Das Gleichrichterwerk Tegel markiert einen technologischen Umbruch in der Versorgung der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen mit Gleichstrom. Erstmals wurden hier statt rotierender Umformer Quecksilberdampf-Gleichrichter aufgestellt, die sich im Versuchsbetrieb bestens bewährten und zudem eine kostengünstigere Bauweise der Gleichrichteranlagen ermöglichten.
Beschreibung
erbaut: 1925-26
Architekt: Richard Brademann
Zusammen mit dem Unterwerk Hennigsdorf diente das Unterwerk Tegel zur Stromversorgung der Vorortstrecke von Berlin über Hennigsdorf nach Velten (heute S 25 / RB 55). Die Anlage in Tegel übernahm dabei die Speisung des südlichen Streckenabschnitts. Die beiden Unterwerke markieren den Beginn einer neuen Ära in der Stromversorgung der Berliner S-Bahn. Sie wurden erstmals mit wassergekühlten Quecksilberdampf-Gleichrichtern statt der zuvor verwendeten rotierenden Umformer ausgestattet. Die Stationen waren zunächst nur als Versuchswerke geplant, um Erkenntnisse über den neuartigen und im Verhalten noch unbekannten Gleichrichterbetrieb zu gewinnen. Es stellte sich heraus, dass die Gleichrichter bei gleicher Leistung wie die Umformer einen geringeren Raumbedarf hatten und sich wegen geringeren Gewichts und fortfallender dynamischer Belastung die Anforderungen an die Statik der Gebäudekonstruktion wesentlich reduzieren ließen.
Somit ist es nicht verwunderlich, dass sich der technische Wandel in einem gegenüber den Umformerwerken veränderten architektonischen Erscheinungsbild niederschlug. Wie in Hennigsdorf fasste Brademann auch in Tegel die gesamte technische Ausrüstung in einem einzigen Gebäudekubus zusammen. Im Erdgeschoss befanden sich die 30 kV-Sammelschiene der ankommenden Versorgungsspannung sowie die Ölschalter und Transformatoren. Das Obergeschoss war für die Gleichrichter und die 800 V-Sammelschiene für die abgehende Bahnstromversorgung reserviert. Beide Geschosse konnten mit einem Laufkran bedient werden. Die von ihm rangierten Ausrüstungsgegenstände wurden über ein großes Tor an der Seite zugeführt. (Foto 4)
Charakteristisch ist auch bei der Tegeler Anlage, dass Brademann technisch funktionale Erfordernisse bewusst als gestalterische Elemente verwendete. Besonders deutlich wird dies bei den Lüftungsschächten der Transformatorenzellen. Sie sind als dreieckige, pfeilerartige Wandvorlagen gestaltet und bis über die Trauflinie hinaus geführt, wo sie in Lüfteraufsätzen aus Beton enden. (Fotos 1 bis 3) Auch im äußeren Erscheinungsbild sind die beiden Gleichrichterwerke Hennigsdorf und Tegel deutlich von den früheren, durchgehend mit Putzfassaden gestalteten Umformerwerken abgesetzt. Die Gleichrichterwerke wurden nun mit rotbunten Klinkern verkleidet. Dieses Gestaltungsmerkmal wurde für alle übrigen Gleichrichterwerke beibehalten.
Das Gleichrichterwerk Tegel, das heute unter Denkmalschutz steht, ist mit modernisierter Technik weiterhin in Betrieb und zeigt in der baulichen Substanz im Vergleich zur Entstehungszeit keine wesentlichen Veränderungen.
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Informationsstand: 02.05.2016
Schlagworte: Elektrizitätsübertragung / -verteilung; Gleichrichterstation; Energy; Energie; Energienetze; Mobility; Mobilität; Verkehrsmanagement
Stichworte: Richard Brademann; Gleichrichterwerk Tegel; Vorortstrecke; Quecksilberdampfgleichrichter; 30-kV-Sammelschiene; Ölschalter; Transformator; Gleichrichter; 800-V-Sammelschiene
Quelle(n)
- Susanne Dost, Richard Brademann (1884 - 1965). Architekt der Berliner S-Bahn, Berlin 2002
- Volker Rödel, Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik in Deutschland. Bd. 2. Neue Länder - Berlin, Stuttgart 1998
- Landesdenkmalamt Berlin, Denkmalliste Berlin (Stand: 16.04.2013), Nr. 09011885
- Thorsten Dame, Elektropolis Berlin. Architektur- und Denkmalführer, Berlin 2014