Gedenkstein Miesbach - München_Bild 1
Bernhard Thiem
01.02.2021

Gedenkstein Miesbach - München

Sophienstraße 7, 80333 München

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VDE Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik
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Die von Oskar von Miller initiierte und 1882 realisierte „Kraftübertragung” zwischen Miesbach und München war eine Energieübertragung über 57 km auf der Basis von Gleichstrom, der mit einer Spannung von rund 2.000 V in Miesbach erzeugt wurde. Zwar erwies sich die Gleichstromübertragung bei niedrigen Spannungen im Vergleich mit der seit 1891 erfolgreichen Drehstromtechnik nicht als zukunftsweisend, Oskar von Miller hatte mit dem Experiment jedoch eindrucksvoll gezeigt, dass eine Fernübertragung elektrischer Energie möglich war.

Beschreibung


Datum der Kraftübertragung: 25. September 1882


Für heutige Verhältnisse erscheint die Bezeichnung „Hochspannungsübertragung” für das technische Experiment, das die beiden Elektrizitätspioniere Marcel Deprez und Oskar von Miller im September 1882 anlässlich der internationalen Elektrizitätsausstellung in München durchführten, ziemlich unangemessen. Damals erregte jedoch die weltweit erstmals durchgeführte Kraftübertragung mit hochgespanntem Strom großes Aufsehen.


Oskar von Miller, der im Alter von 26 Jahren die erste große Internationale Elektrotechnische Ausstellung 1881 in Paris besucht hatte, kam mit der Idee nach München zurück, das neue Phänomen der Elektrizität auch in Deutschland zu präsentieren. Er entwickelte die Vorstellung, die bayerischen Wasserkräfte für die Erzeugung von elektrischer Energie auszunutzen. So wurde er zur treibenden Kraft, 1882 im Münchener Glaspalast, einer großen Messe- und Ausstellungshalle, ebenfalls eine Internationale Elektrotechnische Ausstellung auf die Beine zu stellen. Als Höhepunkt der Ausstellung plante er die Demonstration einer Übertragung elektrischer Energie über eine größere Entfernung, um die Wirklichkeitsnähe seines Konzepts der Übertragung elektrischer Energie aus der Alpenregion in die Verbrauchszentren zu zeigen.

Es gestaltete sich äußerst schwierig, entsprechende Unternehmen für die bahnbrechende Innovation zu finden. Da man kaum über Erfahrungen mit hohen Spannungen verfügte und bisherige Übertragungen eine Entfernung von 2 km nicht überschritten hatten, war der Erfolg völlig ungewiss. Keine Firma auf dem gerade erst aufstrebenden neuen Geschäftsfeld wollte sich die Blöße des Scheiterns geben. Schließlich fand Oskar von Miller einen Mitstreiter in dem französischen Bergbauingenieur Marcel Deprez, der sich seit 1878 auf dem Gebiet der Elektrizitätslehre einen Namen gemacht hatte. Die Oberbayerischen Kohlebergwerke in Miesbach stellten die auf ihrem Gelände am Knorrschacht in der Nähe des Miesbacher Bahnhofs installierte Dampfmaschine zur Verfügung, um die 2-PS-Dynamomaschine der Bauart »Gramme« anzutreiben. Als Übertragungsleitung wurden zwei Telegraphendrähte - andere Leitungsmaterialien gab es damals noch nicht - gewählt, die auf einem Telegraphengestänge die Entfernung von 57 km nach München überbrückten. Der im Glaspalast stehende Motor, ebenfalls eine »Gramme«-Maschine, trieb eine Pumpe an, mit der ein künstlicher Wasserfall erzeugt wurde. Um einen eventuellen Misserfolg nicht in die Öffentlichkeit dringen zu lassen, wurde das Experiment in die späten Abendstunden des 25. September 1882 verlegt. Die in Miesbach erzeugte Spannung zwischen 1.350 und 2.000 Volt reichte aus, um den Motor in München in Gang zu setzen und die Funktionsfähigkeit der Übertragung über weite Entfernungen zu demonstrieren. Allerdings war die Anlage nur wenige Tage in Betrieb, das zunächst am Generator in Miesbach ein Schaden eintrat und nach dessen Reparatur der Motor in München am 10. Oktober durch einen Kurzschluss zerstört wurde.

Als der Verband Deutscher Elektrotechniker (VDE) 1952 seine Jahresversammlung in München abhielt, enthüllte der damalige bayerische Ministerpräsident Hans Erhard im Rahmen der Tagung anlässlich des 70. Jahrestags der Kraftübertragung am 16. September im Alten Botanischen Garten einen Gedenkstein. In den Festreden wurde nicht nur die epochale Bedeutung der Gleichstromübertragung herausgestellt, sondern zugleich der Geist der deutsch-französischen Zusammenarbeit beschworen.

Der Gedenkstein trägt den folgenden Text:
„Im Oktober 1882 wurde hier anlässlich der internationalen Elektrizitätsausstellung von Miesbach nach München erstmals in der Welt eine Kraftübertragung mit hochgespannten Strömen durchgeführt. Die Schöpfer des Werkes Oscar v. Miller und Marcel Deprez bahnten damit den Weg zur Ausnützung entlegener Energiequellen.
Der Verband Deutscher Elektrotechniker im September 1952.
Leitung Telegraphendraht 2 x 57 km, Spannung 1350 bis 2000 Volt Gleichstrom.”

Informationsstand: 10.02.2018
Schlagworte: Elektrizitätsübertragung / -verteilung; Energy; Energie; Energienetze
Stichworte: Gedenkstein; Kraftübertragung; Marcel Deprez; Oskar von Miller; Elektrizitätsausstellung; München; Münchener Glaspalast; Oberbayerische Kohlebergwerke; Miesbach; Knorrschacht; 2-PS-Dynamomaschine; Bauart »Gramme«; Telegraphengestänge; Verband Deutscher Elektrotechniker; VDE; Alter Botanischer Garten; Gleichstromübertragung
 

Quelle(n)

  • Verband Deutscher Elektrotechniker, Bezirksverein Südbayern (Hrsg.), 100 Jahre VDE-Bezirksverein Südbayern, gegründet als Elektrotechnischer Verein München. 1893-1993, München 1993
  • Frank Dittmann, Die Internationale Elektrizitätsausstellung in München 1882; in: Frank Dittmann (Hrsg.), Überwindung der Distanz. 125 Jahre Gleichstromübertragung Miesbach - München. 125 Jahre elektrische Energieübertragung. (Geschichte der Elektrotechnik, Bd. 24), Berlin / Offenbach 2011, S 15-55
  • Bernhard Thiem (VDE Südbayern)

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