Mobilität soll intelligenter werden – was bedeutet Smart Mobility genau?
Ralf Petri: Smart Mobility ist ein Synonym für Effizienz und Komfortsteigerung. Es geht schließlich bei Mobilität darum, von A nach B zu kommen. Und die künstliche Intelligenz hilft dabei, das möglichst komfortabel zu tun. Das bedeutet: Ich spare Zeit und kann sie nutzen. Ich habe also während des Unterwegsseins die Möglichkeit, etwas anderes zu tun und komme noch dazu ressourcenschonender ans Ziel. Das bedeutet: weniger CO2, weniger Staus. Darum geht es.
Welche Komponenten gehören zu einer intelligenten Mobilität?
Ralf Petri: Das ist wie beim Menschen. Sie brauchen ein Gehirn. Das ist im Fall von Smart Mobility künstliche Intelligenz. Und sie brauchen ihre Sinne, um äußere Einflüsse wahrzunehmen. Das können in unserem Fall Ultraschallsensoren sein, Videosysteme oder Lasersysteme, die dann mithilfe der Künstlichen Intelligenz flexibel auf Ereignisse reagieren. Natürlich müssen all diese Systeme die gleiche Sprache sprechen wie die anderen Verkehrsteilnehmer, damit sie sich verständigen können. Und sie brauchen eine Plattform, die für den Austausch sorgt.
Was bedeutet das für den einzelnen Bürger?
Ralf Petri: Wenn wir uns moderne Fahrzeuge ansehen, dann befinden wir uns bereits in einer intelligenten Welt. Ein Auto von 1950 war eine rein mechanische Angelegenheit. Heute ist das ganz anders. Es gibt ein Navigationssystem, das uns die beste Route zeigt, über Staus und Baustellen informiert. Gleichzeitig kommt dem Smartphone eine große Bedeutung zu, das über die Apps verschiedene Verkehrsmittel buchbar macht. So wächst die intermodale Mobilität, also die verschiedenen Verkehrsträger, zusammen – egal ob Scooter, Taxi, Pkw oder Bus. So habe ich die Möglichkeit, alles zu buchen und sehr konsequent von A nach B zu kommen, ohne großen Zeitverlust und das möglichst komfortabel.
Wie ließe sich das noch steigern?
Ralf Petri: Wir steigen im Pkw-Bereich so langsam ins automatisierte Fahren ein. In der Endausprägung beim autonomen Fahren sitzt der Fahrer nur noch im Auto und wird chauffiert. Selbst fahren ist dann nicht mehr notwendig.
Und worauf müssen Verkehrsteilnehmer sich noch einstellen?
Ralf Petri: Das Thema Datenschutz wird an Bedeutung zunehmend gewinnen. Für Systeme, die auf künstlicher Intelligenz basieren, sind Informationen und Daten notwendig.
Gibt es eine Stadt, die für Sie Modellcharakter hat?
Ralf Petri: Es gibt einen Index, der misst, wie smart eine Stadt ist, den IMD Smart City Index. Derzeit ist Singapur auf Platz 1. Man denkt oft, die deutschen Städte seien weit abgeschlagen, aber das ist tatsächlich nicht der Fall. München, Düsseldorf und Hamburg sind unter den Top 20. In München gibt es das Smart together. Hier greifen vom Parkmanagementsystem bis zum Abfallmanagement verschiedene für den Bürger wichtige Stationen auf eine Plattform zu, über die alles geregelt wird. Diese Plattform ist zugänglich über eine App. Das macht eine Stadt natürlich sehr smart. Allerdings ist „Smart Mobility“ in Deutschland schwerer umzusetzen, weil wir bestehende, gewachsene Städte haben. In Asien, wo viele Städte erst entstehen und von Anfang an mit neuer Technologie hochgezogen werden, bieten sich natürlich ganz andere Möglichkeiten.
Kann Smart Mobility die Infrastruktur von Städten verbessern?
Ralf Petri: Hier lohnt sich der Blick nach China. Dort werden in den Mega Cities bereits intelligente Verkehrssignalanlagen eingesetzt, die zudem international genormt werden, also auch auf andere Regionen anwendbar sein werden. Diese Verkehrsanlagen interagieren und verbessern damit den Verkehrsfluss, sodass weniger Staus entstehen. Natürlich kann Smart Mobility auch mit sich bringen, dass neue Flächen in den Städten entstehen und damit der Wohnkomfort steigt. Wenn weniger private Pkws auf den Straßen sind, könnte sich der Raum für Fahrräder oder E-Scooter erweitern, gleichzeitig könnten mehr Grünflächen entstehen.
Sollten sich Berufspendler, die viel im Stau stehen, ihrer Meinung nach, nach Smart Mobility sehnen?
Ralf Petri: Wenn das Angebot gut ist, werden die Leute es nutzen. Davon bin ich überzeugt. Als ich 2018 in Los Angeles war, kam das Thema Privat-Taxis durch Uber oder andere Dienstleister gerade auf. Das Angebot wurde sehr schnell angenommen und kaum jemand hat noch sein eigenes Fahrzeug genutzt. Wenn das Angebot also so gut ist, dass ich statt hinter dem Lenkrad im Stau zu stehen, schneller und effizienter von A nach B kommen und währenddessen auch noch komfortabel Zeitung lesen kann, dann wird das funktionieren.
Wer an Mobilität denkt, denkt an Autos, Züge, Fahrräder – aber auch Aufzüge und Fahrtreppen spielen eine Rolle. Können Sie das erläutern?
Ralf Petri: In vielen Städten werden Rolltreppen mit Sensoren ausgestattet. Dadurch wird die Rolltreppe intelligent. Sie läuft also nicht durchgehend, sondern geht kurz vorher an bevor der Kunde sie betritt. Die Rolltreppe spart also Energie.
Was schätzen Sie, wie lange es für eine mittelgroße deutsche Stadt dauern wird, Smart Mobility effizient zu nutzen?
Ralf Petri: Das ist schwer zu sagen. Die Ansätze sind schleichend. Lange war die Papierkarte zum Navigieren noch unverzichtbar. Heute nutzen die Leute Google Maps oder andere Navigations-Apps ganz selbstverständlich. Wenn ich abschätzen sollte, wie lange es
dauert, bis auch die Verkehrssignalanlagen hierzulande durchgängig intelligent und vernetzt sind – das wird sicher noch eine Dekade brauchen. Vorher müssen wir in Deutschland noch einige technische sowie regulatorische Hürden nehmen.
Erleben Sie da durch Corona einen Rückschritt in Sachen Smart Mobility, weil viele nun doch lieber wieder allein im privaten Auto sitzen?
Ralf Petri: Kurz war das so. Aber mittlerweile nutzen die Leute wieder zunehmend die öffentlichen Verkehrsmittel. Ich bin sicher, wenn die Pandemie vorüber ist, wird das nur eine kurze Delle gewesen sein. Danach werden wir zur intermodalen Mobilität zurückkehren.
Das Interview erschien in ReichweitE als Beilage des Handelsblatts am 24. März 2021.