Für eine solche übergreifende Systembetrachtung hat die Energietechnische Gesellschaft im VDE (ETG) eine Task Force "Aktive EnergieNetz" gebildet mit über 40 Experten aus
- Übertragungs- und Verteilungsnetzbetrieb,
- Unternehmen der elektrotechnischen Industrie, Hochschulen, Beratungsunternehmen und Forschungseinrichtungen.
Die vorliegende Studie wurde in acht Arbeitsgruppen erarbeitet und enthält Kernbotschaften zum Handlungsbedarf, daraus abgeleiteter Empfehlungen jeweils zu den Übertragungs- und Verteilungsnetzen, zu netzebenenübergreifenden Aspekten sowie hinsichtlich einer perspektivischen Marktordnung. Umfangreiche Detailuntersuchungen untermauern die dargelegten Kernbotschaften und Empfehlungen.
Die wesentlichen Herausforderungen an die Stromnetze in Folge der Energiewende werden herausgearbeitet als:
- Dislozierung von Erzeugungs- und Verbrauchszentren und daraus resultierender Engpässe in den Übertragungsnetzen,
- Vermehrtes Auftreten von Netzgefährdungen im Verteilungsnetz verursacht durch die stark steigende Zahl von Anschlüssen verteilter Erzeuger und neuer Verbrauchertypen,
- Vorkommen von Extremsituationen aufgrund eines hohen Anteils volatiler Erzeugung mit Defiziten an verfügbarer Leistung oder Überschüssen an erneuerbarer Energie und Leistung.
Um diese Herausforderungen zu meistern sind gesamtheitliche Entwicklungskonzepte erforderlich, die folgende in der Studie untersuchte Aspekte einbeziehen:
Übertragungsnetzbetrieb und Hochleistungsübertragungstechniken,
Paradigmenwechsel in Verteilungsnetzen, Netzausbau, Automatisierung, Anreizregulierung,
Netzübergreifender Anforderungen:
- Prognoseverfahren,
- Schutz- und Automatisierungskonzepte,
- Informationsaustausch zwischen den Akteuren in den Stromnetzen,
- Smart Metering und Datenschutz,
- Konzepte zum Management von erneuerbaren Energieüberschüssen und Defiziten,
Wechselbeziehung von Netzbetrieb,
Netzauslegung und intelligenter Nutzung von Marktmechanismen –Entwicklung des Smart- Supply – Konzeptes,
Gestaltung einer künftigen Marktordnung.
In den Konzepten zum Ausbau der Übertragungsnetze sind vor allem auch Optimierungspotenziale in Bezug auf den begleitenden Ausbau regionaler Erzeugung insbesondere in Süddeutschland zu berücksichtigen.
Weitere begleitende Maßnahmen der Übertragungsetzentwicklung beinhalten:
eine ganzheitliche Systembetrachtung aller Netzebenen, Technologien, Akteure und Nachbarnetze
eine Vielzahl von neuen technischen und organisatorischen Maßnahmen in der Systemführung
- intelligentes Engpassmanagement,
- innovative Schutzkonzepte,
- bessere Prognosesysteme auf allen Ebenen, neue Analyse-Tools,
- transparenter Informationsaustausch, etc.,
die Schaffung von Planungssicherheit und entsprechenden politischen/ regulatorischen Rahmenbedingungen.
Der Netzanschluss extrem steigender Leistungen verteilter Erzeuger und neuer Verbrauchertypen an die Verteilungsnetze ist ohne Verlust an Versorgungsqualität zu meistern.
Dafür sind u.a. folgende Voraussetzungen zu schaffen:
Qualifizierung der heutigen Entgeltsregeln und Schaffung von Anreizen zur Verteilungsnetzentwicklung,
Optimierung der Entwicklungskonzepte mit den Alternativen:
- Primärtechnische Erweiterung der Netzkapazität,
- Partielle Einführung von Fernsteuerung und Automatisierung mittels Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) und
- Nutzung von Schaltmaßnahmen und/ oder Marktmechanismen um selten auftretende Netzgefährdungen zu vermeiden.
Erweiterung der Personaldecke besonders in Leitwarten und bezüglich IKT- Qualifikation.
