Rundfunksendestelle Wiederau_Bild 2
2011 Norbert Gilson
09.02.2021

Rundfunksendestelle Wiederau

Senderstraße, 04523 Pegau

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VDE Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik

Die Rundfunksendestelle in Wiederau bei Leipzig ist bereits seit 1932 Standort eines Mittelwellensenders, von dem aus Sendungen nach Sachsen, Thüringen und Anhalt ausgestrahlt wurden. Die Sendestelle dokumentiert auch die technischen Änderungen in Sender- und Antennentechnik, die sich im Verlauf des 80-jährigen Sendebetriebs vollzogen haben.

Beschreibung

 
erbaut: 1932 / 1952, 1958, um 1967 (Erweiterungen)


Kurz nach Beginn der ersten deutschen Rundfunksendungen, die vom Sender in Königs Wusterhausen bzw. aus dem Vox-Haus in Berlin ausgestrahlt wurden, schlug am 1. März 1924 die Geburtsstunde des zweiten Rundfunksenders in Leipzig. Die Sendungen kamen von einem kleinen 2 kW-Sender, der auf dem Leipziger Messegelände aufgestellt war. Ende der 1920er Jahre konnte dieser Sendebetrieb aber nicht mehr befriedigen, die - auch internationalen - Standards wiesen in Richtung Großsenderbau.


Im Frühjahr 1931 fiel die Entscheidung, rund 20 km südlich von Leipzig in Wiederau eine solche Großsenderanlage zu errichten. Neben dem Betriebsgebäude wurden zwei 125 m hohe Türme (1935 abgerissen) aus dem äußerst witterungsbeständigen amerikanischen Pechkiefernholz errichtet. An dem zwischen ihnen gespannten, 312 m langen Hanfseil wurde die 90 m lange Reusenantenne aufgehängt. Als Sender diente ein 120 kW starker Röhrensender der Leipziger Firma Lorenz. Mit dieser Ausrüstung startete die Anlage im Oktober 1932 auf der Mittelwellenfrequenz 770 kHz mit den Sendungen. Betriebsgesellschaft war die Mitteldeutsche Rundfunk AG (MIRAG), deren Sendebezirk den Freistaat Sachsen, die Staaten Thüringen und Anhalt, die preußische Provinz Sachsen sowie Teile des Freistaates Braunschweig umfasste.

Da die Sendungen nur in einem Umkreis von rund 80 km gut zu empfangen waren und es vor allem in den Nachtstunden zu starken Schwunderscheinungen kam, wurde die Sendeanlage bereits 1935 umgebaut. Die Endstufe des Senders wurde mit modernen Senderöhren (vom Typ RS300) ausgestattet und als neue Antennenanlage wurde eine Vertikalantenne in einem neu errichteten, 155 m hohen Holzfachwerkturm installiert. Der Turm war das Wahrzeichen von Wiederau, bis er 1953 gesprengt wurde. 1939 wurde in Wiederau ein zweiter Mittelwellensender mit 100 kW Leistung und einer Dreieck-Flächenantenne (mit drei Gittermasten als Stützpunkten) aufgebaut. 1943 wurde zudem mit dem Aufbau eines Kurzwellensenders begonnen. Das Gemeinschaftsprojekt der französischen Firma SFR (Paris) und von Telefunken kam jedoch nicht für die Ausstrahlung von Rundfunksendungen zum Einsatz, sondern soll als Störsender gegen alliierte Flugzeuge verwendet worden sein.

Nachdem Wiederau im Juli 1945 nach Abzug der Amerikaner von sowjetischen Streitkräften besetzt worden war, wurde die Senderanlage der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) unterstellt. Sie gestattete im September 1945 die Wiedereinschaltung des Mittelwellensenders. Ab Juni 1946 wurde von der neuen Mitteldeutschen Rundfunk GmbH vom »Sender Leipzig« in Wiederau aus ein zweites Vollprogramme in der sowjetischen Zone neben den Sendungen der Berliner Rundfunk GmbH ausgestrahlt. Nach der Reorganisation des Rundfunks in der DDR verlor der Sender 1952 seine Eigenständigkeit und wurde zu einer Außenstelle der Ostberliner Zentrale mit einem abendlichen, halbstündigen Eigenprogramm. Zu dieser Zeit wurde auch die technische Einrichtung in Wiederau erneuert. Ein 156 m hoher Rohrmast (rechter Mast auf Foto 6 und Foto 7) wurde errichtet und der Holzfachwerkturm gesprengt. 1958 begann mit der Errichtung eines eigenen Sendegebäudes für UKW- und TV-Ausstrahlungen auch in Wiederau das Zeitalter der VHF (=Very High Frequency)-Technik. Der Rohrmast wurde auf 236 m aufgestockt und stand nun auch als Träger für die UKW- und TV-Antennen zur Verfügung.

Ende der 1960er Jahre wurden die Anlagen nochmals erweitert. Es kamen ein neues Gebäude sowie ein zweiter Stahlrohrmast (linker Mast auf Foto 6 und Foto 8) für den UHF-Fernsehsender hinzu, der fortan das 2. Programm des Deutschen Fernsehfunks (DFF) ausstrahlen sollte. Desweiteren wurde ein neuer 100 kW-Kurzwellensender errichtet, der ab 1972 das Auslandsprogramm von Radio Berlin International verbreitete. Nach der Wende änderte sich die Situation des Sendebetriebs und der Rundfunkgesellschaften grundlegend. Nach einer Übergangszeit nahm Wiederau die Abstrahlung von Sendungen des 1992 neu gegründeten Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) auf. Neben dem Mittelwellenprogramm von »MDR Info« werden verschiedene UKW-Programme des MDR sowie Programme von ARD und ZDF sowie von zwei sächsischen Privatsendern ausgestrahlt.

Die auf den Fotos vom November 2011 sichtbaren Einrichtungen existieren inzwischen nicht mehr. Mitte September 2013 wurden die Dreiecksflächenantenne sowie der 51 Meter hohe Reservesendemast für Mittelwelle abgebaut. Der seit der Abschaltung des analogen Fernsehens im Jahr 2007 funktionslos gewordene 236 m hohe Stahlrohrmast wurde am 25. Oktober 2013 ebenfalls durch Sprengen beseitigt.
 
Informationsstand: 31.12.2014
Schlagworte: Sendeanlagen; Informations- und Kommunikationstechnik (IKT); Nachrichten- und Kommunikationstechnik
Stichworte: Rundfunksendung; Sender Leipzig; Großsender; Wiederau; Großsenderanlage; Reusenantenne; Röhrensender; Mittelwellensender; Mitteldeutsche Rundfunk AG; MIRAG; Freistaat Sachsen; Thüringen; Anhalt; Provinz Sachsen; Freistaat Braunschweig; Senderöhre; RS300; Vertikalantenne; Holzfachwerkturm; Dreieckflächenantenne; Kurzwellensender; SFR; Telefunken; Störsender; Sowjetische Militäradministration in Deutschland; SMAD; Mitteldeutsche Rundfunk GmbH; sowjetische Zone; Berliner Rundfunk GmbH; Rohrmast; UKW; Fernsehen; VHF; Very High Frequency; UHF; Fernsehsender; Deutscher Fernsehfunk; DFF; Auslandsprogramm; Radio Berlin International; Rundfunkgesellschaft; Mitteldeutscher Rundfunk; MDR; MDR Info; Privatsender
 

Quelle(n)

  • Gerd Klawitter (Hrsg.), 100 Jahre Funktechnik in Deutschland. Funksendestellen rund um Berlin, Berlin 1997

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