Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat kürzlich seinen »Aktionsplan Stromnetz« vorgestellt. In diesem Plan schlägt er Maßnahmen vor, um den Netzausbau deutlich zu beschleunigen und bestehende Netze optimieren zu können. Wie bewerten Sie diesen Aktionsplan? Sind lediglich die vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland Nutznießer?
Müller: Der Aktionsplan des Bundeswirtschaftsministers nennt sicherlich die richtigen Ziele, liefert jedoch leider nicht die notwendigen Antworten auf die offenen Fragen, die es beim Netzausbau gibt. Es bleibt bei allgemeinen Ankündigungen. Peter Altmaier konzentriert sich zudem zu sehr auf die Übertragungsnetze. Deren Ausbau ist natürlich überfällig, entscheidend für das Gelingen der Energiewende sind aber immer mehr die Verteilnetze. Hier werden mehr als 95 Prozent aller Windenergie- und PV-Anlagen angeschlossen. Jede Kilowattstunde, die lokal erzeugt, gespeichert und verbraucht wird, muss nicht mehr über weite Strecken transportiert werden. Es ist sehr bedauerlich, dass der Bundeswirtschaftsminister während seiner dreitägigen Reise kaum Interesse an den Verteilnetzen gezeigt hat. Wenn hier nicht bald ein Umdenken geschieht, gefährdet die Regierung den Erfolg der Energiewende.
Aufgrund des Ausbaus der Erneuerbare-Energien-Anlagen in Deutschland haben sich die Einspeisekapazitäten erheblich erhöht. Ich vermute, dass in Ihr Netz vorwiegend Solaranlagen einspeisen?
Müller: In der Tat hält das Wachstum beim Anschluss von Erneuerbare-Energien-Anlagen an. In Deutschland gibt es mittlerweile mehr als 1,7 Millionen dieser Anlagen, von denen rund 20 Prozent an das Verteilnetz von innogy angeschlossen sind. Das entspricht rund 340.000 Anlagen. Mit rund 97 Prozent macht die Photovoltaik den zahlenmäßig größten Teil aus, bei der Einspeisemenge lag allerdings die Windkraft mit einem Anteil von circa 54 Prozent vorn.
Wie reagiert innogy auf die zunehmende Einspeisung in das Unternehmensnetz mit technischen und organisatorischen Maßnahmen?
Müller: Die weiter wachsende Zahl der angeschlossenen Anlagen sowie die hohe volatile Einspeisemenge machen deutlich, dass die Komplexität des Netzbetriebs weiter zugenommen hat. Auf diese Herausforderungen haben sich die Verteilnetzbetreiber der innogy-Gruppe eingestellt. Pro JahrJährlich investiert innogy deshalb zwischen 600 und 800 Millionen Euro in ihre deutschen Netze. Daneben betreiben wir auch zahlreiche Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Ich bin überzeugt, dass intelligente Verteilnetze eine Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende sind.
Mit der zunehmenden Einspeisung aus Erneuerbaren stellt sich auch die Frage nach der Speicherung. Denn der Erzeugungszeitraum elektrischer Energie stimmt häufig nicht mit dem Verbrauchszeitraum überein. Welche Lösungen bieten sich hier in ihrem Netz an? Gibt es bei innogy Aktivitäten in Richtung Sektorenkopplung?
Müller: Aus meiner Sicht ist Power-to-Gas eine Technologie, die sehr gut geeignet ist, überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien langfristig und in großem Maßstab zu speichern. In Ibbenbüren, im Norden Nordrhein-Westfalens, testen wir eine solche Anlage. Dort wird Strom aus Windkraft gespeichert. Dabei werden das Strom- und Gasnetz so gekoppelt, dass die vorhandene Erdgasinfrastruktur quasi als Riesenakku genutzt wird. Die bisherigen Ergebnisse haben die Erwartungen sogar noch übertroffen: Insgesamt erreicht die Anlage einen Wirkungsgrad von mehr als 85 Prozent.
Und was können Endverbraucher tun?
Müller: Jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten: Über unseren Vertrieb bieten wir den Kunden seit Jahren Batteriespeicher an. Ein weiterer Baustein sind künftig auch die Batterien der Elektrofahrzeuge. Im Rahmen von Smart Charging könnten wir die Leistungsabgabe so regulieren, dass bei Engpässen alle Nutzer etwas weniger Energie bekommen oder bei Überschuss alle etwas mehr. Entscheidend ist doch nur, dass die Autos vollgeladen sind, wenn sie gebraucht werden. Steuerbare Ladesäulen sind daher auch eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen. In diesem Sinne bietet E-Mobilität sogar die Chance, das Netz der Zukunft zu stützen, indem die Akkus als Pufferspeicher für eine fluktuierende Einspeisung einbezogen werden.