Michael Lohscheller, CEO Opel Automobile GmbH

Michael Lohscheller, CEO Opel Automobile GmbH: „Moderner Ablasshandel in Form von hohen Strafzahlungen kann keine Alternative sein."

| Opel
11.12.2020

CO2 ist die neue Währung in der Automobilindustrie

Corona-Krise und strenge CO2-Vorgaben setzen die deutsche Automobilindustrie unter Druck. Wie Opel mit diesen Herausforderungen umgeht und warum die Expertise bei Batteriezellen nicht aus der Hand gegeben werden sollte, verrät Michael Lohscheller, CEO der Opel Automobile GmbH, im Interview mit Dr. Ralf Petri, Geschäftsbereichsleiter Mobility, und Dennis Heusser, Projektmanager Mobility, beim VDE.

Wie gehen Sie als Unternehmen aktuell mit den Herausforderungen der Corona-Krise um?

Michael Lohscheller: Wir befinden uns mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg. In dieser enorm schwierigen Situation ist es absolut maßgeblich, die Entwicklungen genau zu beobachten und schnell zu reagieren. Das ist eine unserer Stärken, denn Flexibilität und Agilität sind zwei der zentralen Unternehmenswerte unseres Konzerns. Wir haben bereits im März, als sich das Ausmaß der Krise allmählich andeutete, früh gegengesteuert. So hat es Opel als einer der wenigen Automobilhersteller in Europa geschafft, im ersten Halbjahr einen operativen Gewinn zu erzielen. Das zeigt, dass wir wetterfest aufgestellt sind. Um aber auch das klar zu sagen: Bei allem was wir tun, hat die Gesundheit unserer Mitarbeiter oberste Priorität.

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Opel gehört seit 2017 zum PSA-Konzern. Was hat sich seitdem verändert? 

Michael Lohscheller: Nahezu alles. Wir haben unser Unternehmen komplett neu aufgestellt. Kompass war dabei unser PACE!-Plan mit seinen drei übergeordneten Zielen: Opel wird nachhaltig profitabel, elektrisch und global. Bei allen diesen Zielen haben wir in den vergangenen drei Jahren signifikante Fortschritte gemacht und sind heute gut aufgestellt.

Wie ist der Turnaround von Opel gelungen?

Michael Lohscheller: Einen solchen Turnaround zu schaffen, ist eine Teamaufgabe. Wir haben bei Opel eine tolle Mannschaft, die die Herausforderung angenommen hat – auch wenn es nicht immer leicht war. So umfassende Veränderungen in einem großen Unternehmen vorzunehmen, geht nicht, ohne auch schwierige Entscheidungen zu treffen und umzusetzen. Und genau das ist einer der Gründe, warum unser Plan so gut funktioniert: Wir sind auch an die schwierigen Themen wie zum Beispiel unser Produktportfolio oder auch die Überkapazitäten rangegangen und haben Opel so zukunftsfähig aufgestellt.

Früher galt das Credo hoher Stückzahlen. Wie wichtig ist Ihnen diese Kennzahl heute noch?

Michael Lohscheller: Qualität geht vor Quantität! Natürlich wollen auch wir möglichst viele Autos verkaufen. Aber in keinem Fall um jeden Preis – weder zu Lasten der Marge, noch zu Lasten der CO2-Werte. Deshalb haben wir direkt nach der Integration in den PSA-Konzern begonnen, unser Produktportfolio zukunftsfähig aufzustellen. Dazu gehörte es auch, Modelle, die weder effizient noch in Sachen CO2 wettbewerbsfähig waren, aus dem Programm zu nehmen. Das hat natürlich unser Volumen belastet. Dennoch sind wir profitabel geblieben und den strengen europäischen CO2-Zielen Stück für Stück nähergekommen. Es nutzt nichts, mehr Autos zu verkaufen, damit aber nichts zu verdienen und am Ende sogar noch Strafen für nicht eingehaltene Emissionsziele zahlen zu müssen. CO2 ist quasi die neue Währung in der Automobilindustrie. Aber lassen Sie mich auch klar sagen: Wir haben beim Portfolio unsere Hausaufgaben gemacht und wollen auf dieser Basis nun auch wieder wachsen. Die richtigen Produkte dafür haben wir – beispielweise den Corsa oder unseren neuen Mokka. Und auch die jüngsten Absatzzahlen zeigen wieder in die richtige Richtung: So ist etwa der Corsa im Jahresverlauf der meistverkaufte Kleinwagen in Deutschland.

