Prof. Dr. Armin Schnettler

Prof. Dr. Armin Schnettler unterstützt den Ansatz, parallel zum batterieelektrischen Elektroauto auch auf Wasserstoff und E-Fuels zu setzen.

| VDE / Anja Rottke
11.04.2022 Fachinformation

Der VDE ist Wegbereiter für grüne Mobilität - Normung, Prüfung und Zertifizierung sind essenzielle Wegbereiter

Prof. Armin Schnettler, VDE Präsident, spricht im Interview mit dem ADAC über den Umstieg auf Elektrofahrzeuge, den Ausbau der Stromnetze, und die Chancen der Energiewende. Dabei spielen die Kernthemen des VDE wie Normung, Prüfung und Zertifizierung eine entscheidende Rolle.

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Pressesprecher

ADAC: Herr Schnettler, Tanken ist enorm teuer geworden – geht das in Zukunft so weiter?
Prof. Armin Schnettler: Kraftstoff war in der Vergangenheit viel zu billig. Das sagen wir schon seit Jahren.

ADAC: Im Vergleich zu Diesel und Benzin: Wird das Laden von Elektroautos günstiger sein?
Prof. Armin Schnettler: Im Moment haben wir horrende Spritpreise, während der Strom zu Hause nach wie vor 30 Cent pro Kilowattstunde kostet. An einer Schnellladesäule kann es sogar das Doppelte sein.
Aber um einen seriösen Kostenvergleich der verschiedenen Antriebstechnologien untereinander anzustellen, muss man natürlich neben den Betriebskosten für Strom, Sprit oder die Inspektionen auch die Anschaffungskosten berücksichtigen. Vor allem die Anschaffungskosten sind beim Elektroauto trotz aktueller Förderungen noch höher als beim klassischen Verbrenner. Trotzdem sehen wir über alle Kosten hinweg schon jetzt eine gewisse Parität zwischen Elektroauto und Verbrenner.

ADAC: An der Tankstelle sind die Kunden an schwankende Preise gewöhnt, beim Strom zahlt man einen Fixpreis. Bleibt das so?
Prof. Armin Schnettler: Ja, bezogen auf einen definierten Zeitraum. Aber mit den smarten Zählern, den sogenannten intelligenten Messsystemen, wird es bald auch tageszeitabhängige Tarife geben.

ADAC: 2030 soll es in Deutschland 15 Millionen E-Autos geben. Reicht der erneuerbare Strom dafür?
Prof. Armin Schnettler: Wenn es nur um die Elektroautos geht: ja. Aber dann steht der grüne Strom natürlich nicht für Industrie oder Wohnungen zur Verfügung. Deshalb muss die Antwort eigentlich heißen: nein. Wenn wir CO₂-Emissionen verringern wollen, brauchen wir mehr grünen Strom, mehr Energieeffizienz und müssen weniger Auto fahren.

ADAC: Gibt es genug Ladeparks?
Prof. Armin Schnettler: Noch nicht, wir brauchen mehr Hochleistungs-Lademöglichkeiten entlang der Autobahnen, vielleicht im Abstand von 60 Kilometern. So wie bei Tankstellen auch.

Green Deal, Zero 2050 und Mobility: VDE Studie „Antriebsportfolio der Zukunft“

Technologie und Transport, Transfer mit Stadthintergrund
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30.04.2021 Pressemitteilung

In seiner neuen Mobilitäts-Studie bringt der VDE erstmals die Sichtweisen von Mobilitäts-Expertinnen und -Experten aus Politik und Wirtschaft zusammen. Als Fazit fasst die Studie das Antriebsportfolio der Zukunft im Straßenverkehr wie folgt zusammen: Batterie für PKWs, Batterie/Brennstoffzelle für LKW und E-Fuels für Bestandsfahrzeuge bzw. für Motorsport und Oldtimer. Eine weitere wichtige Erkenntnis: Wirtschaft, Politik und Bevölkerung müssen an einem Strang ziehen, um die Klimaziele der EU zu erreichen. Dabei muss die Stärkung der deutschen Wirtschaft und die Arbeitsplatzsicherung im Fokus stehen.

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Intelligente Netze und Messysteme werden sich durchsetzen

ADAC: Und wie ist die Situation bei den Stromnetzen?
Prof. Armin Schnettler: Bei 10 bis 15 Millionen Fahrzeugen reden wir von ungefähr 10 Prozent mehr Stromverbrauch. Das schaffen unsere Netze. Was sie allerdings nicht schaffen, sind mögliche Leistungsspitzen, wenn zum Beispiel alle Leute in einer Straße gleichzeitig ihre batterieelektrischen E-Autos vollladen würden.
Deshalb sind vor allem intelligente Netze und Messsysteme notwendig, damit wir diese Leistungsspitzen mithilfe von temporären Steuerungsmaßnahmen abfedern und einen kostspieligen Netzausbau möglichst vermeiden. Aber ob das kommt, daran wird seit vielen Jahren in Forschungs- und Entwicklungsprojekten gearbeitet.