Die intelligente Gestaltung der Wechselbeziehung von Netzbetrieb und Marktmechanismen birgt ein enormes Optimierungspotenzial und kann entscheidend zum Gelingen der Energiewende beitragen insbesondere durch:
Ausbau einer bilanzierungspflichtigen und steuerbaren verteilten Erzeugung mit konsequenter Marktintegration auch der erneuerbaren Erzeuger z. B. aggregiert in einem virtuellen Kraftwerk (VKW)
Begleitung der Netzentwicklung durch die Einführung von deutlichen Marktanreizen zur Flexibilitätssteuerung der Bilanzierung von Last und Erzeugung hinsichtlich:
- Aktives Schalten von Lasten (Demand Side Management - DSM)
- Tarifliche Verbrauchsbeeinflussung (Demand Side Response- DSR)
- Speicherbewirtschaftung (elektrisch, thermisch, Power to Gas)
Für die Gestaltung dieser Wechselbeziehung führt die Studie den Begriff „Smart Supply“ ein:
Smart Supply bezeichnet die intelligente Koordinierung von Netzoperationen und Marktaktivitäten unter Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), um wirtschaftliche Vorteile für alle Akteure des Strommarktes – Verteilungsnetzbetreiber, Erzeuger, Händler, Konsumenten, Speicherbetreiber und IKT-Serviceanbieter zu generieren.
Es muss aber festgestellt werden, dass der heutige Rechtsrahmen diese Form der Koordinierung behindert.
Ohne die Novellierung des EEG ist das oft zitierte „Virtuelle Kraftwerk“ für dezentrales Energiemanagement unter koordinierter Einbindung von Erzeugern, Speichern und steuerbaren Lasten (DSM) nicht realisierbar. Dafür fehlen die Mitmachanreize für erneuerbare Erzeuger.
Eine tarifliche Beeinflussung der Last bringt weder Händlern noch Kunden einen fühlbaren Nutzen aufgrund:
- heute üblicher Planung und Einkauf nach Standardlastprofilen,
- pauschaler Tarifbildung ohne marktgerechte Dynamik und Spreizung.
Anreize und Einflussmöglichkeiten auf die Netzbelastung z.B. mittels variabler Netzentgelte als Bestandteile der Tarife sind beim Verteilnetzbetreiber nicht vorhanden.
Die Studie untersucht die Beziehungen der Netz- und Marktteilnehmer unter Berücksichtigung des oft erwähnten „zellularen Ansatzes“ als Fundament der Smart- Supply -Idee und als Ergänzung zur heutigen Systemsteuerung in den 4 Regelzonen. Der zellulare Ansatz ist mit der Bildung von selbstbilanzierenden und Systemdienstleistungen generierenden Smart- Supply – Zellen (die möglichst elektrisch zusammen gehören) zur Reduzierung der Komplexität der Systemsteuerung geeignet.
Die Bildung von zellular organisierten Bilanzkreisen kann die künftig wachsende Bedeutung des Fahrplanmanagements für die Systemsicherheit im Umfeld starker Volatilitäten und die Entstehung regionaler Märkte fördern.
Zur Gestaltung der Beziehungen der Akteure im Smart- Supply- System sind neue Funktionen als Marktrollen aufzubauen. Den verschiedenen Akteuren ist der Zugriff auf die für ihre Aufgabe relevanten Messdaten zu ermöglichen (Datendrehscheibe nach BNetzA) (Bild 1). Dafür sind auch die kommunikationstechnischen und datenschutzrechtlichen Voraussetzungen in den Verteilungsnetzen zu schaffen – mit getrennten Kommunikationsdomänen für Markt und Netz. Es werden deutliche Synergieeffekte gesehen, wenn zellular ausgerichtete Konzessionsvergaben für die neuen Funktionen erfolgen. Die Synergien können erweitert werden durch den einheitlichen Messstellenbetrieb auch für andere Versorgungssparten. Es wird empfohlen, dass auch die Verteilungsnetzbetreiber die Möglichkeit erhalten, Konzessionen zur Ausübung der neuen Funktionen erwerben.