Die EU erlässt immer strengere Emissionsvorgaben. Wird Opel diese CO2-Ziele erreichen?

Michael Lohscheller: Klare Antwort: Ja, wir werden die Ziele für 2020 einhalten. Für uns gibt es keine Alternative, denn das ist auch unsere moralische Verpflichtung und gesellschaftliche Verantwortung. Moderner Ablasshandel in Form von hohen Strafzahlungen kann keine Alternative sein. Der Klimawandel ist die größte Herausforderung unserer Generation. Wir müssen Antworten liefern – und zwar jetzt und nicht irgendwann. Das sind wir der jüngeren Generation schuldig und das erwarten im Übrigen auch unsere Kunden von uns. Die Marke Opel ist übrigens auf einem sehr guten Weg, das belegen auch unabhängige Studien. Keine andere Marke hat in den vergangenen Monaten so große Fortschritte beim Thema CO2 gemacht wie Opel. Was die Zeit nach 2020 angeht, über die ja gerade öffentlich viel diskutiert wird, ist für uns als Automobilhersteller mit langen Vorlaufzeiten und hohem Investitionsbedarf ein verlässlicher Planungsrahmen sehr wichtig.

Welche Priorität haben alternative Antriebe im Opel-Portfolio, um die CO2-Ziele einzuhalten?

Michael Lohscheller: Die Elektrifizierung unseres Modellportfolios ist aktuell unsere Top-Priorität, denn E-Mobilität ist bei der Erreichung der CO2-Ziele absolut alternativlos. Im bisherigen Jahresverlauf haben wir bereits rund 24.000 elektrifizierte Fahrzeuge verkauft. Doch das ist erst der Anfang, denn schon im kommenden Jahr werden wir neun elektrifizierte Modelle im Angebot haben und damit alle wichtigen Marktsegmente abdecken – vom Kleinwagen über SUV bin hin zu allen unseren Nutzfahrzeugen. 2024 wird dann unser gesamtes Fahrzeugportfolio auch elektrifiziert verfügbar sein.  

Der Aufbau einer eigenen Batteriezellfertigung ist ein wichtiges Zukunftsprojekt

Michael Lohscheller, CEO Opel Automobile GmbH

Michael Lohscheller: „Wir sind der Meinung, dass wir die Expertise bei Batteriezellen nicht aus der Hand geben dürfen."

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Unter GM waren Sie mit dem Opel Ampera "First-Mover" auf dem Gebiet der Elektromobilität. Mit Fiat Chrysler kommt nun ein Konzern zur PSA-Group, der sich „für Strafzahlungen statt Investitionen in E-Autos" in Genf 2019 ausgesprochen hat. Wie passt diese Aussage in den Konzernverbund?

Michael Lohscheller: Ich kann natürlich nur über die Groupe PSA und Opel/Vauxhall sprechen. Und wir sind der Meinung, dass der Elektromobilität die Zukunft gehört. Der aus der Fusion von PSA und FCA entstehende Stellantis-Konzern wird für die Zukunft der Mobilität und für die aktuelle Transformation der Branche gerüstet sein.

Sie wollen „Elektromobilität für alle zugänglich machen". Wie erreichen Sie dieses Ziel?

Michael Lohscheller: Indem wir Elektromobilität zu bezahlbaren Preisen bieten und so Zukunftstechnologie auch der breiten Masse zugänglich machen. Das ist seit jeher der Kern der Marke Opel.

In Kaiserslautern errichten PSA und die Total-Tochter Saft mit Förderung des Landes Rheinland-Pfalz und des Bundes die größte deutsche Batteriezellproduktion für Elektrofahrzeuge. Welche Vorteile erhoffen Sie sich von einer eigenen Produktion?

