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2017 Norbert Gilson
22.03.2021

TH Aachen (Elektrotechnisches Institut)

Schinkelstraße 2, 52062 Aachen 

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VDE Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik
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Erst relativ spät, 45 Jahre nach Einrichtung des ersten Lehrstuhls, erhielt die Elektrotechnik an der Technischen Hochschule Aachen ein neues, großzügiges Institutsgebäude. Es dokumentiert heute die in der 1920er Jahren stark gestiegene Bedeutung dieses Fachs.

Beschreibung


erbaut: 1927-29
Architekt / Bauleitung: Theodor Veil / Erwin Kropp

Bereits seit Gründung der Königlichen Rheinisch-Westfälischen Polytechnischen Schule in Aachen - seit 1880 Technische Hochschule Aachen - im Jahre 1870 wurden in der »Allgemeinen Schule« (Abteilung für Mathematik und Physik) Vorlesungen über „Elektrische Telegraphie” sowie, von Adolf Wüllner, über „Elektrodynamik und Elektromagnetismus” gehalten. Nachdem 1883 Otto Grotrian als Dozent für Elektrotechnik an der »Abteilung für Maschinen-Ingenieurwesen« sein Amt angetreten hatte, gab es auch an der TH Aachen eine eigenständige Vertretung der Elektrotechnik. Das Fach wurde aufgewertet, als Grotrian 1886 zum Professor für »Elektrotechnik« berufen wurde. Bis 1897 befanden sich die Räume Grotrians im Hauptgebäude der Technischen Hochschule am Templergraben. Im Mai 1897 konnte, zusammen mit der »Abteilung für Bergbau und Hüttenkunde und für Chemie« ein Neubau in der heutigen Wüllnerstraße bezogen werden, in dem nun das 1898 gegründete »Elektrotechnische Institut« seinen Sitz hatte.

Zum Wintersemester 1899 trat Gustav Rasch seine neue Stelle als Dozent für Elektrotechnik an. Er war jetzt hauptsächlich für die Projektierung von Kraftwerken und elektrischen Anlagen zuständig, während Grotrian vornehmlich die theoretischen Grundlagen der Elektrotechnik lehrte. 1905 wurde Rasch, neben Grotrian, zum zweiten »etatsmäßigen Professor« für Elektrotechnik berufen. Die Elektrotechnik an der TH Aachen expandierte weiterhin. Unter der Leitung von Rasch wurde 1909 ein elektrisches Prüffeld eingerichtet. Zudem wurde im gleichen Jahr mit Leo Finzi eine weitere Stelle, eine Dozentur für Elektrotechnik, besetzt, so dass das Fach nun mit drei hauptamtlichen Kräften vertreten war. Finzi war spezialisiert auf die Gebiete der „Elektrischen Leitungen” und der „Prüfung elektrischer Maschinen”.

Nachdem Otto Grotrian 1920 in den Ruhestand gegangen war und Gustav Rasch die TH Aachen für eine Honorarprofessur an der Universität Heidelberg verlassen hatte, wurde Walter Rogowski zum ordentlichen Professor für »Theoretische Elektrotechnik« als Nachfolger von Grotrian und Leo Finzi zum ordentlichen Professor für »Praktische Elektrotechnik« als Nachfolger von Rasch berufen. Die freigewordene Dozentenstelle von Finzi übernahm im Oktober 1922 Kurt Fischer. Fischer war 1907 am Elektrotechnischen Institut der Technischen Hochschule Darmstadt bei Erasmus Kittler promoviert worden und hatte nach verschiedenen Tätigkeiten in der Elektroindustrie 1920 in Köln-Zollstock ein eigenes Unternehmen, die Hochspannungsgesellschaft mbH, gegründet, das auf den Bau von öllosen Transformatoren für Hochspannungsprüffelder spezialisiert war. 1923 wurde Fischer zum außerordentlichen Professor für »Elektrotechnik und Hochspannungstechnik« an der TH Aachen ernannt. 

