralstation für elektrische Beleuchtung

Schuchardstraße, 64283 Darmstadt 

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VDE Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik
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Die 1888 in Betrieb genommene ehemalige »Centralstation für elektrische Beleuchtung« in Darmstadt repräsentiert den Beginn der innerstädtischen Elektrizitätsversorgung in der Residenzstadt und unterstreicht die Bedeutung der Versorgung öffentlicher Einrichtungen, wie des Großherzoglichen Hoftheaters, sowie der Straßenbahn für den rasanten Aufschwung der neuen Technik im Jahrzehnt vor 1900. 

Beschreibung


erbaut: 1887-88 / 1904-05 (Erweiterung)
Projektierung: Erasmus Kittler

Nur zwei Jahre nach Eröffnung des ersten öffentlichen Elektrizitätswerks in Deutschland in der Berliner Markgrafenstraße beschloss die Darmstädter Stadtverordnetenversammlung im Juni 1887 die Errichtung einer Centralstation für elektrische Beleuchtung. Treibende Kraft des Projektes war Erasmus Kittler, der, als Experimental-Physiker ausgebildet, 1882 an die TH Darmstadt auf den ersten Lehrstuhl für Elektrotechnik in Deutschland berufen worden war. Als erster „Großconsument” der neuen Anlage konnte das Großherzogliche Hoftheater gewonnen werden. Da eine Gleichstromerzeugung - 1887 noch die einzig mögliche Stromerzeugungstechnologie - geplant war, musste die Centralstation in der Nähe des Großverbrauchers platziert werden. Nach Erwerb eines entsprechenden, 1.200 qm großen Grundstücks in der Schuchardstraße konnte mit dem Bau begonnen werden. Im August 1888 ging die Anlage in Betrieb.

Bereits 1892 erfolgte eine Erweiterung um zusätzliche Dynamomaschinen und Akkumulatoren. Nach Eröffnung der elektrischen Straßenbahn im November 1897 wurde diese zum größten Stromabnehmer der Centralstation. 1903 genehmigte die Stadtverordnetenversammlung einen Kredit über 780.000 Mark zum Bau einer zusätzlichen Maschinenhalle und eines neuen Kesselhauses. Im Juni 1905 konnten das neue Maschinenhaus und Kesselhaus mit Zentralkondensation in Betrieb genommen werden.

Die beiden neuen, bis heute erhaltenen Gebäude wurden in gelb-rotem Klinkermauerwerk errichtet und sind, erkennbar an Fenstergestaltung und Schweifgiebel des Maschinenhauses, noch am Historismus orientiert. Insgesamt wirkt die Architektur jedoch modern. Im Kesselhaus kamen zwei Zirkulations-Wasserröhrenkessel zur Aufstellung, die überhitzten Dampf (300°C) von 10 atm Betriebsdruck erzeugten. Dieser wurde über schmiedeeiserne Frischdampfleitungen zu den beiden Verbunddampfmaschinen (jeweils 400 PS Leistung) im Maschinenhaus geleitet. Zwei direkt gekuppelte Gleichstromdynamos (Nebenschlussmaschinen) erzeugten die elektrische Energie, die in Zeiten geringerer Auslastung auch zur Aufladung der Batterien im Akkumulatorenhaus verwendet wurde. Das Akkumulatorenhaus lag zwischen den beiden neuen Gebäuden.

Schon zwei Jahre nach Inbetriebnahme war die Leistungsfähigkeit der neuen Anlage erschöpft, vor allem, weil der von seinem alten Standort verlegte und neu errichtete Hauptbahnhof künftig mitversorgt werden sollte. Die Stadtverordnetenversammlung bewilligte daher 1907 einen neuen Kredit in Höhe von 1,8 Mio. Mark zur Errichtung eines neuen Elektrizitätswerks. Dieses entstand am Rande der Innenstadt, am Dornheimer Weg, und war für die Erzeugung von Gleich- und von Drehstrom eingerichtet. Im Oktober 1909 ging das neue Werk in Betrieb, das über eine Kabelverbindung mit der innerstädtischen Anlage zum einem Verbundbetrieb gekoppelt war.

Aufgrund der Konkurrenz für ihre elektrische Straßenbahn durch die ebenfalls in Darmstadt und Umgebung mit mehreren Dampfstraßenbahnlinien agierende Süddeutsche Eisenbahn-Gesellschaft sah sich die Stadt genötigt, ihre Straßenbahn in ein neues Unternehmen einzubringen, das die beiden Verkehrssysteme zusammenfasste. Damit entstand im April 1912 die Hessische Eisenbahn-Aktiengesellschaft (HEAG), an der neben der Stadt Darmstadt die hessische Provinz Starkenburg, die Süddeutsche Eisenbahn-Gesellschaft und zwei Privatpersonen beteiligt waren. Außer der Straßenbahn brachte die Stadt auch ihre Elektrizitätswerke in die neue Aktiengesellschaft ein.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Stromerzeugung in der Innenstadt im Winter 1920/21 eingestellt. Kessel und Dampfmaschinen wurden verschrottet, der Schornstein abgebrochen. Das Kesselhaus wurde in Werkstätten umgebaut, im Maschinenhaus wurde eine Schaltanlage eingerichtet. Trotz starker Zerstörungen in der Innenstadt durch einen Bombenangriff vom September 1944 blieben die beiden Hallen weitgehend erhalten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Gebäude weiterhin von der HEAG genutzt, die 1941 ihren Namen in Hessische Elektrizitäts-Aktiengesellschaft geändert hatte. 1980 endete jedoch die Präsenz des Unternehmens in der Darmstädter Innenstadt: das Kesselhaus wurde an die Stadt verkauft, später ging auch das Maschinenhaus an sie über. Nach einem Umbau werden die Gebäude seit 1999 in neuer Nutzung betrieben, unter anderem als Veranstaltungszentrum mit Gastronomiebetrieb.
 
Informationsstand: 10.02.2018
Schlagworte: Elektrizitätserzeugung; Steinkohlenkraftwerke; Stromerzeugung; Energie; Energy
Stichworte: Erasmus Kittler; TH Darmstadt; Lehrstuhl für Elektrotechnik; Großherzogliches Hoftheater; Gleichstromerzeugung; Historismus; Zirkulations-Wasserröhrenkessel; Verbunddampfmaschine; Gleichstromdynamo; Akkumulatorenhaus; Dornheimer Weg; Drehstrom; Verbundbetrieb; Süddeutsche Eisenbahn-Gesellschaft; elektrische Straßenbahn; Hessische Eisenbahn AG; HEAG; Provinz Starkenburg; Hessische Elektrizitäts AG

Quelle(n)

  • Volker Rödel, Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik in Deutschland. Bd. 1. Alte Länder, Stuttgart 1992
  • Fritz Dietz [Red.], 50 Jahre HEAG. 1912 - 1962, Stuttgart 1962
  • Darmstädter Geschichtswerkstatt e.V., HEAG-Hallen. Centralstation für elektrische Beleuchtung in Darmstadt, Darmstadt 1985

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