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Deutscher Bundestag / MELDEPRESS/AMS
05.06.2019 Kurzinformation

VDE berät die Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz" des Deutschen Bundestages

Im Sommer 2018 hat der Deutschen Bundestag beschlossen, die Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale“ einzusetzen. Die Kommission setzt sich aus Mitgliedern des Deutschen Bundestages sowie externen Experten zusammen.

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Markus B. Jaeger
Enquete KI Teigeler Hallensleben

Sebastian Hallensleben und Michael Teigeler beraten in der Enquete-Kommission "Künstliche Intelligenz" im Deutschen Bundestag

| VDE

Entsprechend dem Einsetzungsbeschluss untersucht sie den Einfluss der Künstlichen Intelligenz auf unser Leben, die deutsche Wirtschaft und zukünftige Arbeitswelten. Zudem werden die Chancen und Herausforderungen von KI diskutiert. Dabei wird eine Vielzahl rechtlicher, ethischer und technischer Fragen miteinbezogen, um so schließlich den Handlungsbedarf zu bestimmen.

Der VDE bewertete die Einsetzung der Enquete-Kommission von Beginn an sehr positiv und steht seit ihrer Gründung in einem sehr engen und fraktionsübergreifenden Kontakt zu den Bundestagsabgeordneten der Enquete. Für den Leiter Politik des VDE, Markus B. Jaeger, war es eine logische Konsequenz, dass der unabhängige Technologie-Verband VDE die politischen Entscheidungsträger in dieser für den Standort Deutschland und Europa sehr existenziellen Frage berät: „Der VDE bündelt wie kaum eine andere Organisation Wissen der KI-Experten, jahrzehntelange Erfahrung im Bereich der Normung komplexer technischer Sachverhalte sowie fachkundige und neutrale Moderation technologisch komplexer Vorgänge. KI ist das Zukunftsthema! So, wie es die Einführung der elektrischen Energie in der breiten Gesellschaft vor über 125 Jahren gewesen ist. Auch damals – es war die Geburtsstunde des VDE – war es Intention, den Menschen die Angst vor der neuen Technologie zu nehmen.“

Jaeger und Sebastian Hallensleben, KI-Experte des VDE, haben seit der Gründung der Enquete-Kommission mit vielen Bundestagsabgeordneten der Kommission über die Arbeit des VDE im Bereich Künstliche Intelligenz gesprochen. Schwerpunkte waren dabei die VDE-Themen Normung, Mobility, Cyber-Security und Gesundheit. Aus den vertraulichen Gesprächen ist eine Kooperation zwischen VDE und Politik gewachsen, die gemeinsam den Einfluss sowie die Chancen und Herausforderungen von KI für Gesellschaft und Wirtschaft untersucht und diskutiert.

Normung und KI

Ein Erfolg der mehrmonatigen Gespräche war die Einladung von Michael Teigeler (Geschäftsführer VDE|DKE) und Hallensleben zu einer Beratung der Enquete-Kommission Anfang Mai 2019. Beide haben bei der ganztägigen Sitzung im Deutschen Bundestag zum Thema „Normung von KI“ vorgetragen und Ansätze des VDE skizziert, wie sich die Herausforderung einer für die Menschen sicheren KI durch Normung lösen lässt. Dazu erläuterte Teigeler den Mitgliedern der Kommission zunächst die Arbeit des VDE und speziell den Normungsprozess in der DKE. Dabei unterstrich er die wichtige Rolle der Normung im Bereich Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik für die Gesetzgebung. Hallensleben nahm die KI-Experten des Deutschen Bundestag mit auf die Reise, den Bereich KI aus Sicht des VDE und der Normung zu beleuchten.

Normung setzt bereits bei der präzisen Bestimmung von Fachbegriffen und Methoden an, angefangen mit der Definition von Künstlicher Intelligenz. Ebenso wichtig ist die Normung bei Daten und Algorithmen. Solange Trainingsdaten und -verfahren sowie deren Schnittstellen mit KI-Algorithmen noch nicht genormt sind, bleibt jede KI-Lösung ein mühsam zusammengefügtes Einzelstück. Auch die Interoperabilität von Systemen sollte nach Empfehlung des VDE genormt werden, um eine einwandfreie Funktionsweise von sich verändernden Systemen sicherzustellen. Ebenfalls ein wichtiger Gegenstand von Normung sind Prüfverfahren. Besonders bei KI-Systemen sind diese nicht trivial, da sich die Systeme aufgrund eigener Lernprozesse ständig verändern und ihr Innenleben als „Blackbox“ nicht transparent ist.