Walter Rogowski hatte nach dem Studium an den Technischen Hochschulen Aachen und Danzig 1908 eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle an der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) angenommen und war 1910 mit einer Arbeit über die magnetische Streuung an der TH Danzig promoviert worden. Als Professor und Direktor des Elektrotechnischen Instituts der TH Aachen beschäftigte er sich intensiv mit Wirbelstrom- und Stromverdrängungserscheinungen und kam durch Forschungen über Einschalt- und Eigenschwingungsvorgänge von Spulen mit dem Gebiet der Wanderwellen in Berührung. Der zum Studium dieser Phänomene unter seiner Leitung entwickelte Hochleistungs-Kathodenstrahl-Oszillograf ermöglichte es 1925, den zeitlichen Verlauf einer Wanderwelle erstmals experimentell aufzunehmen und bildlich darzustellen - ein damals weltweit beachteter Erfolg.

Schon bei Rogowskis Berufung war der 1897 bezogene und mit den Instituten des Bergbaus gemeinsam genutzte Bau für den Forschungs- und Lehrbetrieb der Elektrotechnik zu klein geworden. Im Januar 1923 erläuterte Rogowski den Beamten des Kultusministeriums erstmals seine Planungen für ein neues Elektrotechnisch-Physikalisches Institut. Die Baupläne waren mit dem allgemeinen Bebauungsplan für die Hochschule abgestimmt, die das Preußische Staatshochbauamt Aachen entworfen hatte. Aber erst 1927 konnten die erforderlichen Mittel für den geplanten Neubau bereitgestellt werden. Zwei Jahre später war das neue Gebäude des »Elektrotechnischen Instituts« bezugsfertig und wurde Ende Oktober 1929 feierlich eingeweiht. Das von dem Architekten Theodor Veil entworfene fünfgeschossige Gebäude folgte dem natürlichen Verlauf der Schinkelstraße und erhielt einen leicht gerundeten Fassadenverlauf. In der Mitte liegt der durch mit Basalt verkleidete Pilaster gegliederte Haupteingang, über dem sich in den Obergeschossen ein größerer Hörsaal befindet. Die Räumlichkeiten für die beiden Institute wurden im rechten (»Physikalisches Institut«) und linken Gebäudeteil (»Elektrotechnisches Institut«) untergebracht. Das Gebäude schließt mit einem leicht nach vorne gebogenen Gesims ab, das darüber liegende Attikageschoss mit einer Reihe von niedrigen Rundbogenfenstern tritt hinter die Bauflucht zurück. Aus Kostengründen verzichtete man auf die ursprünglich vorgesehene Fassadenverkleidung in Haustein und wählte stattdessen einen hell getönten Verputz, der um 2015 hell aufgefrischt wurde. Inzwischen ist das Bauwerk in die Liste denkmalwerter Gebäude aufgenommen.

Das neue Gebäude verfügte über ein hervorragend ausgestattetes Hochspannungslaboratorium, in dem Wechsel-, Gleich- und Stoßspannungen bis zu 1 MV erzeugt werden konnten, sowie über mehrere Kathodenstrahl-Oszillographen, Hochvakuumapparaturen und Einrichtungen für lichttechnische Untersuchungen bis zu Apparaten und Messanordnungen für die Fernmelde- und Hochfrequenztechnik. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges setzte auch für die Elektrotechnik der TH Aachen ein starkes Engagement in der Rüstungsforschung und -entwicklung ein. Im Auftrag des Oberkommandos der Wehrmacht wurde am Institut von Rogowski ein Minensuchgerät entwickelt und in Zusammenarbeit mit der Torpedoversuchsanstalt Eckernförde ein Torpedo-Suchgerät, so dass das Institut Anfang 1943 bis an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit mit Wehrmachtsaufträgen ausgelastet war.

