Der zu Beginn des 20. Jahrhunderts für die Technische Hochschule Dresden errichtete Neubau des »Elektrotechnischen Instituts« ist eng verbunden mit dem ersten Hochschullehrer für Elektrotechnik an der Dresdener Hochschule, Johanes Görges. Das im Zweiten Weltkrieg schwer in Mitleidenschaft gezogene und Ende der 1940er Jahre wieder aufgebaute Institutsgebäude erhielt zu Ehren von Johannes Görges den Namen »Görges-Bau«.
Beschreibung
erbaut: 1903-05, 1952-53 (Wiederaufbau und Aufstockung)
Konzeption / Architekt: Johannes Görges / Karl Weißbach
Nachdem Johannes Görges 1901 als Ordinarius für »Elektrotechnik« an die Technische Hochschule Dresden berufen worden war, wurde nach seinem Entwurf in den Jahren von 1903 bis 1905 ein Gebäude für das in der »Mechanischen Abteilung« der TH Dresden neu gegründete »Elektrotechnische Institut« errichtet. Mit seinen Einrichtungen entsprach es nicht nur dem damaligen Stand der Elektrotechnik, sondern bot für mehr als zwei Jahrzehnte auch die Möglichkeit, der Weiterentwicklung der Elektrotechnik durch die Integration neuer Lehrinhalte gerecht zu werden.
Alle Räume des Gebäudes wurden um einen ausgedehnten Lichthof mit einem Grundriss von 25 m x 14 m gruppiert, in dem der zentrale Maschinensaal eingerichtet war. Der Eingang wurde durch einen Mittelrisalit hervorgehoben, dessen zentrales Gestaltungsmotiv ein großes Rundbogenfenster im Stil des Neoklassizismus bildet. Im Institutsgebäude waren außer einem großen Experimentierhörsaal eine Reihe weiterer Laboratoriumsräume für den experimentellen Unterricht, Zeichen- und kleinere Hörsäle sowie Professoren- und Assistentenzimmer untergebracht.
Johannes Görges (1859-1946) war nach dem Studium der Mathematik und Physik in Tübingen, Göttingen und Berlin 1884 in das Konstruktionsbüro von Siemens & Halske in Berlin eingetreten und hatte sich dort unter der Leitung von Friedrich von Hefner-Alteneck vorwiegend mit theoretischen Fragen des Generatorenbaus, des Verhaltens von kurzen und langen Leitungen sowie der Regelung des Anlaufs von Elektromotoren beschäftigt. Vor seiner Berufung an die TH Dresden war Görges zuletzt Vorstandsmitglied und stellvertretender Direktor der Siemens & Halske AG. Seine Forschungs- und Lehrtätigkeit an der TH Dresden trug dazu bei, dass sein Name eng mit der Verwissenschaftlichung der Elektrotechnik zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbunden ist. In seinem 1913 erschienenen Lehrbuch „Grundzüge der Elektrotechnik” fasste er den damaligen Stand der theoretischen Grundlagen der Elektrotechnik zusammen.
Görges erhielt mit der Berufung von Wilhelm Kübler im Jahre 1902 zusätzliche Unterstützung. Kübler war nun für die Lehrgebiete »Elektromaschinenbau« sowie »Licht-, Kraft- und Bahnanlagen« zuständig. Er war einer der ersten Starkstromtechniker, die sich mit der Kraft-Wärme-Kopplung bei der Erzeugung elektrischer Energie auseinandersetzte. Das auf seine Initiative hin errichtete Hochschul-Kraftwerk wurde bereits nach diesem Konzept eingerichtet.