ADAC: Geforscht, ja – aber wie steht es um die Umsetzung?
Prof. Armin Schnettler: Zum Teil sind wir viel zu gründlich und nicht pragmatisch genug, das ist die deutsche Mentalität. Der notwendige Netzausbau von den Windparks in der Nordsee in den Süden zur Versorgung mit "grüner Energie" muss schneller werden, das darf nicht noch mal zehn Jahre dauern. Aber die Energiekrise, die wir wegen des Ukraine-Kriegs erleben, wird zu mehr Pragmatismus führen. Davon bin ich fest überzeugt.

ADAC: Ihr Verband, der VDE, prüft und zertifiziert viele der neuen Technologien im Elektronikbereich. Tragen Sie eine Mitverantwortung für die schleppenden Fortschritte?
Prof. Armin Schnettler: Nein. Viele Leute denken, der VDE schreibt die Normen selbst, das ist nicht der Fall. Die Normierung ist ein komplexer Prozess der Konsensfindung, der sich oftmals auch über Ländergrenzen erstreckt. Das kann manchmal dauern. Als VDE versuchen wir, diesen Prozess aber möglichst schlank und reibungsfrei zu moderieren.

ADAC: Haben Sie den Eindruck, dass die Bundesregierung die richtigen Weichen stellt?
Prof. Armin Schnettler: Ja, wenn wir jetzt wirklich loslegen. Wir haben viele beratende Gremien, und meine Hoffnung ist, dass die neue Regierung umsetzungsstärker ist als die vorherige.

ADAC: Wie steht es um die Wirtschaftlichkeit der neuen Technologien?
Prof. Armin Schnettler: Beim technologischen Fortschritt muss man immer durch eine Art "Tal der Tränen", mit hohen Ausgaben und geringen Einnahmen. Dieses Tal müssen wir durchqueren. Die batterieelektrische Elektromobilität ist dank der Förderung schon auf der anderen Seite angekommen. Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe sind dagegen noch nicht so weit. Dabei haben sie in ihrem spezifischen Anwendungsfeld durchaus Stärken.
Allein der Bestandsfahrzeugmarkt im Verbrennerbereich ist mit über 1,3 Milliarden Fahrzeugen weltweit riesig! Hier könnten E-Fuels die einzig ökonomisch sinnvolle Alternative zur Dekarbonisierung sein. Ja. Eine schnelle Nutzung von E-Fuels kann einen riesigen Markt defossilisieren und damit einen Umweltbeitrag leisten. Eine Förderung kann dabei den Schwachpunkt der Kosten für den Anwender reduzieren. Deswegen ist der Ansatz richtig, parallel zum batterieelektrischen Elektroauto auch auf Wasserstoff und E-Fuels zu setzen.

Die Zukunft gehört dem reinen Elektroauto

ADAC: Wie würde das funktionieren?
Prof. Armin Schnettler: Es würde zunächst nur um Beimischungen gehen. Unser E10 wird dann M10, also Benzin mit 10 Prozent Methanol, oder H10, also Benzin mit 10 Prozent Methanol auf Basis von grünem Wasserstoff. Technologisch ist das alles kein Problem.

ADAC: Könnten synthetische Kraftstoffe also den deutschen Verbrenner am Leben erhalten?
Prof. Armin Schnettler: Nur vorübergehend, die Zukunft gehört dem reinen Elektroauto. Im überregionalen Schwerlastverkehr wird es wahrscheinlich Wasserstoff werden. Also auch ein Elektroantrieb, mit dem Unterschied, dass die Energie nicht in einer Batterie gespeichert wird wie beim batterieelektrischen E-Auto.
Aber unabhängig von Straßenfahrzeugen: Wir haben einen riesigen Bedarf an Wasserstoff und E-Fuels: für Schiffe, für Flugzeuge oder für andere Sektoren wie beispielsweise die Stahlindustrie.

ADAC: Ist es in Deutschland möglich, genug Grünstrom für die hiesige Nachfrage zu produzieren?
Prof. Armin Schnettler: Eindeutig nein. 

ADAC: Warum nicht?
Prof. Armin Schnettler: Etwa 50 Prozent des Endenergieverbrauchs lassen sich elektrifizieren. Wir liegen heute bei etwa 20 Prozent. Wir brauchen in Deutschland in Zukunft aber mehr als doppelt so viel Strom wie heute. Konkret ist das ein Mehrbedarf von 600 Terrawattstunden Strom. Problem: Wir müssen gleichzeitig raus aus Kohle, Gas und Atomkraft. Daher werden wir unseren Strombedarf über Importe abdecken müssen.

ADAC: Wie sollte dieser Strom zu uns kommen?
Prof. Armin Schnettler: Wir sollten grüne Energie in Form von Wasserstoff, Methanol, Ammoniak oder synthetischen Kraftstoffen importieren. So kann man sie speichern. Dafür brauchen wir sowohl starke europäische als auch weltweite Energiepartnerschaften, sei es mit Australien, sei es mit Südamerika, mit Nordafrika, oder auch mit dem Nahen Osten.