Das im Ersten Weltkrieg errichtete und nahezu im Originalzustand erhaltene Metallwerk der Siemens-Schuckertwerke zeigt eindrucksvoll nicht nur die Entwicklung der vertikalen Integration aller Fertigungsvorgänge von den Rohstoffen bis zum fertigen Produkt, sondern auch die Anpassungsfähigkeit der Struktur und Nutzung von Stahlskelettkonstruktionen für den Industriebau.
Beschreibung
erbaut: 1917-18 / 1922, 1928-29
Architekten: unbekannt / Hans Hertlein
Der Bau des Metallwerkes stand im Zusammenhang mit den während des Ersten Weltkrieges vorgenommenen umfangreichen Erweiterungen des unmittelbar benachbarten Kabelwerkes. Mehrere Betriebseinrichtungen - das Warmwalzwerk für Kupferplatten, ein Kaltwalzwerk für Kupferbänder, eine Gesenkpresserei, eine Strangpresse für Stangenmaterial, eine Zieherei für schweres Wicklungskupfer und ein Kupferdraht-Warmwalzwerk - wurden aus dem Kabelwerk in den Neubau ausgelagert. Ab August 1918 wurde das Metallwerk aus dem Kabelwerk gelöst und arbeitete seitdem als selbständiger Betrieb der Siemens-Schuckertwerke GmbH.
Da Baumaterial, insbesondere Eisen, während des Krieges in Deutschland knapp war, ließen die staatlichen Kriegswirtschaftsstellen zusammen mit der deutschen Heeresleitung im besetzten belgien und Frankreich Industriehallen demontieren und in deutschen Betrieben je nach Bedarf wieder aufbauen. Hans Hertlein war an der Suche nach einer geeigneten Halle für den Metallwerk-Neubau beteiligt und fand in Valenciennes (Frankreich) ein brauchbares Bauwerk, dessen Architekt nicht bekannt ist. Die Hallenteile wurden nach Gartenfeld überführt und hier remontiert. Die Halle (Fotos 1 bis 3) führte im firmeneigenen Sprachgebrauch nun die Bezeichnung »Belgienhalle«. Konstruiert ist die Halle als Eisenfachwerkbau mit Eisenstützen im Innenbereich. Die Fronten sind mit rotem Backsteinmauerwerk und gerasterten Fensterflächen ausgefacht. Bei mehrfachen Erweiterungen wurden an die ursprüngliche Halle im selben Stil mehrere Hallenschiffe angebaut bzw. die bestehenden verlängert, so dass die Produktionsstätte Ende der 1920er Jahre aus acht Hallenschiffen bestand.
Ein weiteres charakteristisches Bauwerk der Produktionsanlage ist der auf quadratischem Grundriss errichtete, fast 34 m hohe, mit einem Zeltdach versehene »Akku-Turm« (Foto 4). Es handelte sich dabei um einen Wasserturm für die Druckwasserversorgung der Strangpresse. Ein weiteres interessantes Relikt sind die am Rande des Betriebsgeländes erhaltenen Absetzbecken (Foto 5).
Nach den Beschädigungen des Zweiten Weltkriegs und anschließenden Demontagen des Maschinenbestandes wurden mit dem Wiederaufbau verschiedene bauliche Veränderungen vorgenommen. Das Fabrikationsspektrum des Metallwerks umfasste weiterhin die Herstellung von Metallhalbzeugen und Drähten für die Kabelherstellung. Die auf dem Weg der Warmformung mit Hilfe von Strangpressen entstandenen Drähte, Stangen, Profile oder Rohre wurden auf dem Wege der Kaltformung in den verschiedensten Drahtziehmaschinen unter Einschaltung von Zwischenglühungen zu den gewünschten Endprodukten weiterverarbeitet.
Mit der weltwirtschaftlichen Entwicklung auf dem Kupfermarkt seit Mitte der 1970er Jahre wurden Umstrukturierungen erforderlich, in deren Folge die Kupferraffination und die nachfolgenden Halbzeugproduktionen eingestellt wurden. Danach beherbergte das Metallwerk noch die mit modernsten Maschinen ausgestattete Drahtzieherei für Kabeldrähte.
Heute findet im Metallwerk keine Kabeldrahtproduktion mehr statt. Die Bauten beherbergen jetzt den »delta businesspark« sowie die Fabrik Berlin der BSH Bosch und Siemens Haushaltsgeräte GmbH.
Informationsstand: 22.07.2015
Schlagworte: Elektroindustrie; Werkstoffe; Leiterwerkstoffe, Supraleitung; Geschichte der Elektro- und Informationstechnik
Stichworte: Erster Weltkrieg; Kabelwerk; Warmwalzwerk für Kupferplatten; Kaltwalzwerk für Kupferbänder; Gesenkpresserei; Strangpresse; Zieherei; Wicklungskupfer; Kupferdraht-Warmwalzwerk; Metallwerk; Hans Hertlein; Valenciennes; Kriegswirtschaft; Industriehalle; Belgienhalle; Siemens-Schuckertwerke GmbH; SSW; Eisenfachwerkbau; Akkumulatorenturm; Metallhalbzeuge; Kabelherstellung; Warmformung; Kaltformung; Drahtziehmaschine; Halbzeugproduktion; delta businesspark; BSH Bosch und Siemens Haushaltsgeräte GmbH; Siemensstadt; Wasserturm; Druckwasserversorgung
Quelle(n)
- Wolfgang Schäche / Wolfgang Ribbe, Die Siemensstadt. Geschichte und Architektur eines Industriestandortes, Berlin 1985
- Landesdenkmalamt Berlin, Denkmalliste Berlin (Stand: 16.04.2013), Nr. 09085856
- Thorsten Dame, Elektropolis Berlin. Architektur- und Denkmalführer, Berlin 2014