Michael Lohscheller: Unser Anspruch ist es, das Thema E-Mobilität ganzheitlich zu denken und die Wertschöpfungskette komplett abzudecken. Wir elektrifizieren deshalb bis 2024 unser gesamtes Fahrzeugportfolio, produzieren als Teil der Groupe PSA Elektromotoren und investieren in den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Und wir planen gemeinsam mit Partnern eine eigene Batteriezellfertigung in Kaiserslautern. Mit einer Investition von insgesamt zwei Milliarden Euro wollen wir eine Giga-Factory aufbauen, die jährlich bis zu 500.000 Fahrzeuge mit Batteriezellen ausstatten kann. Der Aufbau einer eigenen Batteriezellfertigung ist ein wichtiges Zukunftsprojekt, mit dem wir zukunftssichere Jobs schaffen werden. Wir sind der Meinung, dass wir die Expertise bei Batteriezellen nicht aus der Hand geben dürfen. Wir machen uns mit diesem Projekt unabhängig von Lieferanten aus Übersee. Gerade das Know-how bei Batteriezellen ist wichtig, weil die Batterie eines der wichtigsten Elemente des elektrifizierten Autos ist.

Mit den beiden Konsortialprojekten „Electric City Rüsselsheim“ und „E-Mobility Lab Hessen“ haben Sie eine Vielzahl an Ladepunkten für interne Flotten und Entwicklungsfahrzeuge installiert. Welche Erkenntnisse haben Sie aus den Projekten gewonnen?

Michael Lohscheller: Aus unserer Sicht ist es gerade in der Hochlaufphase der Elektromobilität wichtig, dass alle ihren Beitrag leisten, um die Technologie voranzubringen. Deshalb investieren wir auch in die Ladeinfrastruktur , obwohl es nicht unsere ureigene Aufgabe ist. Insgesamt haben wir im Rahmen der genannten Konsortialprojekte in unserer Heimatstadt Rüsselsheim bereits 500 Ladepunkte für interne Flotten am Netz – in der Endausbaustufe sollen es alleine bei „Electric City“ 1.300 sein, ein Großteil davon auch öffentlich zugänglich. Im Projekt „E-Mobility-Lab“ forschen wir in einem Reallabor auch an künftigen Ladeszenarien und am Thema “2nd-Life“ und haben bereits wichtige Erfahrungen gesammelt. Solche Projekte braucht es mehr – dafür muss ein Schulterschluss von Unternehmen aus verschiedenen Branchen und öffentlicher Hand her.

Wie bewerten Sie den aktuellen Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland?

Michael Lohscheller: Es ist einiges passiert. Wir brauchen aber natürlich noch mehr Ladesäulen, um den Hochlauf der Elektromobilität zu ermöglichen. Die jüngsten politischen Entscheidungen gehen meines Erachtens daher in die richtige Richtung.


Mann laedt E-Auto auf
Tomasz Zajda / stock.adobe.com

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Inwiefern spielen Normen und Standards bei der Ladeinfrastruktur für Opel eine wichtige Rolle?

Michael Lohscheller: Es ist natürlich ganz wichtig, dass es bei diesem Thema Normen und Standards gibt. Ein Flickenteppich hilft niemandem weiter – auch und vor allem dem Kunden nicht. Klarheit und Verlässlichkeit sind maßgeblich, um den Infrastrukturausbau gemeinsam voranzubringen – und damit letztlich auch die Elektromobilität insgesamt.

Sie haben erst kürzlich Tests mit Brennstoffzellenfahrzeuge für das Jahr 2021 angekündigt. Wo sehen Sie Chancen und Einsatzgebiete für die Brennstoffzelle?

Michael Lohscheller: Wir sind technologieoffen, daher spielt auch die Brennstoffzelle eine wichtige Rolle in unseren Überlegungen für eine emissionsfreie Zukunft. Unsere Ingenieure in Rüsselsheim haben einen großen Erfahrungsschatz bei diesem Thema, weshalb sie federführend für die gesamte Groupe PSA sind. Aus meiner Sicht ist die Brennstoffzelle vor allem in größeren Fahrzeugen eine echte Alternative für die künftige Mobilität.

Welche Fahrzeuge von Opel werden als erstes mit der Brennstoffzellentechnologie ausgestattet werden?

Michael Lohscheller: Schon im kommenden Jahr planen wir erste Tests auf der Straße und statten unseren Transporter Vivaro mit Brennstoffzellen aus.

Lassen Sie uns zum Abschluss noch einen Ausblick in das Jahr 2050 wagen: Wie werden wir uns künftig fortbewegen?

Michael Lohscheller: Schwer zu sagen, so ganz ohne Glaskugel (lacht). Ich bin aber sicher, dass es emissionsfrei sein wird und zumindest teilautonom.