Das Ende der 1920er Jahre von der Aktiengesellschaft Sächsische Werke (ASW) errichtete Pumpspeicherwerk Niederwartha, das heute unter Denkmalschutz steht, ist - zusammen mit dem etwa zeitglich in Betrieb genommenen Pumpspeicherkraftwerk Hengstey an der Ruhr (später »Koepchenwerk«) der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk AG - gehört zu den ersten Großanlagen dieser Art, nachdem das Konzept der Pumpspeicheranlage bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts im kleineren Maßstab in eine Reihe von regionalen Wasserkraftanlagen umgesetzt worden war. Das Pumpspeicherkraftwerk Niederwartha dokumentiert die am Ende der 1920er Jahre dringlich zu lösende Aufgabe der Spitzenlastdeckung, für die die einzelnen Elektrizitätsgroßversorger ihre eigenen Pumpspeicherkraftwerke errichteten.
Beschreibung
erbaut: 1928-31 / 1957-58 (Erweiterung)
Architekten: Hans Poelzig, Emil Högg
Die Planungen für ein Pumpspeicherwerk in Sachsen wurde zu Beginn der 1920er Jahre von der Aktiengesellschaft Sächsische Werke (ASW) in die Wege geleitet. Als geeigneter Standort wurde - auch wegen der Interessen der Stadt Dresden für ihre eigene Elektrizitätsversorgung - ein Gelände bei Niederwartha (seit 1997 Stadtteil von Dresden) im Westen der sächsischen Landeshauptstadt ausfindig gemacht. Zur Durchführung der Baumaßnahme gründeten ASW und Stadt Dresden die Energieversorgung Groß-Dresden AG, an der beide Partner je zur Hälfte beteiligt waren. Mit der Lage ungefähr in der Mitte zwischen den beiden Braunkohlegroßkraftwerken der ASW in Böhlen im Westen und Hirschfelde im Osten von Sachsen war der Standort äußerst günstig, auch in Hinblick auf die gesamte Elektrizitätsversorgung von Sachsen.
Mit dem im Elbtal bei Niederwartha gelegenen Unterbecken mit einem Fassungsvermögen von 2,5 Mio. cbm und dem etwa 140 m oberhalb, bei Rennersdorf angelegten Oberbecken mit einem Stauraum von 2,9 Mio. cbm besaß das Pumpspeicherwerk ein Arbeitsvermögen von 591 MWh. Es war so bemessen, dass eine Tagesspeicherung möglich war. Die drei Druckrohre können jeweils eine Menge von 16 cbm pro Sekunde fördern. Als Kraftwerksgebäude entstanden die Maschinenhalle, das Schalthaus, ein Verwaltungsbau sowie ein Magazin- und Werkstattgebäude, die durchweg als kubische Baublöcke ausgeführt wurden. Das Verwaltungsgebäude hebt sich durch einen zum Eingang hin halbrund gestalteten Turm von den anderen Bauwerken ab. Alle Gebäude sind zwei- oder dreigeschossige Stahlbetonbauten mit Klinkerverblendung und Flachdach. Die Fensterreihen und Geschossbänke betonen die Horizontale. Das obere Geschossband ist attikaähnlich über das Dach hinausgezogen und zinnenartig ausgebildet.
Bei der Inbetriebnahme im Jahre 1930 betrug die Gesamtleistung 90 MW. Sie wurde von sechs Maschinensätzen zu je 15.000 kW erbracht, die jeweils aus einer Francis-Spiralturbine, einer Zentrifugal-Hochdruckpumpe und einer Drehstrom-Synchronmaschine bestanden. Die Pumpen und Turbinen wurden von J.M. Voith (Heidenheim), von der Gebr. Sulzer AG (Ludwigshafen) und von Escher Wyss & Cie. (Ravensburg) geliefert, die Generatoren stammten von der Sachsenwerk Licht- und Kraft AG. Die Drehstrommaschinen wurden je nach Erzeugungs- oder Pumpbetrieb entweder als Generator oder als Motor betrieben. Unmittelbar neben der Maschinenhalle entstand die zugehörige 100 kV-Freiluftschaltanlage.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Anlagenteile im Zuge von Reparationsleistungen teilweise demontiert. In den Jahren von 1951 bis 1960 erfolgten Wiederaufbau und Rekonstruktion. Dabei wurde die Leistung auf 126 MW ausgebaut. Für die Aufstellung von zwei neuen Maschinensätzen wurde das Maschinenhaus um drei Achsen verlängert. Von den bauzeitlich installierten sechs Maschinensätzen sind heute vier stillgelegt.
Informationsstand: 15.05.2015
Schlagworte: Elektrizitätserzeugung; Pumpspeicherkraftwerke; Stromerzeugung; Energie; Energy
Stichworte: Aktiengesellschaft Sächsische Werke; ASW; Stahlbetonbau; Klinkerverblendung; Hans Poelzig; Emil Högg; Francis-Spiralturbine; Zentrifugal-Hochdruckpumpe; J. M. Voith; Drehstrom-Synchronmaschine; Sachsenwerk Licht- und Kraft AG; Energieversorgung Groß-Dresden AG; Niederwartha; Dresden; Rennersdorf; Tagesspeicherung; Braunkohlegroßkraftwerk Böhlen; Braunkohlegroßkraftwerk Hirschfelde; Gebr. Sulzer AG; Escher, Wyss & Cie.
Quelle(n)
- Volker Rödel, Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik in Deutschland. Bd. 2. Neue Länder, Berlin / Stuttgart 1998
- Klaus Mauersberger (Leitung), Historische Sachzeugen der Kraftwerks- und Energietechnik in Sachsen, Dresden 1994
- Ein Pumpspeicherwerk in Niederwartha bei Dresden; in: Elektrotechnische Zeitschrift 48(1927), Heft 26, S. 945