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28.08.2024

Meinung: Jetzt nicht in den Nachwuchs zu investieren, halte ich für einen Fehler.

Im Jahre 2020 ist der Arbeitsmarkt an Elektroningenieuren nicht gewachsen – das war ein Corona-Sondereffekt. Mittlerweile aber wächst er wieder um 1.000 bis 2.000 Stellen pro Jahr. Gleichzeitig gehen 12.000 bis 13.000 in den Ruhestand. Momentan verlassen 7.500 Absolventen pro Jahr deutsche Hochschulen und Unis – das ist praktisch nichts. Ich rechne schon bald mit Wehklagen, »warum haben wir hier nicht frühzeitig mehr gemacht«. Leider. 

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Warum muss gehandelt werden?

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Die Wirtschaftskrise und die Corona-Krise haben sich nur für rund anderthalb bis zwei Jahre auf den Arbeitsmarkt für Elektroingenieure ausgewirkt. Wir verzeichneten für diese Zeit eine Arbeitslosenquote oberhalb von 2 Prozent, aber eben immer noch unterhalb 3 Prozent – das ist immer noch „Vollbeschäftigung“ und sind bemerkenswert geringe Auswirkungen für diese Krisenzeiten. Dazu kommt, dass die aktuelle wirtschaftliche Flaute meiner Meinung nach ein Stück weit auch psychologisch und fehlendem Vertrauen der Wirtschaft in die Politik geschuldet ist . Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein langfristiger Zustand bleiben wird. Eine Studie der Deutschen Bank passt dazu, weil sie aktuell (Juni 2024) sehr interessante Ergebnisse präsentiert, die in der Lage sind, die Stimmung in der Elektronikbranche wieder aufzuhellen. Eine Deindustrialisierung sei bei der Produktion und zunehmend auch bei der Beschäftigung festzustellen, schreiben die Ökonomen. Der Beitrag der Industrie zum Volkseinkommen sei aber stabil.

Die Experten schreiben, dass der Energieschock von 2022 eine Verschiebung der industriellen Wertschöpfungskette in Deutschland von volumenbasierten und energieintensiven Aktivitäten hin zu hochtechnologischen und margenstarken Aktivitäten verstärkt. Und schließt daraus, dass es sich eher um eine industrielle Evolution als um eine generelle Deindustrialisierung handele. Und das ist doch Wasser auf unseren Mühlen, wenn wir uns für mehr Nachwuchs im Studiengang Elektrotechnik engagieren: Wer, wenn nicht Elektroingenieurinnen und -ingenieure, soll denn sonst die hochtechnologischen Produkte entwickeln, die wir dazu brauchen? 

Ich erwarte für 2026, dass die Zahl der Absolventen in Elektrotechnik noch einmal massiv zurückgehen wird. Wir hatten 2020 einen deutlichen Rückgang der Erstsemester bei den Hochschulen, das ist aktuell noch in der Pipeline. Da bin ich mal gespannt auf die Reaktionen der Unternehmen, wenn sich das dann auf dem Arbeitsmarkt auswirkt. Einzelne Hochschulstandorte der Elektrotechnik sind bereits jetzt gefährdet, hier spürt man den Rückgang der Erstsemester ja unmittelbar. Laut VDE-Studie 2023 berichtet die Hälfte aller Standorte von Problemen. Ich kann den Unternehmen daher nur raten, ihre Personalplanung elektrotechnischer Fachkräfte längerfristig auszurichten. Ein starker Absolventenrückgang 2026/27 ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Eine Zurückhaltung bei der Nachwuchsförderung ist also schädlich. Und: Ministerien wie das BMWF oder auch das BMWK sollten bei ihren Förderprogrammen die besondere Stellung der Elektro- und Informationstechnik innerhalb des MINT-Fächerkanons erkennen und berücksichtigen. MINT ist nicht gleich MINT!

Wir haben anhand mehrerer Studien die Jugend genau unter die Lupe genommen, was das Studieninteresse am Fach Elektro- und Informationstechnik angeht. Das Ergebnis war erschreckend. Immerhin wissen wir nun recht gut, wie man hier gegensteuern müsste und am Image arbeiten kann. Aber das wird nicht kostenlos zu haben sein. Wir benötigen hierfür eine professionell gemanagte Imagekampagne, was aber Zukunftsmusik ist. Folglich müssen wir wohl weiterhin darauf hoffen, dass wir fertig ausgebildete Ingenieure und Ingenieurinnen aus dem Ausland rekrutieren, was auch in den letzten Jahren bereits in hohem Maße der Fall gewesen ist.