Kraftwerk Heinitz_Bild 1
2011 Norbert Gilson
25.02.2020

Kraftwerk Heinitz

Holzhauerthalstraße, 66540  Neunkirchen (Saar)

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VDE Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik

Das 1905 errichtete Kraftwerk der ehemaligen Steinkohlengrube Heinitz ist eines der wenigen Relikte der einst umfangreichen Tagesanlagen dieses Grubenbetriebs. Das mit Gasmaschinen zur Stromerzeugung ausgestattete Kraftwerk war die erste Anlage dieser Art im Verwaltungsgebiet der preußischen Bergverwaltung und gleichzeitig das erste Großkraftwerk im Saarbergbau.

Beschreibung


erbaut: 1904-05
Bauherr: Preußische Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung

Heinitz ist der westliche Stadtteil von Neunkirchen (Saar). Er verdankt seinen Namen dem preußischen Staatsminister Friedrich Anton von Heinitz (1725-1802), der als Generalbergkommissar und Leiter des Sächsischen Bergwesens 1765 die Bergakademie Freiberg gründete und seit 1777 im preußischen Staatsdienst unter Friedrich II. als Reorganisator des preußischen Berg- und Hüttenwesens wirkte. Die Namensgebung für das 1847 gegründete Königliche Steinkohlebergwerk Heinitz, das bis 1962 in Betrieb war, zeigt die große Wertschätzung der preußischen Bergverwaltung für den früheren Staatsminister.

Da sich die in der Grube Heinitz geförderte Fettkohle besonders gut zur Kokserzeugung eignete, wurde zur Versorgung der saarländischen Hüttenbetriebe eine Kokerei eingerichtet. Die Fortschritte in Chemie und Maschinenbau ermöglichten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nicht nur die Gewinnung von Nebenprodukten aus dem Verkokungsprozess (wie Benzol, Pech, Teer oder Ammoniak), sondern auch die Verwendung des Koksgases zum Betrieb von Gasmotoren. Nachdem 1890 auf der Grube ein Gasmotor zur Stromerzeugung für die Beleuchtungsanlagen in Betrieb genommen worden war, beschritt man nach der Jahrhundertwende den Weg zur Elektrizitätserzeugung auf der Basis des Kokereigases im großen Stil. Dies war der Auftakt zur Elektrifizierung des gesamten Grubenbetriebs.

Die Gasmaschinen fanden in einer langgestreckten, 1920 erweiterten Halle Aufstellung. Der erste, 1905 installierte Gasmotor diente zum Antrieb eines Wechselstrom-Generators von 500 kW Leistung. Ein Jahr später, 1906, übernahm die Gasmaschinenzentrale auch die Stromversorgung der Gemeinde Neunkirchen. Bis 1909 kamen vier weitere Gasmotoren mit jeweils 1.200 PS Leistung sowie zwei Gasmotoren von 2.800 PS hinzu. Die Gasmaschinen blieben bis 1937 in Betrieb, als die Stromerzeugung stillgelegt und der Anschluss an das Überlandnetz erfolgte. Die Gasmaschinen wurden damals durch Elektro-Kompressoren der Zweibrücker Dinglerwerke AG beziehungsweise der  Maschinenbau-Aktiengesellschaft vorm. Erhardt & Sehmer ersetzt, die nun dazu dienten, das Kokereigas zu verdichten und in das Gasnetz der Saar-Ferngas AG zu drücken.

Nach der Stilllegung von Grubenbetrieb und Kokerei Heinitz in den Jahren 1962/63 beherbergte ein Teil der Halle noch die zentrale Gasabsaugstation der Saarbergwerke AG. Hier befand sich die Koordinationsstelle aller fünfzehn noch in Betrieb befindlichen saarländischen Absaugstationen, die das gefährliche Grubengas beseitigten und es in ein 90 km langes Gasleitungssystem einspeisten. Die Steuerzentrale in Heinitz verteilte das Gas je nach Bedarf an die Abnehmer, vor allem an Kraftwerke, die es als Brennstoff verwendeten. 1996 wurde auch dieser Betrieb eingestellt.

Die in Stahlskelettbauweise mit Jugendstilelementen errichtete Halle war vom preußischen Bergfiskus als Prestige-Monumentalbau gedacht. An das zentrale, leicht vorspringende Querhaus schließen sich in einem rhythmischen Wechsel von Querhäusern und Langbauten die Anbauten mit jeweils großen korbbogigen Fenstern an. Die Halle gilt wegen ihrer zur Bauzeit noch seltenen Stahlskelettarchitektur als einmalig im süddeutschen Raum und wurde 1978, vor allem auch wegen ihrer technikgeschichtlichen Bedeutung als eine der ersten großtechnischen Anlagen zur Stromerzeugung aus Kokereigas, in die saarländische Denkmalliste aufgenommen. Gleichwohl bedarf der bauliche Zustand des Bauwerks dringend einer Sanierung.
 
Informationsstand: 30.09.2016
Schlagworte: Elektrizitätserzeugung; Gaskraftwerke
Stichworte: Preußische Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung; Friedrich Anton von Heinitz; Generalbergkommissar; Bergakademie Freiberg; Berg- und Hüttenwesen; Preußen; Königliches Steinkohlebergwerk Heinitz; Fettkohle; Kokserzeugung; Kokerei; Nebenprodukte; Benzol; Pech; Teer; Ammoniak; Gasmotor; Elektrizitätserzeugung; Wechselstrom-Generator; Gasmaschinenzentrale; Gasmaschine; Elektro-Kompressor; Dinglerwerke AG; Maschinenbau-Aktiengesellschaft vorm. Erhardt & Sehmer; Gasnetz; Saar-Ferngas AG; Gasabsaugstation; Saarbergwerke AG; Gasleitungssystem; Stahlskelettbauweise; Jugendstil; Korbbogen-Fenster
 

Quelle(n)

  • Volker Rödel, Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik in Deutschland. Bd. 1. Alte Länder, Stuttgart 1992
  • Armin Schmitt, Denkmäler saarländischer Industriekultur. Wegweiser zur Industriestraße Saar-Lor-Lux, 2. Aufl., Trier 1995
  • Delf Slotta, Denkmal von nationaler Bedeutung? Die Jugendstil-Halle der Gasmaschinen-Zentrale Neunkirchen-Heinitz; in: Industriekultur 11(2005), Heft 31, Ausgabe 2.05, S. 21-22
  • Axel Böcker, Die Gasmaschinenhalle Heinitz; in: Industriekultur 22(2016), Heft 76, Ausgabe 3.16, S. 12-14

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