Grafik fahrerlose Autos

Die Mobilität der Zukunft beeinflusst auch den öffentlichen Raum: Fahrerlose, fernabgestellte Autos werden die Parkraumbewirtschaftung verändern und in den Stadtzentren neue nutzbare Flächen schaffen.

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07.03.2017 Fachinformation

Das Auto aus der Maker-Factory

Wie sieht Mobilität im Jahr 2050 aus? Experten sprechen schon heute für die Fahrzeugbranche von der dramatischsten Revolution seit der Erfindung des Automobils. Aber nicht nur das Auto – auch die anderen Verkehrstechniken zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft werden sich massiv verändern.

Die Autofahrt von A nach B lässt sich dank Digitalisierung immer genauer berechnen, nach Streckenlänge, Fahrtdauer, Spritverbrauch. Der Kurs der Autobranche in ihre Zukunft muss indes ohne ein präzises Navigationssystem auskommen: Zu tiefgreifend und disruptiv sind die Veränderungen der Mobilität, die von den Fortschritten in Mikroelektronik und Software-Engineering angetrieben werden.

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Digitalisierung und Klimawandel treiben Wandel der Mobilität

Autonome Fahrzeuge, neue Antriebstechniken und ein anderes Nutzerverhalten in Form von Sharing-Modellen – Experten sprechen für die Fahrzeugbranche von der dramatischsten Revolution seit der Erfindung des Automobils. Aber auch Schiff- und Luftfahrt sind nicht gefeit. Zwei Megatrends sind es, die den Wandel der Mobilität antreiben: die Digitalisierung und der Klimawandel.

„Ich verlasse am Morgen mein Haus, und meine Mobilitätsanbieter wissen bereits, wohin ich möchte. Sie stellen für mich an diesem individuellen Morgen die optimale Kombination von autonomen Mobilitätssystemen zusammen und weisen mir den Weg. Das beinhaltet auch den morgendlichen Stopp beim Bäcker, dessen Croissants für mich die besten im Universum sind.“ Dies schilderte VDE-Vorstandsvorsitzender Ansgar Hinz kürzlich nach einem Blick in die Glaskugel der Verkehrszukunft. Science-Fiction? Von wegen! „Sehr große Teile davon werden wir alle zusammen schon bald erleben“, war sich Hinz sicher.

Am stärksten ist derzeit die Dynamik im Automobilsektor. In den letzten Jahren hat die Elektronik in einem Umfang in die Fahrzeuge Einzug gehalten, dass sich schon von „rollenden Computern“ sprechen lässt. „In einem High-End-Fahrzeug finden wir heute mittlerweile knapp 100 Steuerungsgeräte, ungefähr doppelt so viele Sensoren und noch einmal 150 Aktuatoren“, zählt Helmut Matschi von der Continental AG auf. Die Daten, die bisher „on board“ verarbeitet wurden, gehen mit der Car-to-Car-Communication und der Anbindung ans Internet zunehmend nach draußen und vervielfachen sich im Volumen. Das heutige Datenvolumen, das ein Fahrzeug pro Stunde seiner Fahrt sendet, schätzen Experten auf 27 Megabyte. Für 2020 wird ein Volumen von rund 215 Megabyte pro Stunde erwartet. Hinzu kommt der Masseneffekt: Bis Ende des Jahrzehnts werden weltweit 250 Milliarden Autos digital vernetzt sein, schätzt Matschi: „Das Fahrzeug wird Teil des Internet of Everything.“

