Interview Humintech durch Daniel Rinkert
Seit Januar ist das mittelständische Unternehmen Humintech aus Grevenbroich neues Mitglied im VDE. Es ist mehrfach als Hidden Champion ausgezeichnet worden. Der Sitz des Unternehmens ist Mitten im Tagebau Garzweiler. Wir haben mit Berthold Stern über die Themen des Unternehmens und den Strukturwandel im Rheinischen Revier gesprochen.
Daniel Rinkert, VDE: Welche Produkte entwickelt Humintech?
Berthold Stern, Humintech: Humintech entwickelt huminstoffbasierte Produkte und nutzt dafür als Grundstoff huminsäurenreiche, verwitterte Braunkohle, die international „Leonardit“ genannt wird. Humus und die darin enthaltenen Huminstoffe sind essenzielle Bestandteile fruchtbarer Böden. Durch klimabedingte Bodendegradation sinkt weltweit die Humusgehalt in Ackerflächen und damit auch die Bodenfruchtbarkeit. Huminstoffbasierte Produkte unterstützen den Humus-Aufbau, stabilisieren den Anteil an Dauerhumus in Böden und leisten damit einen entscheidenden Beitrag zur Senkung von CO2-Emissionen aus landwirtschaftlich genutzten Böden.
Daniel Rinkert: Vor welchen Herausforderungen steht Ihr Unternehmen?
Berthold Stern: Humintech steht u.a. vor der Herausforderung, auch in Zukunft die Rohstoffversorgung aus der Region zu sichern. Darüber hinaus besteht die Herausforderung darin, einer breiten Öffentlichkeit den Wert des verfügbaren Naturstoffs Braunkohle im Hinblick auf ihr Potenzial zur Bodenverbesserung, CO2-Bindung sowie zur Erhöhung der Düngemitteleffzienz und abiotischen Stresstoleranz zu vermitteln, also den aktuellen klimawandelbedingten Problemen in der Landwirtschaft.
Daniel Rinkert: Wie bewerten Sie den Prozess zum Strukturwandel im Rheinischen Revier?
Berthold Stern: Wie auch nach dem Niedergang der Montan-Industrie im Ruhrgebiet steht die Politik jetzt vor der großen Herausforderung, den Strukturwandel sozialverträglich zu gestalten, was konkret bedeutet, neue Arbeitsplätze in der Region zu schaffen. Das kommunizierte Ziel der Förderung besteht darin, neue Arbeitsplätze durch neue Wertschöpfungsketten zu generieren und Humintech tut dies bereits in der Region seit der Ansiedlung am Standort Grevenbroich Ende 2013. Bedauerlicherweise wird die Angewandte Huminstoff-Forschung auf Basis der (humin)stofflichen, CO2-neutrale Nutzung des Leonardits vom Projektträger derzeit nicht als politisch opportun betrachtet surd. Dies ist um so verwunderlicher, als die Europäische Kommission im Zusammenhang mit der neuen Europäischen Düngeprodukteverordnung ((EU) 2019/1009) erstmals europaweit den Einsatz braunkohlebasierter Huminstoffe regelt und diese Produkte sogar speziell im Ökologischen Landbau zugelassen sind. Im Zusammenhang der CO2-negativen stofflichen Nutzung fossiler Rohstoffe die politische Opportunität abzusprechen, lässt völlig außer Acht, dass wir in Wirtschaftssektoren wie der Chemie- und der Bau-Industrie auch zukünftig kaum auf die Nutzung fossiler Rohstoffe wie Erdöl oder Kalk verzichten werden können, und dass, obwohl diese Industriezweige kaum eine CO2-negative oder wenigstens CO2-neutrale Nutzung der fossilen Rohstoffe für sich in Anspruch nehmen können. Da es sich bei Huminstoffen schon in ihrer Definition um reine Naturstoffe handelt, können sie nicht industriell erzeugt werden. Und während wir beim Rohöl von einem Verhältnis von ca. eins zu zehn in Bezug auf die Nutzung als fossiler Brennstoff bzw. Rohstoff für die Chemie-Industrie ausgehen können, dürfte dieses Verhältnis bei der (humin)stofflichen Nutzung von Braunkohle im Vergleich zu ihrer energetischen bei höchstens eins zu tausend liegen. Für Grundprodukte wie Natrium- und Kaliumhumat, welche durch die, nachhaltige stoffliche Nutzung von Leonardit produziert werden, existieren über die Landwirtschaft hinaus viele weitere Anwendungsgebiete, insbesondere in der Umweltsanierung und vielfältigen Industrieanwendungen, von der Papier- und Keramikherstellung bis zum Einsatz in der Batterie-Industrie. Darüber hinaus bieten sich von der Kosmetik und der Medizin bis hin zu kompostierbaren Kunststoffen viele weitere nachhaltige Einsatzgebiete für Huminstoffe.
Aus unserer Sicht bestehen daher noch enorme, bisher nicht ausgeschöpfte Potenziale zur Generierung von Wertschöpfung mit Hilfe regional ausreichend verfügbarer Rohstoffe. Der Bedarf nach nachhaltigen Agrar-Betriebsmitteln für die klimaangepasste Landwirtschaft steigt nicht zuletzt aufgrund des Klimawandels und der aktuellen politischen Forderung nach mehr Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit in unserer Nahrungsmittelproduktion.
Daniel Rinkert: Warum ist Ihr Unternehmen Mitglied im VDE geworden?
Berthold Stern: Humintech hat sich dazu entschieden Mitglied im VDE zu werden, da der VDE als eine der größten Technologie-Organisationen Europas eine interessante Plattform für den wissenschaftlichen Austausch und eine breite forschungsorientierte Vernetzung darstellt, insbesondere im Hinblick auf die Förderung des Forschungsnachwuchses. Darüber hinaus setzen sich der VDE und seine Mitglieder für Innovation, Nachhaltigkeit und Technikakzeptanz ein.