Nach dem Tod von Rogowski im März 1947 wurde das ehemalige »Elektrotechnische Institut«, inzwischen zur Unterscheidung von dem 1934 gegründeten »Institut für Elektrotechnik II« in »Institut für Elektrotechnik I« umbenannt, ihm zu Ehren in »Rogowski-Institut für Elektrotechnik« umbenannt. Zu Rogowskis Nachfolger wurde Eugen Flegler als ordentlicher Professor für »Allgemeine und Theoretische Elektrotechnik« berufen. Flegler war nach dem Studium an der TH Darmstadt 1923 als Hilfsassistent von Rogowski an die TH Aachen gekommen und an den gemeinsamen Forschungsarbeiten zur Entwicklung der Kathodenstrahl-Oszillographen beteiligt gewesen. 1930 hatte er sich an der TH Aachen für das Fachgebiet »Starkstromtechnik« habilitiert und war danach als Privatdozent an die TH München gewechselt, wo er wichtige Arbeiten zur Erforschung von Durchschlägen in Gasen durchführte und dadurch wichtige Grundlagen zur Theorie der Kanalentladung lieferte.

Nach der Emeritierung von Flegler wurde das Rogowski-Institut in zwei Institute aufgeteilt. Zum einen wurde Walter Ameling auf den neuen Lehrstuhl für »Allgemeine Elektrotechnik und Datenverarbeitungssysteme« und zum Direktor des Rogowski-Instituts berufen, während das im gleichen Gebäude ansässige neue Institut für »Hochspannungstechnik« 1968 von August Hochrainer übernommen wurde.
 
Informationsstand: 28.03.2017
Schlagworte: Elektrotechnik; Studium, Beruf, Gesellschaft; Studium
Stichworte: Bildung; Wissenschaft; Elektrotechnik; Königlich Rheinisch-Westfälische Polytechnische Schule; Technische Hochschule Aachen; Telegrafie; Adolf Wüllner; Elektrodynamik; Elektromagnetismus; Otto Grotrian; Abteilung für Maschinen-Ingenieurwesen; Elektrotechnisches Institut; Gustav Rasch; Projektierung von Kraftwerken und elektrischen Anlagen; Prüffeld; Leo Finzi; Elektrische Leitungen; elektrische Maschinen; Walter Rogowski; Theoretische Elektrotechnik; Praktische Elektrotechnik; Kurt Fischer; Erasmus Kittler; Technische Hochschule Darmstadt; Hochspannungsgesellschaft mbH; ölloser Transformator; Elektrotechnik und Hochspannungstechnik; Physikalisch-Technische Reichsanstalt; PTR; TH Danzig; Wirbelstrom- und Stromverdrängungserscheinungen; Wanderwelle; Hochleistungs-Kathodenstrahl-Oszillograf; Theodor Veil; Attikageschoss; Rundbogenfenster; Hochspannungslaboratorium; Fernmeldetechnik; Hochfrequenztechnik; Oberkommando der Wehrmacht; Zweiter Weltkrieg; Rüstungsforschung; Minensuchgerät; Torpedoversuchsanstalt Eckernförde; Torpedo-Suchgerät; Institut für Elektrotechnik I; Rogowski-Institut für Elektrotechnik; Eugen Flegler; Allgemeine und Theoretische Elektrotechnik; Kathodenstrahl-Oszillograf; Starkstromtechnik; Kanalentladung; Walter Ameling; Lehrstuhl für Allgemeine Elektrotechnik und Datenverarbeitungssysteme; August Hochrainer

Quelle(n)

  • Walter Rogowski, Das neue Elektrotechnische Institut der Technischen Hochschule Aachen; in: Elektrotechnische Zeitschrift 50(1929), Heft 27, S. 993-997
  • Norbert Gilson / Walter Kaiser, Elektrizität - Energie - Information. Die Geschichte der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik an der RWTH Aachen, (Aachener Beiträge zur Wissenschafts- und Technikgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bd. 6), Diepholz / Stuttgart / Berlin 2010
  • Kurt Jäger / Friedrich Heilbronner, Lexikon der Elektrotechniker, 2. Aufl., Berlin / Offenbach 2010
  • Holger A. Dux, Geschichte(n) aus Stein und Stuck. Aachener Baugeschichte zwischen den beiden Weltkriegen, Aachen 1997 

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