Autonomes Fahren in der Experimentierphase

Das autonome Fahren, das ohne menschliche Lenkradsteuerung auskommt, befindet sich technisch noch in der Experimentierphase. Das gilt auch für neue Geschäftsmodelle rund um die Personen- und Güterlogistik. Der Mobilitätsdienstleister Uber testet in den USA den fahrerlosen Taxibetrieb. Auf die Beschäftigten der Beförderungs-Branche kommen ungewisse Zeiten zu. Ein Treiber für die schnelle Verbreitung von autonomen Fahrzeugen wird nach Einschätzung von Kurt Sievers, Geschäftsführer der NXP Semiconductors Germany GmbH, das Versprechen des sicheren Fahrens sein. Noch immer kommen weltweit jährlich 1,3 Millionen Menschen im Straßenverkehr ums Leben. 90 Prozent der Unfälle sind auf menschliches Versagen zurückzuführen. Zukunftstrend Nummer zwei ist das saubere Fahren. Der Verkehr ist durch seinen Schadstoffausstoß aus den Verbrennungsmotoren mit einem Fünftel am menschengemachten Treibhauseffekt beteiligt. In den Städten entstehen die meisten Emissionen durch das Stehen im Stau. Elektrisch betriebene Roboterautos, die den Stau umfahren oder ihn durch die geringere Zahl an Vehikeln gar nicht entstehen lassen, wären die Öko-Lösung. Schließlich Trendsetter drei: Komfort. „Beim autonomen Fahren darf der Mensch auch mal müde sein“, verspricht Sievers. Ein Privileg, das ansonsten nur dem Beifahrer zuteil wird.

Sievers Firma NXP ist ein führender Hersteller von Mikroelektronik für die Fahrzeugbranche. Die Chips kommen etwa in Fahrerassistenzsystemen zum Einsatz. Die Datensicherheit ist für ihn von großer Bedeutung, auch in der Abwehr von externen Hackerangriffen auf die Steuersysteme. „Cyber Security wird für das autonome Fahren von grundlegender Bedeutung sein“, hebt Sievers hervor. „Es geht schließlich um Leib und Leben der Insassen.“

Ein neues Kooperationsverhalten innerhalb der Automobilbranche erwartet Ricky Hudi, Geschäftsführer der FMT Future Mobility Technology GmbH und zuvor lange Jahre Leiter der Elektronikentwicklung der Audi AG. Die in den letzten 100 Jahren von den Autoherstellern perfektionierte „Car Experience“ werde nun um die „User Experience“ seitens der Nutzer ergänzt, für die das Smartphone zum zentralen Steuergerät werde. „Das Fahrzeug hat für den Nutzer dann nicht mehr zu tun als eine App“, so Hudi. Im Düsseldorfer VDI-Technologiezentrum hat man den Blick weiter in die Zukunft gerichtet. Im Rahmen des „Foresight-Zyklus II“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wurden dort die Forschungs- und Technologieperspektiven bis zum Jahr 2030 untersucht. Darunter als eines von elf Technologiefeldern auch die Mobilität. Fünf große Entwicklungen sieht die Foresight-Gruppe unter Leitung von Prof. Dr. Axel Zweck für den Verkehrsbereich im kommenden Jahrzehnt als relevant: Neben dem autonomen Fahren und der damit verbundenen Verkehrsflussoptimierung werden Veränderungen durch die IT-Dienste im Fahrzeug und für das Fahrzeug sowie neue Fahrzeug- und Antriebskonzepte, vor allem bei elektrischen Antrieben und Energiespeichern, erwartet. Weitere Trends für Forschung und Technologie werden beim Thema Multimodaler Verkehr sowie in der Logistik und dem Internet der Dinge gesehen.

Entmaterialisierung der Transportprozesse in der Logistik

In der Logistik wird, nach der Abschaffung der Fernfahrer durch autonome Trucks, die nächste Stufe der Digitalisierung für die „Entmaterialisierung“ der Transportprozesse sorgen. „Die Objekte werden nicht mehr von entfernten Produktionsstätten aus transportiert und zugestellt“, heißt es in der VDI-Studie. „Übertragen wird vielmehr nur noch die werthaltige digitale Information.“ Ein Beispiel ist der Hybridbrief, der größtenteils nur noch elektronisch übertragen wird. Eine Art Poststation in Nähe des Empfängers druckt ihn aus, kuvertiert ihn und stellt ihn physisch zu. Ähnliche Hybridlösungen sind für die Produktionstechnik vorstellbar, wo Daten in dezentrale regionale Fertigungsstätten mit hochwertigen 3D-Druckern vor Ort geschickt werden und dort die Gegenstände herstellen. Just-in-Time-Logistik, aber ohne Lkw-Verkehr und Autobahnstau.

