Helios, Elektricitäts-AG_Bild1
2015 Norbert Gilson
08.04.2021

Helios Elektricitäts AG

Venloer Straße 385-389 / Heliosstraße, 50825 Köln 

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VDE Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik

Die Kölner Elektricitäts-Aktiengesellschaft Helios gehörte Ende der 1880er Jahre zu den innovativen Unternehmen der Elektroindustrie, die mit dem Bau von Kraftwerken auf Grundlage der Wechselstromtechnik bis zur Mitte der 1890er Jahre außerordentlich erfolgreich war. Allerdings bekamen die Einphasen-Wechselstromsysteme in der Drehstromtechnik (Dreiphasenwechselstrom) eine letztlich weit überlegene Konkurrenz. Schon vor der Überproduktions- und Bereinigungskrise in der deutschen Elektroindustrie von 1901/02 sank der Stern der »Helios« und endete Anfang 1903 mit der Liquidation.

Beschreibung


erbaut: um 1895-97

1882, ein Jahr nach der ersten elektrotechnischen Weltausstellung in Paris, gründete sich in Köln die  Commanditgesellschaft für elektrisches Licht und Telegraphenbau, B. Berghausen & Co., die außer Telegrafen- und Fernsprechanlagen auch Gas- und Wasserversorgungsanlagen ausführte. 1884 ging aus diesem Unternehmen die Helios, Actien-Gesellschaft für elektrisches Licht und Telegraphenbau in Ehrenfeld und Köln hervor. Die Umgründung des Gewerbebetriebs in eine Aktiengesellschaft, ausgestattet mit einem Grundkapital von 1 Mio. Mark, war ein mutiger Schritt, der sich auf die Hoffnung gründete, dass sich das elektrische Licht gegenüber der damals fast ausschließlich vorhandenen Gasbeleuchtung durchsetzen würde.

Treibende Kraft des Unternehmens war der leitende Ingenieur Carl Coerper, von Hause aus Maschinenbauer, der die Schwachpunkte der damaligen elektrotechnischen Erzeugnisse erkannte und zu deren Behebung ansetzte. Eines der Probleme war die gleichzeitige Speisung von parallelgeschalteten Glühlampen und Bogenlampen durch einen Generator. Coerper erwarb die Lizenz der Firma R. J. Gülcher aus Biala (heute Bielsko-Biala) für deren multipolaren Flachringgenerator, der im ersten Band von Erasmus Kittlers »Handbuch der Elektrotechnik« (S. 565-570) beschrieben ist. Diese Gleichstromgeneratoren wurden ab 1882 in Köln gefertigt. Außerdem war Coerper der Vorkämpfer für langsam laufende, direkt mit der Dampfmaschine gekoppelte Generatoren, die als Ersatz für die über Riemen angetriebenen Dynamomaschinen gedacht waren.

Als die Budapester Firma Ganz & Co. 1883 auf der Wiener Elektrizitäts-Ausstellung erstmals ihr neu entwickeltes Wechselstromverteilungssystem vorstellte, erfasste Coerper sofort die Bedeutung dieser Einrichtung, die künftig die Verbrauchsschwerpunkte elektrischer Energie von ihrem Erzeugungsort entkoppeln würde. 1885 erwarb Helios die wichtigsten Patente von Ganz & Co. für die Alleinverwertung im Deutschen Reich. Helios exponierte sich damit als Vertreter der Wechselstromtechnik im damals vehement ausgefochtenen »Systemstreit« zwischen der „Wechselstrom-” und der „Gleichstrompartei”, wobei letztere so prominente Persönlichkeiten wie Werner von Siemens oder Thomas A. Edison zu ihren Anhängern rechnen konnte. Gleichwohl produzierte das Unternehmen weiterhin auch Generatoren und Motoren für Gleichstrombetrieb. Außer dem Deutschen Reich gehörten vornehmlich Italien, Rumänien, Südamerika und auch einige afrikanische Kolonialterritorien zu den Absatzgebieten von Helios.