Das Dresdener Institut war vor dem Ersten Weltkrieg unter der Leitung von Görges an der Lösung von wichtigen Problemen der Elektrizitätsversorgung beteiligt. In Sachsen bestand hinsichtlich der Erzeuger und Verbraucher von Starkstrom eine charakteristische Konstellation: In den Elektrizitätswerken waren überwiegend Kolbendampfmaschinen und Großgasmaschinen zum Antrieb der Generatoren im Einsatz, während auf Großverbraucherseite Kolbenpumpen und Kompressoren einen größeren Teil der Verbrauchsaggregate bildeten. In theoretischen und praktischen Arbeiten wurde am »Elektrotechnischen Institut« geklärt, auf welche Weise die dadurch hervorgerufenen Energiependelungen betriebstechnisch beseitigt werden konnten. Eine weitere wichtige Frage wurde im Zusammenhang mit der Errichtung der ersten europäischen 100-kV-Drehstromübertragung zwischen Lauchhammer und Gröba bearbeitet. Im Lichthof des »Elektrotechnischen Instituts« wurden mit einem entsprechenden Versuchsaufbau die Korona-Erscheinungen (Sprühabstrahlungen von den Leitungsseilen) erstmalig praktisch und theoretisch untersucht.
Nach Küblers Tod im Jahre 1919 wurde zu seinem Nachfolger Ludwig Binder berufen, der zuvor 14 Jahre bei der Siemens-Schuckertwerke GmbH (SSW) tätig gewesen war. Da sich die Hochspannungstechnik zu dieser Zeit zu einem Lehr- und Forschungsgebiet mit hoher Dynamik entwickelte, setzte er die Gründung eines eigenen Instituts durch, für das ein eigenes Gebäude errichtet wurde. Johannes Görges schied 1930 im Alter von 71 Jahren aus dem Hochschuldienst aus. Sein Nachfolger für die Lehrgebiete »Allgemeine Elektrotechnik« und »Theoretische Elektrotechnik« wurde Adolf Güntherschulze, ein ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet der Gleichrichtertechnik.
Beim Luftangriff auf Dresden in der Nacht des 13. Februar 1945 wurde auch das Institutsgebäude von Brandbomben getroffen, so dass die oberen Stockwerke ausbrannten und nur das Sockelgeschoss verschont blieb. So blieben die zahlreichen Versuchsmaschinen weitgehend vor Zerstörung verschont. Beim Wiederaufbau wurde das Gebäude, das 1952 den Namen »Görges-Bau« erhielt, um ein zusätzliches Dachgeschoss erweitert.
Informationsstand: 28.03.2017
Schlagworte: Elektrotechnik; Studium, Beruf, Gesellschaft; Studium
Stichworte: Johannes Görges; Karl Weißbach; Elektrotechnik; Technische Hochschule Dresden; Mechanische Abteilung; Elektrotechnisches Institut; Maschinensaal; Rundbogenfenster; Mittelrisalit; Neoklassizismus; Siemens & Halske; Friedrich von Hefner-Alteneck; Generatorenbau; TH Dresden; Siemens & Halske AG; Lehrbuch; Wilhelm Kübler; Elektromaschinenbau; Licht-, Kraft- und Bahnanlagen; Starkstromtechnik; Kraft-Wärme-Kopplung; Hochschul-Kraftwerk; Erster Weltkrieg; Kolbendampfmaschine; Großgasmaschine; Kolbenpumpe; Kompressor; Energiependelung; 100-kV-Drehstromübertragung; Lauchhammer; Gröba; Korona-Erscheinungen; Ludwig Binder; Siemens-Schuckertwerke GmbH; SSW; Hochspannungstechnik; Allgemeine Elektrotechnik; Theoretische Elektrotechnik; Adolf Güntherschulze; Gleichrichtertechnik; Luftangriff; Görges-Bau
Quelle(n)
- Der Rektor der Technischen Hochschule Dresden (Hrsg.), 125 Jahre Technische Hochschule Dresden. Festschrift, Berlin 1953
- Fritz Liebscher / Werner Klaus (Hrsg.), Gebäude und Namen. Technische Universität Dresden, Dresden [1978]
- Dorit Petschel [Bearb.], Die Professoren der TU Dresden 1828 - 2003, Köln / Weimar / Wien 2003
- Reiner Pommerin, Geschichte der TU Dresden 1828 - 2003, Köln / Weimar / Wien 2003