Ethik und KI

Ein weiterer wichtiger Bereich betrifft das Thema Ethik und die Frage, wie sich Ethik für KI normen lässt. Es gibt dazu drei Ansätze. Man könnte zum einen versuchen, explizite ethische Regeln in eine Norm zu fassen. Ein fiktives Beispiel im Bereich autonom fahrender Autos: „Kinder sind im Fall eines Unfalls wichtiger als Rentner“ oder „100 Schwerverletzte sind besser als ein Toter“. Für solche Regeln lässt sich aber schon innerhalb Deutschlands kein gesellschaftlicher Konsens finden, geschweige denn auf internationaler Ebene.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass gar nicht Ethik selbst, sondern lediglich die Prozesse und Strukturen, in denen ethische Entscheidungen getroffen werden sollen, genormt werden. Ein solcher Ansatz funktioniert prinzipiell, ist aber zu unspezifisch und verschiebt heikle und gesellschaftlich relevante Fragen in schwer überschaubare Gremien.

Der dritte, aus VDE-Sicht sinnvollste Ansatz ist folgender: Die Normung lässt sich von der erfolgreichen und etablierten Produkt-Kennzeichnung inspirieren, wie sie etwa bei der Darstellung der Energieeffizienz von Geräten üblich ist. Die Experten können zum Beispiel ähnliche Skalen für die Eigenschaften von KI-Systemen wie Schutz von Privatsphäre, Diskriminierungsfreiheit oder Transparenz normen. Ein transparenter Wettbewerb, das Festsetzen von regionalen Mindeststandards und Entscheidungsfreiheit für Verbraucher wären die Vorteile.

Gesundheit und KI

Die Mitglieder der Enquete-Kommission baten den VDE nach dem ersten Besuch in der Kommission schließlich um eine Vertiefung des Experteninputs speziell zum Thema „KI und Gesundheit“ und luden zu einer weiteren Expertenanhörung ein. Schon eine Woche nach dem Schwerpunkt „KI in der Wirtschaft – Normung von KI und Ethik in der KI“ sollte der VDE zur „KI im Gesundheitsbereich“ vortragen und beraten. Der langjährige Normungs- und Gesundheitsexperte Oliver Christ und der den Kommissions-Mitgliedern bereits bekannte Sebastian Hallensleben mahnten an, sich dringlich auf das bereits klar absehbare Engagement von Internetriesen wie Google, Apple oder Amazon im Gesundheitsbereich vorzubereiten. Diese Firmen haben diesen Bereich schon lange als Wachstumsmarkt erkannt und investieren darin mit 3-5 Jahren Vorsprung bei KI-Patenten, enormen Kapitalreserven, hoher KI-Kompetenz und großen Beständen von Gesundheitsdaten. Sie dürften daher – wenn die Politik nicht die richtigen Weichen stellt – auch den Markt in Deutschland dominieren. Hier ist es nach der Empfehlung des VDE entscheidend, dass Normung und Politik rasch einen eindeutigen Rahmen schaffen, um nationalen bzw. europäischen Anbietern alle Möglichkeiten offen zu halten. Ein ungebremstes Vorstoßen in regulatorisches Neuland und regulatorische Grauzonen wie es Airbnb, Facebook, Uber, Youtube etc. in anderen Branchen betrieben haben, darf es im Gesundheitsbereich nicht geben.

Nötig ist ein klare Einstufung und Bewertung von KI-Werkzeugen danach, für welche konkreten Einsatzzwecke sie sich eignen (z.B. Selbstüberwachung von Patienten, Diagnoseunterstützung für Ärzte oder Lebensrettung im Notfall) und inwieweit sie Kriterien wie Sicherheit und Datenschutz gewährleisten. Regulierung und Normung können hier als „Filter“ dienen. Gleichzeitig ist auch eine gesellschaftliche Debatte über den Umgang mit Restrisiken erforderlich.

Christ und Hallensleben wiesen in der Diskussion zudem darauf hin, dass im Bereich Gesundheit von vornherein nur ein europäischer Ansatz erfolgversprechend ist. Die in Europa vorhandenen, aber kleinteiligen KI-Ressourcen an Daten, Algorithmen, Anwendungen und Kompetenzen müssen auf Grundlage gemeinsamer offener Standards zusammengeführt werden. Nur so kann der Marktübermacht aus den USA und China Einhalt geboten werden.