Seit Ende der 1880er Jahre spezialisierte sich Helios auf den Bau von Wechselstrom-Kraftzentralen und -Versorgungsnetzen sowie von elektrischen Straßenbahnen. Das erste große Elektrizitätswerk in Deutschland nach dem Wechselstromsystem richtete Helios in den Jahren 1890/91 in Köln ein. Die Anlage war mit zwei großen Dynamomaschinen und einem kleineren Generator von insgesamt 1.280 kW Leistung ausgerüstet. Der mit 2.000 V erzeugte Einphasen-Wechselstrom wurde an den Verbrauchsstellen durch jeweils einen gesonderten Transformator auf 65 V bzw. 110 V heruntertransformiert. Spektakulär war auch die Installation des Beleuchtungssystems für den neu erbauten Kaiser-Wilhelm-Kanal (heute Nord-Ostsee-Kanal), wobei rund 1.000 Bogenlampen auf eine Länge von etwa 100 km von zwei Kraftwerken an den beiden Enden des Kanals gespeist wurden.

Zur Bewältigung der Aufträge wurden die Werksanlagen im (seit 1888) Kölner Stadtteil Ehrenfeld erheblich erweitert. Dabei entstanden das aufwendig gestaltete Verwaltungsgebäude und eine neue zentrale Montagehalle. Die Zahl der Beschäftigten wuchs von 180 im Jahre 1887 auf über 1.000 im Jahre 1900. Seit Januar 1897 firmierte das Unternehmen unter dem neuen Namen Helios, Elektricitäts-Aktiengesellschaft. Die Finanzierung erfolgte über eine seit Mitte der 1890er Jahre in immer kürzeren Abständen vorgenommene Erhöhung des Aktienkapitals, von knapp 1 Mio. Mark 1896 auf 16 Mio. Mark im Juni 1899. Nach dem Vorbild der übrigen großen Unternehmen der Elektroindustrie -  AEG, Siemens & Halske oder Schuckert & Co. - gründete auch Helios im Juni 1897 mit der  Aktiengesellschaft für Elektricitäts-Anlagen in Köln eine Betriebs- und Finanzierungsgesellschaft, die außer dem Emissionsgeschäft auch die Einwerbung neuer Aufträge und den Betrieb und die Instandhaltung laufender Anlagen übernahm und so die eigentliche Produktionsgesellschaft finanziell und organisatorisch entlasten sollte. Generell problematisch bei der Errichtung neuer Elektrizitätswerke war die Tatsache, dass die erforderlichen hohen Kapitalinvestitionen erst nach mehreren Jahren befriedigende Gewinne abwarfen. Bei der anhaltend guten Konjunktur der 1890er Jahre wurden die Probleme verdeckt, die sich mit einem immer enger werdenden Finanzierungsspielraum schleichend einstellten.

Seit 1891 hatte das von Helios favorisierte Einphasen-Wechselstromsystem zudem eine ernstzunehmende Konkurrenz erhalten, nachdem sich auf der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt am Main die Leistungsfähigkeit des bei der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) von Michael von Dolivo-Dobrowolski entwickelten Drehstromsystems (Dreiphasen-Wechselstrom) gezeigt hatte. Coerper hatte zwar 1893/94 versucht, diese Konkurrenz durch den Erwerb der Patente für mehrphasigen Wechselstrom der US-amerikanischen Tesla Electric Co. zur Alleinverwertung im Deutschen Reich zu parieren, verlor jedoch einen Prozess vor dem Reichsgericht, da die Patente drei Jahre lang nicht angewendet worden waren. Der Wert des Unternehmens verfiel zusehends, im Februar 1901 wurden die Aktien an der Berliner Börse nur noch mit 73% ihres ursprünglichen Ausgabewertes notiert. Helios erwies sich zunehmend als „Fass ohne Boden”. Im Juli 1901 gewährten Banken und private Geldgeber dem Unternehmen zwar einen weiteren Kredit von 1,55 Mio. Mark, jedoch musste ein wesentlicher Teil des gesamten Wertpapierbesitzes als Sicherheit verpfändet werden. Die finanzielle Lage von Helios trug mit zur krisenhaften Entwicklung bei, die die Elektroindustrie 1901/02 traf und von der auch weitere Großunternehmen wie die Berliner Union Elektricitäts-Gesellschaft AG oder die  Elektrizitäts-Aktiengesellschaft vorm. Schuckert & Co. nicht verschont blieben. Die im Jahre 1902 unternommenen Bemühungen, das Unternehmen durch verschiedene „Umschuldungsmaßnahmen” noch zu retten, scheiterten im Februar 1903, als die Aktionärsversammlung die Liquidation von Helios beschloss.