Über die Elektromobilität könnten in den Städten ganze Wirkungskaskaden ausgelöst werden. Kleine, maßgeschneiderte autonome Fahrzeuge pendeln zwischen ihrem Heimatparkplatz und den Bestelladressen. Sie müssen nicht mehr in der Nähe der Wohnung geparkt werden. „Fahrerlose, fernabgestellte Autos würden die Parkraumbewirtschaftung stark beeinflussen und in den Stadtzentren neu nutzbare Flächen schaffen“, lautet eine Option der VDI-Foresight-Studie. Innenstadt-Parkhäuser, die in der ersten Stufe der Autoroboter von diesen selbsttätig befahren werden, können in letzter Instanz völlig abgeschafft werden – sie werden nicht mehr gebraucht. Womöglich liegt die Zukunft aber nicht nur im Individualverkehr, sondern mindestens ebenso im öffentlichen Transportsystem. Dieser Trend lässt sich am Mobilitätsverhalten der jüngeren Generation erkennen. Fuhren 18-bis 29-Jährige vor zehn Jahren noch täglich 28 Kilometer mit dem Pkw, sind es nach Ermittlungen der Verkehrsstatistiker gegenwärtig nur 17 Kilometer, dafür nimmt die Nutzung von ÖPNV und Fahrrad zu.

Grafik Stadt der Zukunft

Nach Schätzungen werden 2050 rund 9,5 Milliarden Menschen auf der Erde leben, gut 6,5 Milliarden davon in urbanen Zentren. Verkehrsinfrastrukturen müssen daher stetig verbessert werden.

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Wie sieht die Fortbewegung im Jahr 2050 aus?

Und die Kinder dieser jungen Generation – wie werden sie sich im Jahre 2050 fortbewegen? Belastbare Aussagen darüber sind kaum möglich. Die Vorstellung von wahrscheinlichen und möglichen Zukunftsentwürfen wird in diesem Zeithorizont von der Beschreibung wünschbarer Zukünfte abgelöst. Als sich der Braunschweiger Designprofessor Stephan Rammler vor einigen Jahren im „Futurzwei Zukunftsalmanach Mobilität“ an den Entwurf einer solchen fernen Verkehrszukunft wagte, entstand eine Welt im ökologischen Gleichgewicht mit viel virtuellem Traffic und postindustrieller Verkehrstechnik. In den „Jahren der Beruhigung“, wie er die Epoche von 2041 bis 2050 bezeichnet, sind die Düsenjets am Himmel von den zurückgekehrten Zeppelinen abgelöst worden, und auf den Meeren kreuzen Megaliner, denen Hightech-Segel den Schub verleihen. Am Boden ist das „OSMo“(Open Source Mobile) der Hit: „Ein in Kollaboration von Experten und Laien entworfenes und realisierbares Auto, dessen Baupläne und Daten offen zugänglich sind“. Die Bauteile der Do-it-yourself-Gefährte werden in dezentralen Hightech-Manufakturen einer Sharing-Ökonomie hergestellt. „OSMos waren nicht für Einzelhalter gedacht, sondern als möglichst rund um die Uhr ausgelastete Maximal-Nutz-Fahrzeuge“, so die Beschreibung aus der Futurzwei-Zukunft. „Die Zeit der materiellen Statussymbole war einfach vorbei, die der Autos sowieso.“

Ob es so kommen wird? Vielleicht setzen sich aber auch andere Mobilitätskonzepte und technische Verkehrsträger durch, die wir heute nicht kennen. Etwa das Hyperloop-Konzept des Silicon-Valley-Visionärs Elon Musk, das in einer Magnetschnellbahn Personenkapseln auf bis zu 1.200 Stundenkilometer beschleunigen will, um Flugzeug und Schnellzug den Rang abzulaufen. Viele neue Verkehrstechniken sind in der Zukunft vorstellbar. Gemeinsam wird ihnen allen sein, dass sie ihre menschlichen Passagiere sicher transportieren und die Umwelt weniger belasten, als dies heute der Fall ist.

Manfred Ronzheimer ist freier Fachjournalist aus Berlin. Er arbeitet in den Themenfeldern Wissenschaft und Innovation.