Das 1894/95 errichtete Verwaltungsgebäude an der Venloer Straße gehört zu den besterhaltenen Bauten aus dieser Zeit in Köln. Dagegen wurde die ebenfalls noch erhaltene Produktionshalle im Verlauf ihrer wechselvollen Geschichte stark verändert. Zunächst wurde sie von einer Kölner Automobilbaufirma genutzt, nach deren Konkurs dann 1928 zur Austragungshalle der 6-Tage-Rennen umgebaut und nach Kriegszerstörung und Instandsetzung eröffnete hier Anfang der 1950er Jahre der erste Supermarkt Kölns. Nach umfangreichen Sanierungs- und Umbaumaßnahmen wird die Halle inzwischen von zwei Möbelhäusern, einem Fahrradmarkt sowie einem Fitnessstudio genutzt.

Informationsstand: 10.02.2018
Schlagworte: Elektroindustrie; Geschichte der Elektro- und Informationstechnik; Energie
Stichworte: Commanditgesellschaft für elektrisches Licht und Telegraphenbau, B. Berghausen & Co; Helios AG, Actien-Gesellschaft für elektrisches Licht und Telegraphenbau in Ehrenfeld und Köln; R. J. Gülcher; Ganz & Co.; Helios, Elektricitäts-Aktiengesellschaft; AEG; Siemens & Halske; Schuckert; Aktiengesellschaft für Elektricitäts-Anlagen in Köln; Michael von Dolivo-Dobrowolsky; Tesla Electric Co.; Union Elektricitäts-Gesellschaft AG; Elektrizitäts-Aktiengesellschaft vorm. Schuckert & Co.; Carl Coerper; Flachringgenerator; Gleichstromgenerator; Wechselstromtechnik; Systemstreit; Gleichstromtechnik; Straßenbahn; Kaiser-Wilhelm-Kanal; Nord-Ostsee-Kanal; Ehrenfeld; Finanzierungsgesellschaft; Emissionsgeschäft; Einphasen-Wechselstromsystem; Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft; AEG; Drehstromsystem; Dreiphasen-Wechselstrom; Liquidation

Quelle(n)

  • Werner Hübschmann, Helios - ein frühes Großunternehmen der deutschen Elektrotechnik. Technische Aspekte; in: Elektrotechnik im Wandel der Zeit. Drittes VDE-Kolloquium am 4. April 1984 in Frankfurt am Main. (Geschichte der Elektrotechnik, Bd. 1), Berlin / Offenbach 1984, S. 9-16
  • Horst A. Wessel, Aufstieg und Fall des Helios. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Elektroindustrie; in: Elektrotechnik im Wandel der Zeit. Drittes VDE-Kolloquium am 4. April 1984 in Frankfurt am Main. (Geschichte der Elektrotechnik, Bd. 1), Berlin / Offenbach 1984, S. 17-42
  • Werner Hübschmann, Coerper, Carl Theodor (1850-1903); in: Kurt Jäger / Friedrich Heilbronner, Lexikon der Elektrotechniker, 2. Aufl., Berlin / Offenbach 2010, S. 87-88
  • Dieter Klein-Meynen / Henriette Meynen / Alexander Kierdorf, Kölner Wirtschafts-Architektur von der Gründerzeit bis zum Wiederaufbau, Köln 1996
  • Axel Föhl, Bauten der Industrie und Technik in Nordrhein-Westfalen, Berlin 2000

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